Prävention - der Trend geht in Richtung Digitalisierung
Interview aus Sachsen
Tobias Carius ist Sportwissenschaftler und kümmert sich bei der TK in Sachsen um das Thema Gesundheitsförderung. Im Interview erklärt er, wie sich die TK für mehr Gesundheit in Sachsen einsetzt.
TK: Burnout, Übergewicht und Sucht, das sind einige der Krankheiten auf einer langen Liste, die mit Präventionsangeboten verhindert werden sollen. Wie geht die TK in Sachsen mit diesen Herausforderungen um?
Tobias Carius: Nicht nur die Themen sind eine Herausforderung. Wichtig ist, dass wir mit unseren Angeboten auch diejenigen erreichen, bei denen wir einen Bedarf erkennen. Das gelingt uns mit dem so genannten Setting-Ansatz.
Das heißt, die Angebote werden direkt in den Lebenswelten der Menschen umgesetzt. Mit vielen - auch selbst entwickelten und evaluierten Angeboten - ist die TK in diesen Lebenswelten Kita, Schule, Betrieb, Hochschule und Kommune unterwegs und unterstützt ihre Versicherten dabei, mehr Gesundheit in ihr Leben zu bringen.
Wir stehen im ständigen Austausch mit unseren Kundinnen und Kunden. So konnten wir in den letzten zwei Jahrzehnten sehr gute Strukturen und Know-How für Präventionsthemen entwickeln. Auf diese Weise entstanden unsere Online-Coaches, zum Beispiel für Menschen, die unter Stress leiden, ihre Ernährung umstellen oder mit dem Rauchen aufhören möchten. Unsere Kundinnen und Kunden bestimmen ihr persönliches Gesundheitsziel und richten den Coach individuell nach ihren Bedürfnissen ein. Der Trend geht in Richtung Digitalisierung: Viele wollen nach der Arbeit keinen Kurs besuchen, sondern flexibel und von zu Hause aus etwas für ihre Gesundheit tun.
TK: Apropos Know-How. Seit fast 20 Jahren läuft bei der TK das Projekt Gesunde Schule / Gesunde Kita. Welche Themen spielen eine besondere Rolle?
Carius: Die Projekte umfassen häufig den Bereich der Stressprävention und Entspannung. Dazu gehören sowohl Maßnahmen, die eine gesundheitsförderliche Teamkultur im Blick haben, als auch Maßnahmen zur Entspannung des pädagogischen Personals und der Kinder.
Wir unterstützen unsere Versicherten mehr Gesundheit in ihr Leben zu bringen.
Hinzu kommen Multiplikatoren-Workshops, in denen Erzieherinnen und Erzieher sowie Lehrerinnen und Lehrer gemeinsam mit den Eltern praxistaugliche Übungen für die Umsetzung im Alltag erlernen, beispielsweise Übungen zur Blitzentspannung. Und natürlich finden sich in den Projektanträgen auch die Themen Bewegung, Ernährung und Sucht wieder.
Speziell in der Stressprävention bieten wir neben der "Gesunden Schule" und "Gesunden Kita" noch die multimodalen Angebote "Bleib locker" und "SNAKE" für Kinder und Jugendliche an.
Wir engagieren uns außerdem gegen Mobbing an Schulen . Cybermobbing ist leider zu einem festen Bestandteil im Leben von Kindern und Jugendlichen geworden. Viele haben bereits selbst Erfahrungen mit Häme und Beschimpfungen im Netz gemacht. Mit unserem Projekt "Gemeinsam Klasse sein" stärken wir Klassenverbände gegen jede Art von Mobbing. Generell versuchen wir den Gesundheitsgedanken schon früh bei Eltern und Kindern zu implementieren - so bei Erziehungsfragen wie bei dem Projekt Schatzsuche im Kindergarten. In Grundschulen sind wir mit unserem TK-Medienuniversum aktiv. Das Online-Programm unterstützt Lehrpersonal, Schulanfängerinnen und Schulanfängern Medienkompetenz zu vermitteln und in den weiterführenden Schulen bieten wir unser Suchtpräventionsprogramm an.
TK: Nicht nur Kitas und Schulen profitieren von gesundheitsfördernden Maßnahmen. Fast 30 Prozent der Unternehmen in Deutschland bieten ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Maßnahmen zur Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) an, so die Studie "#whatsnext". Auf was setzen Unternehmen, wenn es um die Gesundheit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geht?
