"Gesundheit ist ein hohes Gut. Der Schutz unserer Gesundheit hängt eng mit Klimaschutz zusammen"
Interview aus Bremen
Wie kann die stationäre Versorgung in Bremen auf sichere Beine gestellt werden? Wie lösen wir den Pflegenotstand? Und wie steht es um die Digitalisierung im Gesundheitswesen? Antworten hierzu und auf weitere gesundheitspolitische Fragen liefert Maike Schaefer, Spitzenkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen in Bremen.
TK: Die Pandemie hat die Gesundheitspolitik ins Zentrum des Interesses schnellen lassen, nun sind im letzten Jahr weitere Krisen in anderen Politikbereichen hinzugekommen, die die Menschen bewegen. Welchen Stellenwert hat die Gesundheitspolitik in Ihrem Wahlprogramm für die nächste Legislaturperiode?
Maike Schaefer: Einen sehr hohen. Gesundheit ist ein hohes Gut. Der Schutz unserer Gesundheit hängt eng mit Klimaschutz zusammen, aber auch mit sozialer Gerechtigkeit. Wir wollen, dass alle Menschen einen Zugang zu allen Leistungen des Gesundheitssystems haben. Gesundheitsschutz bedeutet für uns Grüne auch, dass jede:r so lange es geht im eigenen Zuhause wohnen bleiben kann. Und das in jedem Stadtteil auch eine medizinische Nahversorgung gewährleistet ist. Das bedeutet, dass die Gesundheitspolitik explizit Erwähnung findet und sich darüber hinaus durch unser ganzes Wahlprogramm als Querschnittsthema zieht.
Der Schutz unserer Gesundheit hängt eng mit Klimaschutz zusammen, aber auch mit sozialer Gerechtigkeit. Wir wollen, dass alle Menschen einen Zugang zu allen Leistungen des Gesundheitssystems haben.
TK: Das Thema stationäre Versorgung und die damit zusammenhängende Krankenhausreform sind zurzeit ein viel diskutiertes Thema im Land. Wie stellen Sie sicher, dass Bremen und Bremerhaven im stationären Bereich gut und bedarfsgerecht aufgestellt sind?
Schaefer: Bei der Finanzierung der stationären medizinischen Versorgungsleistungen setzen wir uns für eine bundesweite Neuregelung dieser Finanzierung der Klinikleistungen ein und wollen die reine Orientierung an Fallzahlen verlassen. Damit wollen wir ökonomischen Druck von den Kliniken nehmen, der zulasten der Versorgung von Patientinnen und Patienten und der Beschäftigten geht. Eine Landeskrankenhausplanung auf Grundlage der erhobenen Versorgungsdaten bildet eine wichtige Grundlage für die Versorgung von Patientinnen und Patienten in Bremen und seinem Umland. Die Empfehlungen der Regierungskommission und die daraus resultierenden Vorgaben vom Bund sind unsere Orientierung.
TK: Eine kleinräumige Planung allein bringt noch keine Ärztinnen und Ärzte nach Bremen. Was sind Ihre Ansätze für die zukünftige Gestaltung der ambulanten Versorgung? Und wie kann die Versorgung noch besser sektorenübergreifend gedacht werden?
Schaefer: Wir wollen die ambulanten Versorgungsstrukturen in den jeweiligen Stadtteilen weiter ausbauen, in denen es bisher eine Unterversorgung gibt. Allen pflegebedürftigen Menschen wollen wir so ein möglichst langes Leben in ihrem häuslichen Umfeld ermöglichen und die hausärztliche und fachärztliche Versorgung stabilisieren. Wir wollen zudem die Gründung von integrierten Gesundheitszentren und Gesundheitskiosken weiter vorantreiben, um das Zusammenwirken unterschiedlicher medizinischer und präventiver Angebote und der Pflege unter einem Dach zu ermöglichen. Insgesamt müssen in Bremen gemeinsam mit Kammern, der Kassenärztlichen Vereinigung und den Behörden Strukturen festgelegt werden, die für Medizinerinnen und Mediziner Bremen zu einem attraktiven Arbeitsplatz machen.
TK: Was tun Sie, um zu verhindern, dass Fachkräfte aus Pflegeberufen aussteigen und um zu erreichen, dass sich mehr Menschen für den Pflegeberuf entscheiden - sowohl in der Krankenpflege als auch in der stationären und ambulanten Langzeitpflege?
Schaefer: Pflegekräfte müssen in ihrer Arbeit eine deutliche Entlastung erfahren. Darüber hinaus setzen wir uns ein für eine angemessene Bezahlung, mehr Zeitsouveränität und eine familienfreundliche und damit flexible Arbeitsorganisation. Wissenschaftliche Personalbemessungsinstrumente müssen dringend angewendet werden. Nur wenn es gelingt, innerhalb der Einrichtungen Entlastungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schaffen, wird der Beruf insgesamt attraktiver.
