Wenn ein Taxi zu einer Adresse gerufen wird und dort niemand ist, dann ist das für den Fahrer oder die Fahrerin mehr als ärgerlich: "Fehlfahrt" nennt man in jener Branche diesen Verlust an Zeit und Geld.
Wenn zwei Notfallsanitäterinnen oder Notfallsanitäter von ihrer Leitstelle zu einer alten Dame gerufen werden, deren bedrohlich wirkender Schwächeanfall sich als Unterzuckerung herausstellt, kann dieser "Notfall" oft mit einem Glas Orangensaft, etwas gutem Zureden und einer Beobachtungszeit behoben werden. Klingt komisch, ist aber so: Im Jargon dieser Branche gilt dies ebenfalls als Fehlfahrt. Selbst dann, wenn ein Telenotarzt grünes Licht gibt, dass die Person in ihrer Häuslichkeit verbleiben kann. Kein Transport ins Krankenhaus hat grundsätzlich keine Honorierung im System zur Folge - so will es das Gesetz. Denn der Gesetzgeber weist dem Rettungsdienst immer noch den Transport als zentrale Funktion zu. 

Hermann Bären­fänger

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Leiter regionales Vertragswesen der TK-Landesvertretung Schleswig-Holstein


Alle Beteiligten auch hierzulande hatten gebannt und mit Hoffnung nach Berlin und die vermeintlich kommende Notfallreform zum 1. Januar 2025 geschaut. Was bleibt, ist Ernüchterung und die alte Rechtslage. Nun ist es zwar in Schleswig-Holstein so geregelt, dass kein Rettungsdienst auf den Kosten sitzen bleibt oder sogar die Patientinnen und Patienten zur Kasse gebeten werden. Und wir sind noch einen Schritt weiter: Es gibt bereits erste Vorausfahrzeuge wie das Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) oder das in diesem Jahr neue Akuteinsatzfahrzeug (AEF). Diese sind eben nicht für den Transport gedacht, sondern dazu, Patientinnen und Patienten im Akutfall niederschwellig und vor Ort zu versorgen. Und das ist richtig so! 
 

Was wir brauchen, sind echte Kooperationen zwischen allen Beteiligten und (sektoren-)übergreifende Teams, die vor Ort und in der Region zusammenarbeiten.
Hermann Bärenfänger, Leiter regionales Vertragswesen der TK-Landesvertretung Schleswig-Holstein

Ich meine: Wer bereits an der Patientin oder dem Patienten ist, sollte auch möglichst fallabschließend versorgen. Und dass das funktioniert, zeigen erfolgreiche Beispiele wie die der Gemeindenotfallsanitärinnen Gemeindenotfallsanitäter in Niedersachen. 

Was wir brauchen, sind echte Kooperationen zwischen allen Beteiligten und (sektoren-)übergreifende Teams, die vor Ort und in der Region zusammenarbeiten. Das entspricht im Übrigen auch dem Zeitgeist und vermeidet Doppelstrukturen. Wir sollten Kurs halten und das Rettungswesen intelligent weiterentwickeln - und nicht bloß transportieren statt helfen und heilen. Sonst sind wir im System auch fehlgeleitet. Eine Fehlfahrt!
 

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Zugang: Besserer Zugang zur Versorgung