Zudem muss von einem Anstieg der Anzahl zu pflegender Personen ausgegangen werden, wodurch auch der Bedarf an Fachpersonal für die gesundheitliche Versorgung zunehmen wird. Bis 2035 wird der Bedarf an Pflegepersonal weiter ansteigen. Ein erheblicher Anteil derjenigen, die jetzt pflegen, wird in den Ruhestand treten.

Alexander Krauß, Leiter der TK-Landesvertretung Sachsen, ist sich darüber bewusst: Wer diese umfangreichen Herausforderungen im Bereich Fachkräftemangel bewältigen will, braucht wirkmächtige und nachhaltige Lösungen, um eine bedarfsgerechte sowie qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung zu gewährleisten. "Die Gewährleistung der medizinischen Versorgung ist eine Schlüsselaufgabe für die kommende Landesregierung, die sie nur mit mehr Effizienz, Leistungsbündelung und der Nutzung aller Chancen von Digitalisierung wird erbringen können", so Krauß.

TK: Welche Ressourcen sind im Hinblick auf die Bewältigung dieser Herausforderungen entscheidend?

Alexander Krauß: Die Menschen in ihren vielfältigen Rollen als Fachkräfte im Gesundheitssystem sind ein sehr knappes Gut, wodurch ihnen eine entscheidende Rolle im Hinblick auf die Lösung der dringendsten Aufgaben zukommt. Weiterhin sind Geld - insbesondere dessen gezielte Verwendung -sowie eine effizienzsteigernde Struktur unverzichtbar.

TK: Bleiben wir vorerst bei den Menschen - wie können Lösungsansätze im Bereich des Fachkräftemangels aussehen?

Krauß: Hier empfehlen sich zwei ineinandergreifende Ansätze. Einerseits gilt es, genügend Menschen für Gesundheitsberufe bzw. eine Tätigkeit im Gesundheitssystem zu gewinnen, andererseits muss dieser Personenkreis auch im System gehalten werden, zum Beispiel mittels Attraktivitätssteigerung sowie durch Effizienzzuwächse in der Struktur und den Arbeitsabläufen.

Alex­ander Krauß

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Leiter der TK-Landesvertretung Sachsen

TK: Können Sie diese Ansätze konkretisieren?

Krauß: Der Einstieg in gesundheitsbezogene Berufsfelder muss für den potenziellen Nachwuchs erleichtert und attraktiver gestaltet werden. Wichtige Punkte in diesem Zusammenhang sind die zeitnahe Umsetzung des "Masterplan Medizinstudium 2020" sowie die Weiterführung und Aufstockung der Förderprogramme zur Nachwuchsgewinnung (bspw. "Studieren in Europa - Zukunft in Sachsen" und sächsisches Hausarztstipendium), gegebenenfalls eine Ausweitung derartiger Programme auf Zahnmedizin und Pharmazie.

Ebenso entscheidend sind die Erhöhung der sächsischen Landarztquote von 6,5 Prozent auf 10 Prozent (dies entspricht rund 60 statt bis dato 40 Studienplätzen) und die erfolgreiche Etablierung einer sächsischen Landzahnarztquote. Attraktivitäts- und Effizienzsteigerung sollte auf die Bereitstellung von mehr Zeit für die konkrete Leistungserbringung an den Patientinnen und Patienten abzielen. Dies kann durch Entbürokratisierung befördert werden, denn häufig besteht ein eklatantes Missverhältnis zwischen Primärprozessen der Versorgung und Begleitprozessen (Verwaltung/IT-Infrastruktur etc.). 

