"Ich glaube nicht, dass das Gesundheitsamt ein stilles Leben mitten in der Stadt führen muss."
Interview aus Bremen
Interview mit Dr. Jörn Moock, Leiter des Gesundheitsamtes Bremen, zu Corona, dem Öffentlichen Gesundheitsdienst und anderen Themen.
TK: Zuallererst unseren herzlichen Glückwunsch zum Amtsantritt und gutes Gelingen! Herausfordernder könnte allerdings die Zeit nicht sein, in der Sie - inmitten der Corona-Pandemie - das Gesundheitsamt in Bremen übernommen haben. Wie war ihre erste Zeit in der neuen Position?
Dr. Jörn Moock: Ich kann Ihnen vorwegsagen: Die Herausforderungen, oder mehr die Möglichkeiten, die durch die Corona-Pandemie entstanden sind, waren für mich ein wichtiger Grund, die Stelle anzutreten. Der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) im Ganzen und das Gesundheitsamt Bremen (GAB) im Speziellen haben in den vergangenen Monaten eine mehr als verdiente Aufwertung und öffentliche Sichtbarkeit erfahren. Diesen Schwung nehme ich mit meinen Kolleginnen und Kollegen gerne auf, um die Nach-Corona-Zeit zu gestalten.
Natürlich hat die Pandemiebekämpfung auch meine ersten Tage und Wochen hier in Bremen geprägt. Ich habe aber ein hervorragend organisiertes Infektionsschutz-Team angetroffen, das Bremen ja schon in den vergangenen eineinhalb Jahren gut durch diese Pandemie gebracht hat. Darüber hinaus habe ich und das ist mir sehr wichtig zu betonen, eben auch viele weitere Bereiche und Kolleginnen und Kollegen angetroffen, die mit hohem Sachverstand eine tolle Arbeit machen. Diesen Aspekt müssen wir noch viel mehr hervorheben, denn das GAB ist eben viel mehr, als nur Pandemiebekämpfung.
TK: Worauf freuen Sie sich und worin sehen Sie eine besondere Herausforderung?
Moock: Ich freue mich auf die Herausforderung, das ist kein Widerspruch. Natürlich wird die Herausforderung sein auch als GAB gut aus der Pandemie herauszukommen. Das ist eine ganz akute Aufgabe, die aber Chancen beinhaltet. Die bereits angesprochene Aufwertung des ÖGD wird auch nach der Pandemie Bestand haben, da bin ich mir sicher. Diese Aufwertung will ich in konkrete Handlungsfelder umwandeln. Ich glaube nicht, dass das Gesundheitsamt ein stilles Leben mitten in der Stadt führen muss. Vielmehr muss es raus in die Stadtteile und Quartiere gehen. Präsent und sichtbar sein, für die Bremerinnen und Bremer ansprechbar sein. Diesen Prozess, den es ja auch schon gibt, zu verstärken, das ist eine große Herausforderung, auf die ich mich sehr freue.
TK: Sie haben Soziologie studiert und in Medizinwissenschaft promoviert. Welche Bedeutung hat Ihr Background für die künftige Ausrichtung des Bremer Gesundheitsamts?
Moock: Ich glaube, dass ich einen neuen, einen anderen Blick auf unsere tägliche Arbeit werfen kann. Wobei ich mich da auch nicht abheben möchte. Wir haben ja auch im GAB Kolleg:innen, die beispielsweise Public Health studiert haben. Uns eint sicherlich der Blick auf die Stadt, als ein doch unterschiedlich gestalteter Raum, in dem Gesundheit unterschiedliche Rollen spielt. Wir alle kennen die Unterschiede zwischen Stadtteilen und Quartieren, was Lebenserwartung oder Ernährung angeht. Darin sehe ich auch wieder eine Herausforderung und eine mögliche Aufgabe für das Gesundheitsamt: wie können wir es mittelfristig schaffen, dass diese Ungleichheit kleiner wird?
TK: Wie sieht der ÖGD Ihrer Wünsche in 20 Jahren aus?
Moock: Der ÖGD in 20 Jahren ist agil, kann sich an neue Herausforderungen dynamisch und kurzfristig anpassen. Der ÖGD ist in 20 Jahren ein attraktiver Arbeitgeber für alle medizinischen Fachrichtungen, aber auch für Sozialarbeiter:innen, Epidemiolog:innen und viele weitere. Der ÖGD wird in 20 Jahren ein Vorbild sein für die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung. Dabei arbeitet er mit vielen Akteur:innen aus der Akutversorgung, der Prävention und der Rehabilitation zusammen und findet im Verbund Lösungen, sowohl vor Ort in Quartieren, als auch im Großen auf Stadt- und Landesebene.
TK: Corona lehrt uns jeden Tag neue Erfahrungen im Management der Pandemie. Was können wir langfristig für das Gesundheitssystem aus der Pandemie lernen?
Moock: Ich glaube da können wir direkt nach Bremen gucken und sehen, was hier gut läuft und worauf wir aufbauen können. Dezentrale Angebote, sei es rund um Beratung und Information oder am Ende die Impfangebote, haben hier in den letzten Monaten gezeigt, was möglich ist. Wenn wir den Anspruch haben, und den habe ich und nehme ihn von allen Beteiligten in Bremen ebenfalls wahr, dass wir mit unseren Gesundheitsangeboten wirklich alle Bremer:innen erreichen wollen, wird das ein entscheidender Weg sein. Rein in die Stadtteile, rein in die Quartiere und rein in die digitale Transformation. Dort wollen wir uns als ein wichtiger Akteur etablieren.