Warum gehört eine Reform der Notfallversorgung ganz nach oben auf die Tagesordnung der neuen Bundesregierung und was muss dabei aus Sicht der Techniker Krankenkasse (TK) beachtet werden? Antworten dazu von Maren Puttfarcken, Leiterin der TK-Landesvertretung Hamburg.

TK: Frau Puttfarcken, warum ist es so wichtig, dass die Reform der Notfallversorgung schnellstmöglich nach der Regierungsbildung angegangen wird?

Maren Puttfarcken: Die Reform der Notfallversorgung steht schon sehr lange auf der gesundheitspolitischen Agenda. Wir wissen, dass viele Menschen in Notfallsituationen unsicher sind, wo sie die richtige Hilfe bekommen und, dass die Ressourcen in diesem Bereich endlich besser genutzt werden müssen. Das bestätigt uns auch wieder eine repräsentative Befragung, die wir als TK-Landesvertretung vor der Wahl zur Hamburgischen Bürgerschaft bei Forsa in Auftrag gegeben hatten: Von Befragten, die in den vergangenen drei Jahren außerhalb der Praxiszeiten gesundheitliche Beschwerden hatten, suchten 36 Prozent direkt die Notaufnahme in einem Krankenhaus auf. 20 Prozent kontaktierten unter der Rufnummer 116 117 den ärztlichen Bereitschaftsdienst, 18 Prozent riefen unter 112 einen Krankenwagen, und 14 Prozent warteten, bis die Arztpraxis wieder geöffnet war. Lediglich 10 Prozent suchten selbstständig eine ärztliche Bereitschaftspraxis auf. 

Diese Ergebnisse zeigen, dass wir ein Notfallsystem benötigen, das die Patientinnen und Patienten in Notfällen zielgerichtet zu den geeigneten Hilfsangeboten lenkt. Das würde auch die Notaufnahmen entlasten und den steigenden Einsatzzahlen im Rettungsdienst entgegenwirken. 
 

Maren Puttfarcken

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Leiterin der TK-Landesvertretung Hamburg

Wir benötigen ein Notfallsystem, das die Patientinnen und Patienten in Notfällen zielgerichtet zu den geeigneten Hilfsangeboten lenkt. Maren Puttfarcken

TK: Waren die Ansätze aus dem Gesetz zur Reform der Notfallversorgung, das wegen des Koalitionsbruchs nicht mehr umgesetzt wurde, richtig? 

Puttfarcken: Insbesondere die geplanten INZ und die telefonische Vernetzung der neuen, aus der Terminservicestelle ausgegliederten, Akutleitstelle (116 117) mit der Rettungsleitstelle (112) könnten die Notfallversorgung insgesamt verbessern und dafür sorgen, dass diese künftig besser koordiniert abläuft. Wichtig dabei ist aus unserer Sicht, dass alle Patientinnen und Patienten zunächst eine standardisierte Ersteinschätzung erhalten. Denn dann wären sie nicht mehr allein mit der Entscheidung, ob sie bei einem Notfall eine Praxis oder die Notaufnahme aufsuchen sollten. Stattdessen hätten sie einerseits die nötige Orientierung und bekämen andererseits auch gleich eine zielgerichtete, passende medizinische Versorgung. Diese Einschätzung müsste natürlich überall in Deutschland gleich sein und nach bundeseinheitlichen Qualitätsvorgaben erfolgen. 

Aus Sicht der TK muss in einem neuen Anlauf - anders als im bisherigen Entwurf - auch der Rettungsdienst mitgedacht und am besten in das Sozialgesetzbuch integriert werden. Wir benötigen hier bundeseinheitliche Struktur- und Qualitätsvorgaben sowie eine gezielte Nachbesserung bei den Vergütungsregeln. 

TK: Worauf ist bei der Umsetzung zu achten?

Puttfarcken: Aus unserer Sicht müssen wir bei der Umsetzung vor allem daran denken, dass wir damit die Akutversorgung verbessern. Hierfür könnten die Kassenärztlichen Vereinigungen durchgängig telemedizinische und aufsuchende Notdienste bereitstellen - in Hamburg geschieht dies bereits. Dafür bräuchten wir die Vernetzung der Rufnummern 116 117 und 112. Die Aufgabe einer solchen vernetzten Akutleitstelle bestünde dann darin, Patientinnen und Patienten in die jeweils geeigneten Versorgungsangebote zu vermitteln - sei es in eine Notdienstpraxis, die Notaufnahme eines Krankenhauses, in Kooperationspraxen während der Sprechstundenzeiten oder auch an telemedizinische Dienste.

Ein wichtiger Effekt dieses Modells wäre auch, dass das Personal in der Notaufnahme spürbar entlastet würde. Außerdem sollten wir die neuen Vorschläge sinnvoll in die bestehenden Strukturen integrieren. In Hamburg konnten wir in unterschiedlichen Settings bereits Erfahrungen mit INZ oder auch einem gemeinsamen Tresen der ambulanten Notfallpraxen und der stationären Notaufnahme machen - zum Beispiel im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Darauf sollten wir aufbauen. Insbesondere für Hamburg sollten wir auch darauf achten, dass die Angebote bedarfsgerecht über die Stadt verteilt werden und sich nicht an bestimmten Stellen ballen