Zukunftsprogramm Krankenhäuser
Interview aus Schleswig-Holstein
In 2020 hat die Bundesregierung das "Zukunftsprogramm Krankenhäuser" gestartet und mittlerweile das "Krankenhauszukunftsgesetz" erlassen. Dazu haben wir Hilke Martens-Petersen, Expertin für stationäre Versorgung der TK-Landesvertretung, befragt.
TK: Mit insgesamt 4,3 Milliarden Euro soll durch den Krankenhauszukunftsfonds vorrangig in die digitale Infrastruktur der Krankenhäuser investiert werden. Wie können dadurch die Versorgungsprozesse verbessert werden?
Hilke Martens-Petersen: Im Mittelpunkt steht für uns immer die Patientinnen und Patienten. Deswegen ist für uns beim Thema Digitalisierung auch ein wichtiges Kriterium, welcher sinnvolle Nutzen sich daraus für die Patientinnen und Patienten ergibt.
Ausschlaggebend ist für die Betroffenen das Behandlungsergebnis. Beeinflusst wird das Ergebnis von allen einzelnen Schritten in der individuellen medizinischen Behandlung. Hierbei werden viele Daten wie etwa Vorerkrankungen, Medikationen oder Laborbefunde erhoben, die zu der Therapieentscheidung führen. Wenn diese vollständig digital aufbereitet sind, können alle Behandelnden transparenter und klarer miteinander kommunizieren. Genau hier setzt der neu geplante Zukunftsfonds an, indem dieser die digitale Dokumentation aller Behandlungsleistungen bereits ab Patientenaufnahme fördert.
So können die Patientinnen und Patienten gezielter, schneller und direkter aus den Perspektiven sämtlicher an der Behandlung Beteiligten begleitet werden. Diese wiederum gewinnen Zeit für den persönlichen Dialog mit den Patientinnen und Patienten. In der Konsequenz wirkt sich das positiv auf die Qualität des Behandlungsergebnisses aus.
Der Zukunftsfonds verfolgt in aller Deutlichkeit das Ziel, deutschlandweit die Krankenhäuser in eine digitale Pole-Position zu bringen. Für die Patientinnen und Patienten wird sich die medizinische Versorgung dadurch spürbar verbessern.
TK: Das Zielbild ist eine durchgängige Vernetzung des ambulanten und stationären Sektors. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um dieses Ziel zu erreichen?
Martens-Petersen: Es geht darum, die Übergänge von der ambulanten in die stationäre Behandlung und wieder zurück deutlich zu verbessern. Voraussetzung ist, dass alle Behandelnden eine gemeinsame Transparenz über die Individualitäten der Erkrankung und sämtliche Behandlungsschritte haben.
Der geplante Zukunftsfonds geht einen entscheidenden Schritt in diese Richtung: Der Fonds macht aus einer Klinik ein digitales Krankenhaus. Es geht hier nicht um eine Insellösung, sondern der Fonds ist als Trio zusammen mit der gleichzeitigen Förderung in die Telematikinfrastruktur für alle Leistungserbringer und mit der elektronischen Patientenakte (ePA) für die Versicherten zu sehen. Mit der ePA gibt es erstmalig die Chance, Daten aus zurückliegenden Behandlungen oder Medikationspläne den Behandelnden elektronisch zur Verfügung zu stellen. Möglich wäre das etwa über ein digitales Klinik-Patientenportal. In der Einrichtung selbst würden alle Befunde digital dokumentiert. Während des Aufenthalts kommuniziert das Krankenhaus dann über die Telematikplattform mit allen an der Behandlung beteiligten niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten, Therapeutinnen und Therapeuten sowie Apotheken über das stationäre Behandlungsergebnis. Die weiteren Therapieschritte können so ohne Zeitverzug optimal aufeinander abgestimmt werden.
