Im Fokus: Wie kann Pflege zukunftssicher gestaltet werden?
Interview aus Sachsen
Die Weiterentwicklung der Pflegeversicherung kann als Jahrhundertaufgabe betitelt werden. Dem zunehmenden Pflegebedarf einer älter werdenden Bevölkerung stehen nur ungleich stark steigende personelle und finanzielle Ressourcen in der Pflege gegenüber. Die meisten Menschen in Deutschland möchten in ihrer vertrauten Umgebung alt werden. Gerade weil der private Alltag vieler Menschen immer digitaler wird, muss der berufliche und pflegerische Alltag dies ebenfalls werden.
Alexander Krauß, Leiter der TK-Landesvertretung Sachsen, weiß: Wer die Pflege in Zukunft sicher gestalten will, braucht einen Plan, Vertrauen und viele Ideen. "Wir als TK unterstützen bereits Pflegebedürftige, Angehörige und Beschäftigte im ambulanten wie im stationären Setting mit gezielten Angeboten dabei, den Pflegealltag gesundheitsfördernd zu gestalten und sehen uns als Markt- und Innovationsführer in der Pflicht, auch den digitalen Wandel im Bereich der Pflege mitzugestalten", so Krauß.
TK: Wie ist es denn grundsätzlich um die Finanzierung der Pflege bestellt?
Alexander Krauß: Die demografische Entwicklung bringt eine steigende Anzahl von Leistungsempfängerinnen und -empfängern in der Sozialen Pflegeversicherung mit sich, die im Ungleichgewicht zur Zahl der verfügbaren Pflegekräfte steht. Daraus folgen absehbar weitere Kostensteigerungen. Aufgrund dieser finanziellen Zukunftsrisiken ist der Pflegevorsorgefonds als wesentliche Stütze errichtet worden. Dieser muss unbedingt belassen und darf nicht zweckentfremdet werden. Darüber hinaus braucht es einen Finanzausgleich zwischen privater und gesetzlicher Pflegeversicherung; dieser würde die Lasten fair verteilen. Zusätzlich muss ein verbindlicher, dynamisierter Steuerzuschuss aus Bundesmitteln gesetzlich verankert werden, welcher nicht den Unwägbarkeiten der Haushaltslage unterliegt. Er sollte mindestens die Refinanzierung von Rentenversicherungsbeiträgen für pflegende Angehörige umfassen, die bisher von den Pflegekassen beglichen werden. Die soziale Absicherung von Pflegepersonen, die nicht erwerbsmäßig ihre Angehörigen oder andere Nahestehende pflegen, ist schließlich eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Insbesondere in der stationären Pflege werden Pflegebedürftige von Jahr zu Jahr zunehmend stärker finanziell belastet. Das im Koalitionsvertrag vereinbarte Vorhaben, die Eigenanteile zu begrenzen und planbar zu machen, muss zeitnah umgesetzt werden. Auch die Übernahme der Investitionskosten durch die Bundesländer sollte verbindlich geregelt werden.
TK: Zukunft verbinden wir oft mit Digitalisierung - welche Rolle kann sie in diesem Kontext einnehmen?
Krauß: Im Bereich der digitalen Pflegekompetenz steckt enormes Potenzial. Digitales Pflegewesen braucht Menschen, die dieses für sich erschließen und nutzen können. In der Pflegesituation betrifft das gleichermaßen Pflegebedürftige wie auch ihre Angehörigen und professionelle Pflegekräfte. Mit steigendem Grad der Digitalisierung müssen sowohl die Patientenrechte als auch die digitale Pflegekompetenz mitwachsen. Nur so können digitale Angebote entlastend wirken. Die notwendige digitale Pflegekompetenz aufzubauen und nachzuhalten ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. So wie wir als TK das Ziel haben, unsere Versicherten entsprechend zu befähigen, sollten auch Leistungserbringer mit dem Stand des digitalen Pflegewesens vertraut sein. Der Umgang mit digitalen Pflegeangeboten und digitalen Prozessen in der Pflege sollte demnach als wichtiger Bestandteil in der Aus- und Weiterbildung verankert und gebührend behandelt werden. Grundlage hierfür ist selbstredend die Realisierung einer flächendeckenden, leistungsfähigen und stabilen Internetverbindung für die Lehreinrichtungen, Pflegeeinrichtungen sowie die Pflegenden und Pflegebedürftigen in der eigenen Häuslichkeit.
TK: Sehen Sie Möglichkeiten, um attraktivere Arbeitsbedingungen zu schaffen und wo liegen die Problemfelder?
Krauß: Ja, ich bin davon überzeugt, dass dies gelingen kann und muss. Geld allein reicht nicht aus, um diese Herausforderung zu bewältigen. Es braucht bessere Strukturen und neue berufliche Perspektiven, damit sich möglichst viele Menschen für die Arbeit in der Pflege begeistern lassen. Das funktioniert jedoch nur, wenn alle Beteiligten weiterhin gemeinsam handeln - die Tarifpartner, die Soziale Pflegeversicherung und die politisch verantwortlichen Akteure. Wir als TK schlagen folgende fünf Handlungsfelder vor:
- Neue Karrierepfade und Aufgabenfelder, welche die berufliche Laufbahn "am Bett" und im unmittelbaren Umfeld aufwerten. Dies kann sowohl durch die teilweise Übernahme medizinischer Aufgaben und damit die Ausweitung der Fachkompetenzen als auch durch Qualifizierung und Akademisierung des Pflegeberufs erzielt werden.
- Anreize und Möglichkeiten zur Weiterbildung.
- Attraktive Rückkehrangebote nach einer beruflichen Auszeit oder Beschäftigungen jenseits der Pflege.
- Eine altersgerechte Arbeitsorganisation, mit der sich ältere Pflegekräfte im Beruf halten lassen.
- Eine Vereinfachung der Eingliederung ausländischer Arbeitskräfte.
TK: Wie unterstützt die TK die Arbeitgeber und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege?
Krauß: Wir sind im Bereich der Prävention sehr aktiv. Mit Hilfe unseres Lebensweltenportals "Gesunde Pflege" bieten wir Altenpflegeheimen und ambulanten Diensten die Möglichkeit, individuelle Lösungen zu finden, wie die Zufriedenheit der Mitarbeitenden gesteigert und die Krankenstände gesenkt werden können. In Sachsen unterstützen wir hier verschiedene Einrichtungen. Von der Gesundheitsförderung profitieren übrigens nicht nur die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern auch die Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeeinrichtungen.