Gentests in der Schwangerschaft: Hilfreich oder nicht? (4/6)
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Die Schwangerschaft ist eine Zeit, in der sich nicht nur Ihr Körper, sondern auch Ihre Seele auf das neue Leben einstellt. Neben der Vorfreude kann auch die sorgenvolle Frage aufkommen, ob Ihr Kind gesund ist. Wenn Sie genetisch vorbelastet sind oder andere Risiken bestehen, gibt es die Möglichkeit spezieller vorgeburtlicher Untersuchungen. Gemeinsam mit Ihrer Frauenärztin oder Ihrem Frauenarzt können Sie die Vorteile und Risiken dieser Methoden genau abwägen.
Neben den regulären Leistungen der Schwangerschaftsvorsorge können bei einer Risikoschwangerschaft weitere Untersuchungen notwendig werden. Hierbei werden invasive (eingreifende) und nicht invasive (nicht eingreifende) Untersuchungsmethoden unterschieden. Zu den invasiven Untersuchungen zählen die Fruchtwasseruntersuchung und die Plazentabiopsie. Zu den nicht invasiven zählen die Ultraschalldiagnostik und der sogenannte nicht invasive Pränataltest (NIPT). Der NIPT ist ein Gentest, für den lediglich eine Blutentnahme bei der Mutter erforderlich ist und der seit 2022 unter bestimmten Umständen von der TK gezahlt wird.
Natürlich haben Sie auch die Möglichkeit, einige Untersuchungen ohne medizinische Indikation durchführen zu lassen. Entscheiden Sie sich dafür, müssen Sie diese allerdings selbst bezahlen .
Entscheidungshilfe: ausführliche Beratung unverzichtbar
Mit invasiven oder nicht invasiven Untersuchungsmethoden kann Ihre Frauenärztin oder Ihr Frauenarzt zum Beispiel bestimmte genetische Erkrankungen Ihres Kindes erkennen. Da diese Untersuchungen jedoch weitreichende Folgen haben können und es bei invasiven Eingriffen in seltenen Fällen zu Komplikationen kommen kann, sollten Sie die Risiken im Vorfeld gemeinsam mit Ihrer Ärztin, Ihrem Arzt oder in einer humangenetischen oder pränataldiagnostischen Praxis genau abwägen.
Eine vorgeburtliche Untersuchung auf genetische Erkrankungen kann für Sie infrage kommen, wenn
- die vorangegangenen Ultraschalluntersuchungen auffällig waren,
- in Ihrer Familie vererbbare genetische Erkrankungen bekannt sind,
- Sie bereits ein Kind mit einer genetischen Erkrankung geboren haben,
- bestimmte Infektionskrankheiten erkannt oder ausgeschlossen werden sollen,
- Sie älter als 35 Jahre sind beziehungsweise der Vater Ihres Kindes älter als 45 Jahre ist und/oder
- Sie diese Untersuchung ausdrücklich wünschen.
Beratung ja - aber von wem?
Vor einer genetischen Untersuchung ist eine ausführliche Beratung sinnvoll und sogar gesetzlich vorgeschrieben. Sie darf nur von Ärztinnen und Ärzten durchgeführt werden, die dafür entsprechend qualifiziert sind. Das können Frauenärztinnen oder Frauenärzte sowie Praxen für Pränataldiagnostik oder Humangenetik sein.
Hier erfahren Sie, wie aussagekräftig der gewünschte Test ist und was daraus für Sie folgen könnte. Und auch die psychosoziale Beratung spielt eine große Rolle: Diese soll Sie dabei unterstützen, herauszufinden, ob Sie die Untersuchung durchführen lassen möchten oder wie Sie mit einem auffälligen Ergebnis umgehen können. Außerdem bekommen Sie hier Unterstützung für die oft als belastend empfundene Wartezeit, bis die Untersuchungsergebnisse vorliegen. Ihre Ärztin oder Ihr Arzt teilt Ihnen dazu gern Kontakte zu Schwangerschaftsberatungsstellen, Selbsthilfegruppen oder Behindertenverbänden mit.
Nicht invasiver Pränataltest
Mithilfe des NIPT können Hinweise auf mögliche Trisomien (13, 18, 21) des Ungeborenen festgestellt werden. Der Test kann ab der 10. Schwangerschaftswoche durchgeführt werden, da Ihr Blut nun ausreichend Erbgut Ihres Kindes enthält.
Nachdem Ihre Ärztin oder Ihr Arzt Ihnen eine Blutprobe abgenommen hat, wird diese im Labor untersucht. Nach etwa einer Woche liegt das Ergebnis vor und wird Ihnen im persönlichen Gespräch mitgeteilt. Wenn Sie zum Beispiel nur das Ergebnis zu den Trisomien 13 (Pätau-Syndrom) und 18 (Edwards-Syndrom), nicht aber zu 21 ( Down-Syndrom ) erfahren möchten, besprechen Sie dies vorab mit Ihrer Frauenärztin oder Ihrem Frauenarzt.
Da beim NIPT im Gegensatz zu den eingreifenden Methoden kein erhöhtes Risiko für eine Fehlgeburt besteht, ist das Ziel dieser Untersuchung, invasive Maßnahmen wie die Fruchtwasseruntersuchung und die Plazentabiopsie zu vermeiden. Sollte das Ergebnis des NIPT jedoch auffällig sein, kann es nur durch eine invasive Untersuchung bestätigt oder - im besten Fall - widerlegt werden. Wichtig ist daher, dass Sie sich vor einem Test fragen, wie es für Sie nach einem auffälligen Ergebnis weitergehen könnte.
