Gesundheitsversorgung in Schleswig Holstein - ein Akut- oder Notfall?
Position aus Schleswig-Holstein
In seinem Kommentar erklärt Hermann Bärenfänger, Leiter des regionalen Vertragswesens in der Landesvertretung Schleswig-Holstein, warum es im stationären Bereich mehr als strukturelle Kosmetik oder neue IT benötigt.
"Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert." - es gibt wohl keinen Bereich, auf den dieser Satz des englischen Schriftstellers Aldous Huxley im Augenblick so sehr zutrifft, wie auf das deutsche Gesundheitswesen. Im Bereich der Digitalisierung hinkt das System hierzulande Jahrzehnte hinterher, der demographische Wandel bringt schon heute massive Personalprobleme mit sich und die Sektoren sind auch mehr als zwanzig Jahre nach Einführung der "integrierten Versorgung" nach wie vor so unüberwindlich, dass Synergien nur schwer zu heben sind.
Die Furcht vor Veränderung ist unbegründet.
Es braucht vor allem im stationären Bereich mehr als strukturelle Kosmetik oder neue IT. Es braucht ein Umdenken in Richtung Digitalisierung, Spezialisierung und Qualität. Und es braucht einen achtsamen Umgang vor allem mit der immer knapper werdenden Ressource "Zeit".
Wenn Notfallrettungssanitäter und -sanitäterinnen den gebrochenen Arm über 20 Kilometer ins nächste Krankenhaus fahren und damit über Stunden gebunden sind, Schlaganfälle erst über Umwege in die Stroke Unit kommen oder Krankenhäuser sich trauen, ganze zwölf Knie-OP's im Jahr (mit hohem Revisionsrisiko) anzugehen, wird deutlich, wie unachtsam wir augenblicklich mit der wertvollen Ressource Zeit der Einsatzkräfte, der Ärztinnen und Ärzte und der Pflegekräfte umgehen. Von der Qualität ganz zu schweigen.
Dabei ist die Furcht vor Veränderung unbegründet. Wir werden auch künftig jede Hand in unserem Gesundheitswesen brauchen. Neben schnell und rund um die Uhr erreichbaren ambulanten Strukturen, einer gezielten Zusteuerung der Patientinnen und Patienten im Akut- oder Notfall und einer umfassenden spezialisierten stationären Versorgung brauchen wir eine telemedizinische Plattform, die den Weg in die adäquate Versorgung weist.
Werfen wir einen Blick auf unsere dänischen Nachbarn: In Kolding beträgt die Wartezeit in der Akutaufnahme des Krankenhauses durch intelligente Zusteuerung 17 Minuten im Schnitt, bei uns mehrere Stunden. Tendenz steigend. Ebenso wie die Einsatzzahlen der Rettungskräfte. Das darf nicht länger ignoriert werden und muss sich dringend ändern.