Zur Sache: Reform der Notfallversorgung
Interview aus Hamburg
Am 17. Juli hat das Bundeskabinett den Referentenentwurf für eine Reform der Notfallversorgung beraten. Kernpunkte sind eine verbesserte Patientensteuerung durch den Ausbau und die Stärkung der Rufnummer 116 117 sowie eine Vernetzung mit den Rettungsleitstellen (Rufnummer 112). Weiterhin ist die Einrichtung Integrierter Notfallzentren (INZ) sowie Integrierter Kindernotfallzentren (KINZ) als sektorenübergreifende Behandlungsstruktur vorgesehen.
Maren Puttfarcken, Leiterin der TK-Landesvertretung Hamburg, hat sich den Gesetzentwurf zur Reform der Notfallversorgung angeschaut. Sind die Vorschläge ausreichend, um die Probleme zu lösen? Gibt es aus Sicht der TK Aspekte, die fehlen, und welche Auswirkungen hätte eine Umsetzung auf Hamburg? Die Antworten im Interview.
TK: Frau Puttfarcken, wie bewerten Sie aus Sicht der TK den Gesetzentwurf zur Reform der Notfallversorgung?
Maren Puttfarcken: Erst einmal freue ich mich, dass das Thema angepackt wird. Die Reform der Notfallversorgung steht schon sehr lange auf der gesundheitspolitischen Agenda. Insbesondere die geplanten INZ und die Vernetzung der Rufnummern 116 117 und 112 könnten die Notfallversorgung insgesamt verbessern und dafür sorgen, dass sie künftig besser koordiniert abläuft. Das sind zwei Ansätze, die wir als TK bereits seit langer Zeit fordern.
Wichtig ist, dass bei der Umsetzung der Reform darauf geachtet wird, dass die Ressourcen sinnvoll eingesetzt werden und das Personal in der Notfallversorgung spürbar entlastet wird. Durch die geplante Koordination der Notfallversorgung über die Vernetzung der Rufnummern würde den Patientinnen und Patienten künftig die bisher oft schwierige Entscheidung in Notfällen - Praxis oder Notaufnahme? - abgenommen werden.
Wichtig ist, dass bei der Umsetzung der Reform darauf geachtet wird, dass die Ressourcen sinnvoll eingesetzt werden und das Personal in der Notfallversorgung spürbar entlastet wird.
TK: Worauf ist bei der Umsetzung zu achten?
Puttfarcken: Wir müssen bei der Umsetzung schnell und konsequent sein. Außerdem sollten wir die neuen Vorschläge sinnvoll in die bestehenden Strukturen integrieren. In Hamburg konnten wir in unterschiedlichen Settings bereits Erfahrungen mit INZ oder auch einem gemeinsamen Tresen der ambulanten Notfallpraxen und der stationären Notaufnahme machen - etwa im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Darauf sollten wir aufbauen. Insbesondere für Hamburg sollten wir auch darauf achten, dass die Angebote sinnvoll über die Stadt verteilt werden und sich nicht an bestimmten Stellen ballen.
Positiv an den Reformvorschlägen ist, dass sie eine verbindliche Zusammenarbeit der Krankenhäuser und Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) vorsehen, sodass immer eine bedarfsgerechte medizinische Erstversorgung bereitgestellt werden kann. Auch die gesetzliche Verpflichtung, dass KVen und Rettungsleitstellen Kooperationen eingehen müssen, ist gut. Nur wenn alle Träger wie Krankenhäuser, KVen und Rettungsdienst der Feuerwehr Hamburg zusammenarbeiten, werden die Patientinnen und Patienten zielgerichtet in das für sie am besten geeignete Hilfsangebot geleitet.
Wir begrüßen, dass laut Gesetzentwurf der Behandlungsbedarf der Anrufenden über einen gemeinsamen Standard eingeschätzt werden soll. Dieser Standard muss aber noch entwickelt werden. Auch die Qualifikationen des nicht-ärztlichen Personals müssen dementsprechend angepasst werden. Das ist wichtig, damit eine qualifizierte Ersteinschätzung erfolgen kann. Dies ist die Grundlage für eine bedarfsgerechte Notfallversorgung. Das sind alles große Bretter, und mit Blick auf die Finanzen der Gesetzlichen Krankenversicherung muss bei der Umsetzung darauf geachtet werden, dass die Beitragszahlenden nicht weiter finanziell belastet werden.
TK: Würde eine Umsetzung der Reform in Hamburg alle Probleme lösen?
Puttfarcken: Nicht alle, aber sie wäre ein großer Schritt nach vorn. Ein Beispiel: Während der Infektwelle in den vergangenen Jahren haben wir in Hamburg sowohl in der allgemeinmedizinischen als auch in der kinderärztlichen Versorgung gesehen, dass sich viele Patientinnen und Patienten direkt an die Notaufnahmen in den Krankenhäusern gewandt haben und diese dadurch massiv überlastet waren. Hier mussten vorübergehend zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden. Wenn die nun geplante Notfallreform umgesetzt und die zusätzlichen Parameter beachtet würden, wären wir für eine nächste Infektwelle mit ihren Ausläufern vermutlich deutlich besser gewappnet.
Perspektivisch ist es mit Blick auf Hamburg und die steigenden Kosten im Rettungsdienst zudem sehr wichtig, dass auch die angekündigte Reform für den Rettungsdienst folgt. Hier sind wir in Hamburg mit immer weiter steigenden Gebühren konfrontiert - in diesem Jahr um rund 32 Prozent, ohne dass der Anstieg für die Krankenkassen nachvollziehbar wäre. Aus unserer Sicht gehören Notfallversorgung und Rettungsdienst ganz klar zusammen - nur wenn wir beides angehen und der Rettungsdienst Teil des SGB V wird, werden wir eine optimale Notfallversorgung "aus einem Guss" bekommen.