Wissen oder Nichtwissen?
Fällt das Ergebnis auffällig oder uneindeutig aus, stellt sich nicht nur die Frage, ob Sie eine invasive Untersuchung durchführen lassen möchten, sondern auch, wie Sie mit einer festgestellten Trisomie umgehen würden.
Lassen Sie sich umfänglich beraten, um Ihre Entscheidung auf einer guten Basis treffen zu können. Ihre Frauenärztin oder Ihr Frauenarzt wird Sie dabei unterstützen.
Amniozentese: Fruchtwasseruntersuchung
Mithilfe der Fruchtwasseruntersuchung kann Ihre Frauenärztin oder Ihr Frauenarzt die Zellen Ihres Kindes im Labor auf genetische Abweichungen untersuchen lassen und auch ein auffälliges Ergebnis des NIPT überprüfen. In der Regel ist der Eingriff ab der 15. Schwangerschaftswoche möglich.
Die Untersuchung ist nicht schmerzhaft und mit dem kurzen Stich bei einer Blutabnahme zu vergleichen. In den meisten Fällen wird die Amniozentese daher ambulant durchgeführt: Bei gleichzeitiger Ultraschallkontrolle führt Ihre Frauenärztin oder Ihr Frauenarzt eine dünne Hohlnadel durch Ihre Bauchdecke in die Fruchtblase ein und entnimmt dort 15 bis 20 Milliliter Fruchtwasser.
Anschließend werden Anzahl und Struktur der Chromosomen in einem Labor untersucht. Bestimmte Abweichungen können dabei ein Hinweis auf eine genetische Erkrankung Ihres Kindes sein. Liegen allerdings Fehlbildungen vor, die nicht durch Veränderung der Chromosomen hervorgerufen werden, werden diese hierbei nicht entdeckt. Außerdem wird die Menge bestimmter Proteine im Fruchtwasser gemessen. So können Hinweise dafür gefunden werden, ob Ihr Kind an bestimmten Fehlbildungen leidet, zum Beispiel einem offenen Rücken.
Nach dem Eingriff sollten Sie sich einige Tage schonen. Gegebenenfalls spüren Sie ein leichtes Ziehen im Unterleib. Meist ist das kein Grund zur Beunruhigung. Verstärken sich die Unterleibsschmerzen oder kommt Fieber hinzu, sollten Sie jedoch zeitnah Ihre Frauenärztin oder Ihren Frauenarzt konsultieren.
Bei unklarem Ergebnis können die Befunde nach einer Fruchtwasseruntersuchung wiederum durch eine Nabelschnurpunktion überprüft werden.
Schnelles Ergebnis mit dem sogenannten FISH-Test
Bis die Ergebnisse einer Fruchtwasseruntersuchung vorliegen, können zwei bis drei Wochen vergehen. Optional können Sie auch einen Schnelltest durchführen lassen. Der sogenannte FISH-Test (Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierungstest) wertet vorrangig die Anzahl der Chromosomen 13, 18 und 21 sowie der Geschlechtschromosomen aus. Das Ergebnis liegt bereits innerhalb von 24 Stunden vor. Da die Testergebnisse nicht immer eindeutig sind, kann Ihre Ärztin oder Ihr Arzt auffällige Befunde noch einmal mit denen der Fruchtwasseruntersuchung abgleichen. Wenn Sie einen FISH-Test in Anspruch nehmen möchten, müssen Sie diesen in jedem Fall selbst bezahlen.
Chorionzottenbiopsie: Gewebeentnahme aus der Plazenta
Auch die Chorionzottenbiopsie dient dazu, mögliche genetische Erkrankungen Ihres Kindes frühzeitig zu erkennen. Ihre Frauenärztin oder Ihr Frauenarzt kann die Untersuchung zwischen der 11. und 14. Schwangerschaftswoche durchführen. In der Regel ist auch diese Methode nicht schmerzhaft und kann ambulant erfolgen.
Ähnlich wie bei einer Fruchtwasseruntersuchung führt Ihre Ärztin oder Ihr Arzt eine dünne Kanüle durch Ihre Bauchdecke in die Plazenta ein und entnimmt dort etwas Gewebe. In Ausnahmefällen kann die Nadel auch über die Scheide eingeführt werden. Jeder Handgriff wird dabei mithilfe einer Ultraschalluntersuchung kontrolliert.
Anschließend wird Ihre Gewebeprobe hinsichtlich Chromosomenanzahl und -struktur in einem Labor untersucht. Auch das Geschlecht Ihres Kindes lässt sich bei dieser Gelegenheit bestimmen. Mögliche Fehlbildungen können durch eine Chorionzottenbiopsie dagegen nicht erkannt werden.
Die ersten Ergebnisse liegen meist nach ein bis sieben Tagen vor. Waren die Resultate der ersten Untersuchung unklar, wird außerdem eine Zellkultur angelegt, deren Befunde nach etwa zwei Wochen eintreffen.
Auch nach dieser Untersuchung gilt: Schonen Sie sich einige Tage lang und geben Sie Ihrem Körper Zeit, sich von dem Eingriff zu erholen. Hier kann es ebenfalls sein, dass Sie einige Zeit nach dem Eingriff ein leichtes Ziehen im Unterleib verspüren. Sollte sich das Ziehen verstärken oder sollten weitere Beschwerden hinzukommen, wenden Sie sich unbedingt an Ihre Ärztin oder Ihren Arzt.