eHealth: Gesundheitswesen digital gedacht
Interview aus Schleswig-Holstein
Junge Menschen für das Gesundheitswesen begeistern und digitale Transformation vorantreiben - das macht Prof. Dr. rer. oec. Beatrice Podtschaske als Professorin für eHealth und Management im Gesundheitswesen an der Hochschule Flensburg. Im Interview berichtet sie über die Aufgaben und Herausforderungen an der Schnittstelle von Gesundheitswesen und Digitalisierung.
TK: Frau Podtschaske, Sie sind seit 2021 Professorin für eHealth und Management im Gesundheitswesen. Was sind die Hauptgründe, warum sich Studierende für den Studiengang eHealth begeistern sollten?
Prof. Dr. rer. oec. Beatrice Podtschaske: Wichtig ist, dass die Studierenden ein Grundinteresse für Digitalisierung mitbringen. Darüber hinaus ist das Gesundheitswesen die spannendste Branche, um die digitale Transformation in Deutschland voranzutreiben. Dabei braucht es genau die Leute, die an der Schnittstelle von Informationstechnologie und Gesundheitswesen arbeiten. Damit ist das Studium ein Karrieregarant denn solche Mitarbeitenden werden dringend gesucht und die Einsatzbereiche sind vielfältig: von IT-Projektmanagement, Beratung in der Wirtschaft oder Politik bis zur Entwicklung von App-Anwendungen - es wird nie langweilig.
TK: Sie beschäftigen sich auch damit, wie digitale Anwendungen das Gesundheitssystem verändern. Was macht für Sie eine gute digitale Anwendung aus? Wann funktioniert es vielleicht nicht so gut?
Podtschaske: Die Frage, wann es nicht funktioniert, ist recht leicht zu beantworten: Wenn die Anwendung schwierig zu bedienen ist oder nicht das tut, was sie soll. In einer Umgebung, wie dem Gesundheitswesen, wo wir viele Risiken haben und Fehler fatale Folgen haben, können Fehler in einer Anwendung richtig schaden. Deshalb haben wir in der Patientenversorgung das Bedürfnis nach Information, die gut ist und zuverlässig zur Verfügung gestellt wird. Insofern ist Digitalisierung und eHealth die Chance Gesundheitswesen zu verbessern, aber wenn es nicht gut gemacht ist, hat es unter Umständen den gegenteiligen Effekt.
TK: Sie konnten auch international bereits viel Erfahrung in der Digitalisierung im Gesundheitswesen sammeln. Warum scheinen andere Länder besser dazustehen als Deutschland?
Podtschaske: Ein Grund, warum wir in Deutschland hinterherhinken, ist ein kultureller Aspekt - Stichwort Datenschutz. Das ist ein wichtiges Thema, das wir nicht außer Acht lassen sollten. Es wurde jedoch zu einem Totschlagargument und hat uns sehr stark ausgebremst. Aber ich denke, dass wir uns im Gesundheitswesen jetzt alle einig sind, dass die Angst vor Datenmissbrauch uns nicht mehr davon abhalten soll die Digitalisierung voranzutreiben.
TK: Wenn man in Richtung Politik schaut: Was wäre Ihre generelle Empfehlung für die Politik?
Podtschaske: Ich glaube wir sind auf einem guten Weg. Wir haben jetzt erste Schritte in die richtige Richtung getan und es gibt den klaren politischen Willen das endlich weiter voranzutreiben. Wir haben viele Themen, die angegangen sind, wie zum Beispiel Interoperabilität, was auch die Voraussetzung für nutzerfreundliche Systeme ist. Was mir noch fehlt ist: Das Thema Nutzerfreundlichkeit ganz nach vorne zu stellen, damit die Systeme gut funktionieren und die Menschen tatsächlich in der Patientenversorgung unterstützen.
TK: In der Berichterstattung bekommt man manchmal den Eindruck, dass vieles am Anfang der Digitalisierung nicht funktioniert, Stichwort ePA oder eRezept. Unsere Zahlen und die der gematik spiegeln jedoch ein anderes Bild wider. Können Sie als Wissenschaftlerin einordnen, woran diese Diskrepanz liegt?
Podtschaske: Ich glaube, was wir dort hören, ist der Frust der Gesundheitsberufe. Nicht, weil sie gegen die Digitalisierung sind, sondern weil sie in einer ganz besonderen Umgebung arbeiten. Wenn dort Fehler passieren, kann das fatale Folgen haben. Die Toleranz für Fehler in der Digitalisierung ist daher gering. Meinen Studierenden erkläre ich, dass es einen Kultur-Clash gibt. Im Gesundheitswesen wird Wert darauf legt, dass alles sicher ist und zuverlässig funktioniert. Die IT-Branche arbeitet jedoch mit Beta-Versionen und ist gewohnt kleinere Fehler später beheben zu können. Dafür ist im Gesundheitswesen wenig Toleranz. Das führt dazu, dass Menschen im Gesundheitswesen sagen: Wenn es zwei- oder dreimal nicht so funktioniert hat, wie ich das möchte, rühre ich das nicht mehr an.
TK: Richten wir den Blick nochmal auf Ihre Studierenden: Welche motivierende Botschaft geben Sie ihnen mit, wenn Sie Ihren Blick in die Zukunft richten?
Meine Aufgabe ist es, mit Technologien die bestmöglichen Arbeitsbedingungen für Menschen in der Gesundheitsbranche zu schaffen.
Podtschaske: Ich bin seit 20 Jahren in diesem Bereich unterwegs und natürlich gibt es auch Tage, an denen ich denke, dass es nicht voran geht. Darüber möchte ich mit meinen Studierenden ehrlich sein. Aber es bringt mich immer wieder zurück, wenn ich sehe mit welcher Leidenschaft die Menschen ihre Patientinnen und Patienten versorgen. Das finde ich sehr inspirierend. Meine Aufgabe ist es, mit Technologien die bestmöglichen Arbeitsbedingungen für diese Menschen zu schaffen, damit sie sich auf ihre Patientinnen und Patienten fokussieren können. Das ist das, was mir Freude bringt. Denn wichtig ist, dass wir uns immer daran erinnern: Eines Tages kann es uns alle treffen - persönlich oder unsere Liebsten - dass wir umfangreiche Gesundheitsversorgung in Anspruch nehmen müssen. Dann würden wir uns alle wünschen, dass die Menschen, die für uns Sorge tragen, bestmöglich in ihrer Arbeit unterstützt werden.