Um "zehn Jahre klinisch" zu feiern, hatte das Hamburgische Krebsregister am 19. Juni 2024 zu einem Symposion und einer Qualitätskonferenz eingeladen. Dr. Alice Nennecke, Leiterin des Hamburgischen Krebsregisters, berichtet im Interview "Zur Sache", welche Entwicklung das Hamburgische Krebsregister erlebt hat, welches Potenzial sich hinter der Nutzung der Daten verbirgt und worauf sich das Register in Zukunft einstellen muss.

TK: Frau Dr. Nennecke, das Hamburgische Krebsregister blickt schon auf eine lange Geschichte zurück, in der die Aufgaben immer wieder erweitert wurden. Welchen Auftrag hat das Register in der heutigen Zeit? 

Dr. Alice Nennecke: Ziel der neueren gesetzlich vorgesehenen Verarbeitung von therapie- und verlaufsbegleitenden Angaben aller in Hamburg behandelten Krebspatientinnen und -patienten ist es, die Qualität der onkologischen Versorgung zu verbessern und Versorgungstransparenz herzustellen. Dafür werten wir diese Daten aus und stellen sie den behandelnden Ärztinnen und Ärzten beziehungsweise Leistungserbringenden, den wissenschaftlich Forschenden und der allgemeinen Öffentlichkeit zur Verfügung. Das integrierte klinisch-epidemiologische Landeskrebsregister hat auch heute noch die wichtige Funktion, das Krebsgeschehen in der Wohnbevölkerung zu beschreiben - etwa Häufigkeiten, zeitliche Trends und räumliche Verteilungen von neu auftretenden Tumorerkrankungen und Sterbefällen, das Überleben nach Krebs und die Wirkung von Früherkennungsprogrammen.

TK: Wir diskutieren im Gesundheitswesen viel über die Nutzung von verfügbaren Daten. Im Krebsregister liegen viele wertvolle Daten zum Krebsgeschehen in Hamburg. Können Sie uns Beispiele nennen, wie diese Daten in der Praxis genutzt werden?

Dr. Nennecke: Auf der Website des Hamburgisches Krebsregisters  finden sich viele interessante Auswertungen zu Krebs in Hamburg: Einen Überblick bieten die interaktiven Online-Berichte, aktuelle wissenschaftliche Veröffentlichungen auf Basis der Registerdaten sind ebenfalls gelistet. Bei den regelmäßigen regionalen Qualitätskonferenzen des HKR diskutieren Hamburger Ärztinnen und Ärzten datengestützt versorgungsrelevante Fragen, woraus sich zunehmend weiterführende Forschungsprojekte ergeben. Auf unserem Symposion wurden beispielsweise Ergebnisse zur OP-Qualität des Ovarialkarzinoms in Hamburg und zur Implementierung neuer Strategien beim Endometriumkarzinom vorgestellt. Meldende Kliniken und Praxen in Hamburg können zur eigenen Qualitätssicherung patientenbezogen Informationen wie Vitalstatus oder Fallsynopsen anfordern, zudem erhalten sie jährliche Berichte mit detaillierten Analysen ihrer Fälle. Schließlich fließen die Hamburger Daten auch in zahlreiche internationale Forschungsprojekte ein, wie etwa die VENUSCANCER Studie, wo erstmals weltweit Daten zur Behandlung und zum Überleben von weiblichen Tumoren verglichen werden.

Dr. Alice Nennecke

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Leiterin des Hamburgischen Krebsregisters

Eine kontinuierliche und flächendeckende Erhebung von qualitativ hochwertigen Gesundheitsdaten aus vielen verschiedenen Quellen bleibt eine ständige Herausforderung. Dr. Alice Nennecke

TK: Vor welchen Herausforderungen steht das Hamburgische Krebsregister und welche perspektivische Weiterentwicklung sehen Sie für die Krebsregistrierung und die Nutzung der Daten? Ist bei Ihnen auch der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Diskussion?

Dr. Nennecke: Eine kontinuierliche und flächendeckende Erhebung von qualitativ hochwertigen Gesundheitsdaten aus vielen verschiedenen Quellen bleibt eine ständige Herausforderung. Mit dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz und dem geplanten Europäischen Gesundheitsdatenraum stellen sich neue datenschutzrechtliche und technische Fragen, um die wertvollen Informationen sicher zu teilen, mit anderen Datenquellen zu verknüpfen und so vermehrt im Interesse der Patientinnen und Patienten zu verwenden. Den Einsatz von KI für eine verbesserte Registerdatennutzung prüfen wir unter anderem derzeit im Rahmen des Konsortialforschungsprojektes AI-CARE gemeinsam mit mehreren anderen Krebsregistern. Aber auch ein KI-gestützt generierter synthetischer Datensatz wäre ein schönes Ziel, um Forschenden realistische "Übungsdaten" anzubieten und anstelle der sensiblen personenbezogenen Daten nur Analyseskripte und Ergebnisse zu übermitteln.