Carius: Die klassischen Disziplinen sind Stressprävention, Rückengesundheit und Ernährung. Vor allem in großen Unternehmen ist das Thema BGF angekommen. Kleine und mittlere Unternehmen konzentrieren sich hingegen eher auf Aspekte wie Arbeitssicherheit und leider noch zu wenig auf die Beschäftigtengesundheit.
Unsere Studie hat gezeigt, dass das Engagement stark von den Führungskräften abhängt. Auch einzelne Mitarbeiter, die unter anderem für die Gesundheitsförderung verantwortlich sind, haben großen Einfluss auf das gesunde Arbeitsumfeld.
Viele Angebote finden nun digital statt. Homeoffice und die damit einhergehenden Belastungsfaktoren nehmen jetzt einen großen Stellenwert ein.
Die betriebliche Gesundheitsförderung hat sich unter Corona verändert. Viele Angebote finden nun digital statt. Homeoffice und die damit einhergehenden Belastungsfaktoren nehmen jetzt einen großen Stellenwert ein. Um die Betriebe weiter zu unterstützen, haben wir unsere Gesundheitsangebote angepasst. Diese vermitteln professionelle Informationen zum richtigen Einrichten des Arbeitsplatzes zu Hause sowie aktiver Bewegung während des Homeoffice.
Außerdem geben sie wertvollen Input für eine gut funktionierende Arbeitsorganisation und Teamkommunikation beim Arbeiten zu Hause. Der Handlungsbedarf ist groß. Die Gesundheit und Einsatzfähigkeit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch gesundheitsfördernde Maßnahmen zu erhalten, wird die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber zukünftig noch mehr beschäftigen. Das gilt im Übrigen auch für Hochschulen.
TK: Inwiefern?
Carius: Hochschulen nehmen als Lebens- und Arbeitsraum von verschiedenen Gruppen wie Studierenden, Professorinnen und Professoren, aber auch Angestellten aus Technik und Verwaltung eine besondere Funktion für die Gesundheitsförderung ein. Gerade hier ist ein achtsamer und gesundheitsförderlicher Lebensstil wichtig.
Denn die Studierenden von heute sind die Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter und Führungskräfte von morgen. Das, was sie an Gesundheits-Know-how an der Uni lernen und erleben, transportieren sie nach dem Abschluss mit in die Arbeitswelt. Wir setzen uns daher schon seit 20 Jahren für die Gesundheit an Hochschulen ein. Je nach spezifischem Bedarf der einzelnen Einrichtung entwickeln wir Strukturen für ein positives Lern- und Forschungsklima.
TK: Welche Rolle spielt das Thema Pflege in der Prävention?
Carius: Gesetzliche Krankenkassen sind per Gesetz aufgefordert, sowohl für Bewohnerinnen und Bewohner in Pflegeeinrichtungen, als auch für das Pflegepersonal geeignete Präventionsmaßnahmen anzubieten bzw. umzusetzen. Die TK nimmt diesen Auftrag ernst.
Zusammen mit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg konnten wir in Sachsen zehn stationäre Einrichtungen für ein Projekt zur Gewaltprävention in der Pflege "PEKo" gewinnen. Die Arbeit in den Einrichtungen ist größtenteils beendet, nun sind die gesammelten Erfahrungen in ein Handbuch eingeflossen, welches zukünftig anderen Pflegeeinrichtungen zur Verfügung gestellt werden kann. Momentan läuft ein Folgeprojekt. Es zielt auf Vermeidung von Gewalt im ambulanten Pflege- und Krankenhausbereich. Außerdem unterstützen wir mit unserem TK-Förderantrag Starke Pflege Betriebe in der Pflege, ihre eigenen speziell auf ihre Bedürfnisse abgestimmten gesundheitsfördernden Projekte umzusetzen.
Das gaben alle gesetzlichen Krankenkassen 2021 für Prävention aus
- Gesundheitsförderung in Lebenswelten: 148 Millionen Euro
- Betriebliche Gesundheitsförderung: 247 Millionen Euro
- Individuelle Präventionsangebote: 143 Millionen Euro
- Prävention in stationären Pflegeeinrichtungen: 16 Millionen Euro
- Ausgaben je Versicherten: 7,34 Euro
(Quelle: GKV-Spitzenverband Präventionsbericht)