"Über allem steht das Ziel, eine bestmögliche Gesundheitsversorgung für die Bremerhavenerinnen und Bremerhavener zu gewährleisten"
Interview aus Bremen
Vor welchen besonderen Herausforderungen steht Bremerhaven im Bereich Gesundheit? Und welche Anknüpfungspunkte bestehen zwischen der Gesundheitspolitik und der Klima- und Umweltpolitik? Antworten auf diese und weitere gesundheitspolitische Fragen liefert die Bremerhavener Gesundheitsdezernentin Andrea Toense im Interview.
TK: Seit Anfang des Jahres sind Sie Dezernentin für Gesundheit, Klima und Umwelt in Bremerhaven. Was macht die Stadt Bremerhaven für Sie mit Blick auf diese Themen so besonders?
Andrea Toense: Zunächst einmal freue ich mich, dass die politischen Verantwortlichen in Bremerhaven erkannt haben, dass es sich bei den beiden Themenfeldern Gesundheit und Umwelt / Klima um wegweisende und zukunftsträchtige Bereiche handelt, die aufgrund ihrer Relevanz hauptamtlich begleitet werden müssen. Spätestens seit der Pandemie und dem zunehmenden Klimawandel hat man die Wichtigkeit der beiden Themenfelder erkannt. In beiden Bereichen steht die Stadtgemeinde Bremerhaven - sowie zahlreiche weitere Kommunen in Deutschland - vor besonderen Aufgaben. So gilt es, die gesundheitliche Versorgung im ambulanten und stationären Bereich bedarfsgerecht aufrechtzuerhalten und gleichermaßen die Klimawende voranzutreiben.
So gilt es, die gesundheitliche Versorgung im ambulanten und stationären Bereich bedarfsgerecht aufrecht zu erhalten und gleichermaßen die Klimawende voranzutreiben.
TK: Welche Ziele hat sich Bremerhaven für das Jahr 2024 im Bereich Gesundheit gesteckt?
Toense: Das Gesundheitsamt Bremerhaven führt aktuell unter externer Begleitung eine Organisationsentwicklung durch, um das Amt zeitgemäß aufzustellen und die vorhandenen Strukturen an aktuelle Erfordernisse anzupassen. Bis Ende des Jahres soll das Ergebnis der Untersuchung vorliegen und anschließend geht es in die Umsetzung. Ich bin davon überzeugt, dass die anstehenden organisatorischen Änderungen am Ende dazu führen werden, dass das Gesundheitsamt seine Aufgaben koordinierter und effektiver umsetzen wird und es zu einem Mehr an Bürgerinnen- und Bürgernähe kommen wird.
Darüber hinaus hat der Öffentliche Gesundheitsdienst die Aufgabe, Gesundheitsförderung und Prävention flächendeckend in der Bevölkerung zu etablieren. Bremerhaven verfügt dabei bereits über ein gutes Netzwerk an Akteurinnen und Akteuren im Gesundheitswesen, die sich mit gesundheitlicher Präventionsarbeit und Gesundheitsförderung beschäftigen. Dieses gilt es künftig noch besser zu koordinieren und zu verbinden. Ein gutes Beispiel dieser Vernetzungsarbeit ist der Fachtag "Gesund älter werden in Bremerhaven", der am 11. Juni stattfindet und alle Fachkräfte und Interessierte aus den Bereichen Gesundheit, Seniorinnen und Senioren, Soziales, Quartier, Prävention etc. miteinander in Austausch bringen soll.
Über allem steht natürlich das Ziel, eine bestmögliche Gesundheitsversorgung für die Bremerhavenerinnen und Bremerhavener zu gewährleisten. Sei es im ambulanten oder stationären Versorgungsbereich aber insbesondere auch in der Früherkennung und der Prävention.
TK: Welche besonderen Herausforderungen sehen Sie dabei für die Seestadt?
Toense: Der Mangel an Ärztinnen und Ärzten stellt nicht nur die Arbeit im Gesundheitsamt vor große Herausforderungen, auch in der ambulanten Versorgung kommt es immer häufiger vor, dass die Versorgungsquote von 100 Prozent in Bremerhaven unterschritten wird. Aufgrund des Prinzips der Selbstverwaltung durch die Träger des Gesundheitswesens (Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigung) hat der Magistrat nur einen begrenzten Handlungsspielraum, die ärztliche Versorgung in Bremerhaven nachhaltig zu stärken. Allerdings wollen und werden wir unseren Beitrag für eine mögliche Fachkräftegewinnung leisten. In Frage kommen unter anderem neben der Bereitstellung günstiger Praxisräume auch Unterstützungen wie beispielhaft bei der Jobsuche für Familienangehörige. Bei Problemen und Schwierigkeiten bei der Ansiedlung von Ärztinnen und Ärzten steht das Gesundheitsdezernat als Kümmerer bereit und vermittelt Kontakte zu den jeweils zuständigen Stellen.
Bei Problemen und Schwierigkeiten bei der Ansiedlung von Ärztinnen und Ärzten steht das Gesundheitsdezernat als Kümmerer bereit und vermittelt Kontakte zu den jeweils zuständigen Stellen.
Darüber hinaus wird aktuell unter Mithilfe der Bremerhavener Gesellschaft für Investitionsförderung und Stadtentwicklung mbH (BIS) eine Marketingkampagne mit dem Schwerpunkt Fachkräftegewinnung erarbeitet. In dieser Imagekampagne soll insbesondere auf die Vorzüge der Stadt als starker Wirtschaftsstandort mit hoher Lebensqualität aufmerksam gemacht werden. Die Kampagne soll ganzheitlich wirken und insbesondere auch überregional Fachkräfte ansprechen.
Die Neuordnung der Krankenhauslandschaft in Bremerhaven ist eine weitere Herausforderung für den Standort. Durch die Umstrukturierung bei Ameos und die damit im Zusammenhang stehende kurzfristige Schließung des Klinikums Mitte gilt es, die geplante Reorganisation der Versorgungsaufträge und -strukturen schneller als in der gesetzlichen vorgesehenen Frist zu vollziehen. Angesichts der weitreichenden Reorganisationserfordernisse ist davon auszugehen, dass die Anpassung der Versorgungsabläufe eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen werden. Damit ist es aber noch nicht getan, es gilt auch die bundesweite Krankenhausreform zu berücksichtigen. Allen voran sind Schwerpunktsetzungen zu bilden, damit es zu einer qualitativen Behandlung auf höchstem Niveau kommt. Doppelstrukturen sind dabei aus Kostengründen einzusparen. Diese Maßnahmen sollen am Ende des Tages zu einer Verbesserung der Gesundheitsversorgung in Bremerhaven führen.
TK: Neben dem Thema Gesundheit sind Sie ebenfalls für Klima- und Umweltthemen zuständig. Welche Anknüpfungspunkte sehen Sie zwischen der Gesundheitspolitik und ihren weiteren Themenfeldern?
Toense: Die beiden Themenfelder haben wichtige Überschneidungspunkte. So bezeichnete die Weltgesundheitsorganisation bereits im Jahr 2021 den Klimawandel als größte Gesundheitsbedrohung der Menschheit. Der Klimawandel hat zum Beispiel durch Extremwetterereignisse wie Dürren, Hitzewellen oder Starkregen einen direkten Einfluss auf die menschliche Gesundheit oder aber auch indirekt auf die psychische Gesundheit.
Hier ist es wichtig, Maßnahmen zu ergreifen, um die Umwelteinflüsse zu reduzieren und die Lebensqualität der Bevölkerung zu verbessern. Zum anderen kann auch die Gesundheitspolitik einen Beitrag zum Klima- und Umweltschutz leisten, zum Beispiel durch die Förderung umweltfreundlicher Mobilität und nachhaltiger Ernährung. Es ist wichtig, diese Zusammenhänge zu erkennen und Synergieeffekte zu nutzen, um ganzheitliche Lösungen für eine nachhaltige Stadtentwicklung zu finden.
Zum anderen kann auch die Gesundheitspolitik einen Beitrag zum Klima- und Umweltschutz leisten, zum Beispiel durch die Förderung umweltfreundlicher Mobilität und nachhaltiger Ernährung.
Beispielsweise erarbeiten wir aktuell im Rahmen der Überarbeitung der Klimaanpassungsstrategie Bremen / Bremerhaven einen Hitzeaktionsplan mit verschiedenen Maßnahmen, die zur Verbesserung des Gesundheitsschutzes besonders gefährdeter Bevölkerungsgruppen beitragen sollen. Eine wichtige Maßnahme dabei ist eine entsprechende Informations- und Sensibilisierungskampagne. Mit dem sogenannten Hitzeknigge, der auch lokalen Informationen für das richtige Verhalten bei Hitze beinhaltet, haben wir hier bereits erste wichtige Tipps zusammengetragen. Weitere Maßnahmen werden folgen.