Darüber hinaus ergeben sich neue Chancen für telemedizinische Behandlungen. Ärztepersonal und Kliniken können orts- und zeitunabhängig die Patientinnen und Patienten gemeinsam untersuchen und die besten Therapieoptionen auswählen.
Dieses intelligent ineinandergreifende System lässt sich noch zu einem weiteren Zukunftsmodell ausbauen: Ein Onlineportal mit einer Übersicht über alle verfügbaren Behandlungskapazitäten einer Klinik in Echtzeit. Dieses Portal sollte öffentlich zugänglich sein, denn mehr Transparenz erhöht die Chance den Patientinnen und Patienten die individuell besten Behandlungsmöglichkeiten zuzuführen. Das hat Vorteile für die Patientinnen und Patienten selbst, aber auch für das Ärztepersonal und Krankenhäuser bis hin zu den Rettungsdiensten in der Notfallversorgung.
TK: Der Krankenhauszukunftsfonds knüpft an das Finanzierungsinstrument des Strukturfonds an. Ist es sinnvoll, zwei ähnliche Fördertöpfe parallel vorzuhalten?
Martens-Petersen: Strukturfonds und Zukunftsfonds sind beides Instrumente, die zum Qualitätsvorteil der Patientinnen und Patienten die Krankenhauslandschaft und den Behandlungsalltag verändern sollen. Beide Fördertöpfe sind parallel nur dann sinnvoll, wenn sie auf unterschiedliche Fördervorhaben abzielen.
Der Strukturfonds wirkt in erster Linie auf ein Standortkonzept ein. Die dahinterstehende Frage ist, welcher Krankenhausstandort mit welchen Fachabteilungen und mit welchem Versorgungsumfang sinnvoll ist. Daher können mit dem Strukturfonds beispielsweise Standortkonzentrationen, Umwandlungen oder Schließungen von Fachabteilungen oder ganzen Standorten finanziell gefördert werden.
Dagegen geht es beim Zukunftsfonds darum, in Krankenhäusern die digitale Reife deutlich zu pushen. Die Fördervorhaben hier drehen sich um die digitale Infrastruktur, damit sich durch vollständige digitale Befunde und klinische Entscheidungsunterstützungssysteme die interne wie sektorenübergreifende Kommunikation verbessert. Beide Fonds optimieren die Gesundheitsversorgung für die Patienten dann, wenn sie in der Anwendung klug ineinander greifen.
Für Schleswig-Holstein brauchen wir erst ein robustes Standortkonzept mit Versorgungsstufen und ausgewählt arbeitsteilig kooperierenden Krankenhäusern. Auf dieser Grundlage kann dann die gezielte Förderung zur Digitalisierung mit den Mitteln aus dem Zukunftsfonds aufbauen.
Darüber hinaus drängt sich der Eindruck der Parallelität der Fonds auf, da das Land für jedes Vorhaben die Fördermittel beim Bundesamt für Soziale Sicherung beantragen muss und dafür die verwaltungsrechtliche Verantwortung trägt. In der Entscheidungsfindung, für welches Vorhaben eines Krankenhauses Fördermittel beantragt werden, gibt es den eigentlichen Unterschied: Während beim Strukturfonds das Land mit den Krankenkassen zu einem Konsens kommen muss, kann das Land beim Zukunftsfonds ganz alleine entscheiden.
Auch bei der Mittelvergabe für den Zukunftsfonds ist eine Beteiligung der Kassen jedoch unbedingt notwendig. Erstens stehen die Krankenkassen für die finanziellen Folgewirkungen in der Verantwortung, zweitens es ist nicht stringent, die Krankenkassen in die Frage von Standortveränderungen mitverantwortlich einzubeziehen, aber sie dann inhaltlich außen vor zu lassen, wenn es um die Digitalisierung von Prozessen und Strukturen geht. Wenn beide Fonds gemeinsam für ein modernes stationäres Zukunftsmodell ineinander greifen sollen, müssen die Krankenkassen zwingend aktiv an der Entscheidungsfindung zum Zukunftsfonds beteiligt werden.