"Die Kooperation von Krankenhäusern ist unabdingbar"
Interview aus Schleswig-Holstein
Die neu gewählte Regierung von Schleswig-Holstein hat kürzlich ihre gesundheitspolitischen Zielbilder und Maßnahmen für die kommende Legislatur veröffentlicht. In dem Zuge haben wir Patrick Reimund, Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft Schleswig-Holstein, nach seinen Einschätzungen zu den Herausforderungen und Chancen in der Ausgestaltung der Krankenhauslandschaft gefragt.
TK: Sehr geehrter Herr Reimund, Schleswig-Holstein hat eine neue Landesregierung. Welche konkreten Herausforderungen mit Blick auf die Krankenhauslandschaft sind am drängendsten?
Patrick Reimund: Der demographische Wandel, der unser Land unübersehbar erfasst hat, setzt die Agenda. Um aus einem tendenziell schrumpfenden Arbeitskräftepotential ausreichend Menschen für die Arbeit in Krankenhäusern begeistern zu können, müssen die Arbeitsbedingungen in den Kliniken so gut sein, wie dies bei einem 24/7-Betrieb möglich ist. Dass die Koalition einen "Pakt für die Gesundheits- und Pflegeberufe" vereinbart hat, ist richtig. Notwendig sind aber auch Krankenhäuser, die in Bausubstanz und apparativ auf dem Stand der Zeit sind. Hierfür ist das Land in der Dualen Finanzierung verantwortlich. Der enorme Investitionsstau muss in den nächsten Jahren deutlich reduziert werden.
Auch in positivsten Szenarien wird Fachpersonal in der Zukunft nur begrenzt zur Verfügung stehen. Die Strukturen müssen daher mit dem Ziel überdacht werden, Versorgung "schlanker" zu gestalten. Die Möglichkeiten, über Abstimmung von Angeboten entsprechende Potentiale zu heben, sind in einem Flächenland begrenzt, aber vorhanden. Neben der Entscheidung, welche Krankenhausstandorte notwendig sind und mit Personal "bespielt" werden können, kann auch eine weitere Ambulantisierung von Krankenhausleistungen Entlastung bringen.
Neben der Entscheidung, welche Krankenhausstandorte notwendig sind und mit Personal "bespielt" werden können, kann auch eine weitere Ambulantisierung von Krankenhausleistungen Entlastung bringen.
TK: In der vergangenen Legislaturperiode wurde in Schleswig-Holstein das Landeskrankenhausgesetz auf den Weg gebracht. Welche Bilanz ziehen Sie?
Reimund: Das Fehlen eines "richtigen" Landeskrankenhausgesetzes war für die Krankenhäuser nie ein Problem. Allein durch das neue LKHG, das das alte Ausführungsgesetz zum KHG abgelöst hat, ergeben sich für die Kliniken auch keine wesentlichen Änderungen ihrer Rahmenbedingungen. Wichtiger als der Wortlaut des Gesetzes sind der politische Mut zur Gestaltung der Versorgungslandschaft und das Bekenntnis zu einer auskömmlichen Investitionsfinanzierung, zu der das Land schon durch das Krankenhausfinanzierungsgesetz des Bundes verpflichtet ist. Bei beiden Aspekten gab es in der jüngeren Vergangenheit positive Ansätze - es gibt aber immer noch "Luft nach oben". In den kommenden Jahren muss sich zeigen, ob politisch gewollte Strukturveränderungen auch mit den notwendigen Haushaltsmitteln des Landes hinterlegt werden.
TK: Welche Ansätze sind aus Ihrer Sicht geeignet, um die sektorenübergreifende Versorgung im Land weiterzuentwickeln?