Der Fokus muss aber auf patientenbezogenen Tätigkeiten liegen.  Auf Bundesebene erhoffen wir gewinnbringende Fortschritte vom angekündigten Bürokratieabbaugesetz. Der Freistaat Sachsen sollte sich konsequent und mit Nachdruck für pragmatische Lösungen in diesem Bereich einsetzen. Auch die Bereitstellung telemedizinischer Möglichkeiten und effektiver IT-Infrastrukturen kann die Versorgung nachhaltig verbessern, erfordert jedoch eine leistungsfähige Breitbandinfrastruktur. Die Förderung der digitalen Ertüchtigung von Leistungserbringern sollte in zukünftigen sächsischen Haushalten konsequent berücksichtigt werden. Ein solides Beispiel dafür ist die Richtlinie eHealthSax, die verschiedene Einzelprojekte unterstützt. Diese Förderung sollte erhöht werden, um Innovationen im Gesundheitswesen weiter voranzutreiben.

TK: Lässt sich die Ihrerseits beschriebene gezielte Verwendung von Geld an einem Beispiel im Bereich des Krankenhaussektors verdeutlichen?

Krauß: Ja. Im Falle der Investitionsfinanzierung handelt es sich nicht um eine freiwillige, sondern obligatorische Ausgabe der Länder. Die Landesregierung ist demnach in der Pflicht, entsprechende Investitionen zu finanzieren. In diesem Zusammenhang wäre ein verbindlicher sächsischer Investitionsplan sinnvoll. Dieser müsste sowohl Bereiche als auch Höhe und Förderzeiträume festlegen. 

Im Krankenhaussektor ist das derzeitige Investitionsniveau unzureichend. Im neuen Sächsischen Krankenhausgesetz findet sich kein konkretes Bekenntnis zur Finanzierungsverantwortung des Freistaates. Für eine ausreichende Finanzierung der stationären Versorgungsstrukturen sollte eine Investitionsquote von 8 Prozent als Untergrenze gesetzlich fixiert werden. Bei der Investitionsfinanzierung für Krankenhäuser muss es sich zudem zwingend und eindeutig um Zukunftsinvestitionen handeln, nicht um pauschale "Bettenförderung" und Bezuschussung via Gießkannenprinzip. Voraussetzung dafür ist der Anfang 2024 im Krankenhausplan in Aussicht gestellte Krankenhausentwicklungsplan, der die langfristige Zielstruktur widerspiegeln soll. 

Auch mit Blick auf die Finanzierung von infrastrukturellen und technischen Maßnahmen zur Digitalisierung müssen klare Prioritäten gesetzt werden. Hier sollte nach einer Anschubfinanzierung die Überführung in eine dauerhafte, verstetigte Finanzierung gewährleistet sein. Bei der Digitalisierung des Krankenhaussektors gilt es, Heterogenität und Insellösungen in der IT-Infrastruktur abzubauen bzw. zu vermeiden. Hier muss neben der technischen Interoperabilität (Telematik-Infrastruktur) ein sektorenübergreifendes Verständnis der Prozesse gefördert werden, so dass auch weitere Leistungserbringer wie beispielsweise niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, Apotheken oder Hilfsmitteldienstleister mit den Krankenhäusern digital kommunizieren können.

TK: Welche Strukturen braucht es, um Effizienzsteigerungen zu ermöglichen?

Krauß: Die Struktur sollte von einer effektiven Vernetzung der Beteiligten im Sinne einer Sektorenverbindung geprägt sein. Für ein zukunftsorientiertes Versorgungskonzept muss die Zusammenarbeit des klinischen Sektors mit ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzten, die Kooperation mit Akteuren des Rettungsdienstes und der Notfallversorgung sowie der ambulanten und stationären Pflege stärker und verpflichtend Berücksichtigung finden. Es gilt der Grundsatz "ambulant vor stationär". 

Durch den medizinischen Fortschritt können heute mehr gesundheitsbezogene Leistungen als je zuvor ambulant erbracht werden, die früher stationär vorgenommen werden mussten. Diese Tatsache muss sich auch im Behandlungsalltag abbilden. Lediglich die medizinische Indikation darf Grundlage für die Entscheidung sein, ob eine Leistung ambulant oder stationär erfolgt.