Reimund: Sektorenübergreifende Versorgung hat ihre offenkundigsten Verbesserungspotentiale hinsichtlich Versorgungsqualität und in Bezug auf Wirtschaftlichkeit in der Notfallversorgung und dem Entlassmanagement. Die partnerschaftliche Gesprächskultur der Akteurinnen und Akteure in Schleswig-Holstein trug bereits in der Vergangenheit dazu bei, pragmatische Lösungen zu finden. So wurden in nahezu allen Akutkrankenhäusern Anlaufpraxen der Vertragsärzteschaft eingerichtet. Gemeinschaftliche Versorgungsmodelle können auf dieser Basis ausgebaut werden. Die Digitalisierung wird neue Möglichkeiten sektorenübergreifender Versorgung schaffen. Eine 24/7-Notfallversorgung ist ohne die Krankenhäuser nicht denkbar.
Patientenbehandlungen, die nur in Krankenhäusern erbracht werden können, erfordern nicht immer ein "Bett". Deshalb müssen Krankenhäuser zukünftig grundsätzlich auch zur ambulant-klinischen Versorgung ermächtigt sein. Bedauerlicherweise wird in der Diskussion über sektorenübergreifende Versorgung oft vergessen, dass es mit der belegärztlichen Versorgung im Krankenhaus bereits ein "Modell" gibt, dass sich über Jahrzehnte bewährt hat und es verdient hätte, gestärkt zu werden - finanziell wie regulatorisch.
Die Digitalisierung wird neue Möglichkeiten sektorenübergreifender Versorgung schaffen.
TK: Die Ersatzkassen haben unlängst ihr Modell von regionalen Gesundheitszentren vorgestellt. Die Idee dazu findet sich auch im neuen Koalitionsvertrag wieder. Sehen Sie Chancen in diesem Ansatz, um die sektorenübergreifende Versorgung zu verbessern?
Reimund: Das Modell regionaler Gesundheitszentren ist einer von mittlerweile vielen Vorschlägen, wie Versorgung insbesondere im ländlichen Raum neu und nachhaltig gestaltet werden kann. Es geht dabei auch darum, welche Angebotsstrukturen in einer Region notwendig sind, wenn ein Krankenhaus im klassischen Sinn nicht mehr betrieben werden kann. Ausschlaggebend für den Erfolg dieser Modelle ist die Frage, ob die notwendigen Ressourcen - konkret Personal - an den Standorten vorhanden sind bzw. rekrutiert werden können. Hierfür bedarf es attraktive Arbeits- und Lebensbedingungen insbesondere in ländlichen Regionen und auskömmliche Vergütungsregelungen. Für die Aufrechterhaltung eines stationären Rumpfangebotes im Sinne einer betreuten Übernachtung nach Operationen bedarf es pragmatischer Strukturanforderungen.
TK: Eine abschließende Frage mit dem Stichwort "virtuelles Krankenhaus": Welchen Stellenwert haben aus Ihrer Sicht Kooperationen kleinerer und größerer Krankenhäuser im Land?
Reimund: Um qualitativ hochstehende Versorgung auch in den ländlichen Regionen sichern zu können, ist die Kooperation von Krankenhäusern unabdingbar. Das gilt sowohl im Sinne eines abgestuften Versorgungssystems als auch zwischen Kliniken gleicher Versorgungsstufe. Mittlerweile stehen technische Mittel zur Verfügung, die es erlauben, dass fachliche Expertise nicht zu jedem Zeitpunkt physisch am Patientenbett vorhanden sein muss. In geeigneten Fällen kann durch die Telemedizin die Versorgungsqualität in der Fläche erhalten und verbessert werden ohne unnötige Vorhaltungen zu erfordern. Das ist wirtschaftlich vorteilhaft und optimiert den Einsatz knappen Fachpersonals. Die aktuellen regulatorischen Vorgaben (beispielsweise durch den Gemeinsamen Bundesausschuss) bilden diese Möglichkeiten bisher leider nur unzulänglich ab. Es ist auch im Interesse der Krankenkassen, hier Änderungen einzufordern. Für die Akzeptanz einer planerisch strukturierten Krankenhauslandschaft ist es unabdingbar, dass die regionale Vernetzung unterschiedlicher Krankenhäuser gleichberechtigt, also "auf Augenhöhe" erfolgt. In der Pandemie haben die Krankenhäuser in Schleswig-Holstein gezeigt, dass das funktionieren kann.