Wir bauen außerdem die Zahl der Ausbildungsplätze für Fach- und Assistenzkräfte weiter aus und fördern die Akademisierung der Pflege. Auch die Weiterbildungsangebote für Pflegende bauen wir aus. Gerade im Bereich Praxisanleitung müssen verlässlichere Strukturen greifen, damit die Auszubildenden eine qualitativ hohe Ausbildung erfahren. Wir wollen die ambulanten Versorgungsstrukturen in den Stadtteilen, in denen es bisher eine Unterversorgung gibt, weiter ausbauen und forcieren die Gründung von integrierten Gesundheitszentren und -kiosken. Wir werden die Evaluation der generalistischen Ausbildung eng begleiten und die Erfahrungen aus Bremen einbringen.
Wir bauen außerdem die Zahl der Ausbildungsplätze für Fach- und Assistenzkräfte weiter aus und fördern die Akademisierung der Pflege.
Für pflegende Angehörige und Freundinnen und Freunde wollen wir kostenfreie und professionelle Fortbildungsmöglichkeiten schaffen und setzen uns für deutlich verbesserte Entlastungsmöglichkeiten ein. Hierfür muss die Zahl der Kurzzeitpflegeplätze mit Tages- und Nachtpflegeangeboten im Land Bremen erhöht werden. Wir fordern zudem eine Bundesinitiative für die bessere Bezahlung von Care-Arbeit pflegender Angehöriger.
TK: Ein weiteres Thema, das in der Gesundheitspolitik bewegt, ist die Digitalisierung. Digitale Angebote in der Versorgung werden von immer mehr Menschen nachgefragt. Was kann das Land im Bereich der Digitalisierung des Gesundheitswesens tun und was möchten Sie bewegen?
Schaefer: Auch im Bereich der Digitalisierung in der Gesundheitspolitik gehen wir in unserem Wahlprogramm ein: Die Chancen der Digitalisierung wollen wir gezielt nutzen, um das Gesundheitssystem zukunftsfähig zu machen. Egal ob Robotik, Telemedizin, eine elektronische Patientenakte oder altersgerechte Assistenzsysteme. All das soll die Arbeit des Personals erleichtern. Die Digitalisierung muss aber sektorenübergreifend angegangen werden, damit Doppelstrukturen vermieden werden können.
Wir wollen darüber hinaus eine zukunftsfähige Infrastruktur fördern, die Patientinnen- und Patientendaten sicher, zuverlässig, datenschutzkonform und bedarfsgerecht verfügbar macht und so zur Verbesserung der Versorgung beiträgt.
TK: Woran erkennen wir am Ende der neuen Legislatur die erfolgreiche Handschrift der Grünen in der Gesundheitspolitik im Land Bremen?
Schaefer: Wir haben im Land Bremen eine Krankenhausstruktur, die sicherstellt, dass alle Bereiche für die Versorgung der Bremerinnen und Bremer und das Bremer Umfeld vorhanden sind. Die Krankenhäuser haben eine Planungssicherheit und haben eine ausreichende Refinanzierung aller angebotenen Leistungen. Niedergelassene Ärztinnen sind gerne in Bremen, da sie attraktive Bedingungen vorfinden. Das Angebot von Hausarzt- und Facharztpraxen ist ausreichend und bedarfsgerecht vorhanden.
Der ambulante Sektor ist entsprechend aller Möglichkeiten ausgebaut und bietet sektorenübergreifend eine transparente medizinische, pflegerische und gesundheitsfördernde Versorgung. Hierbei wird der Quartiersansatz berücksichtigt.
Die Zahl der Auszubildenden und Studierenden im Land Bremen ist gestiegen. Bremen ist ein attraktiver Standort für Beschäftigte im Gesundheitswesen, die Gesundheitswirtschaft hat an Bedeutung gewonnen und ist in Bremen ausgebaut worden.
Der öffentliche Gesundheitsdienst ist gestärkt. Gesundheitsvorsorge und Prävention sind als feste Bestandteile der Daseinsvorsorge in allen Lebensbereichen verankert.
Klimaschutz ist Gesundheitsschutz, darum werden wir Grüne uns unter anderem auch deswegen weiter um konsequenten Klimaschutz kümmern. Wir etablieren hierfür einen Hitzeaktionsplan, der die Menschen schützt.
Seniorinnen und Senioren können selbstbestimmt in ihrem Quartier und ihrer gewohnten Häuslichkeit leben. Dort finden sie alle nötigen gesundheitlichen Versorgungsstrukturen, die hierfür nötig sind. Zudem werden ausreichend Pflegeplätze ambulant und stationär zur Verfügung stehen.
Menschen unterschiedlicher Herkunft, Altersgruppen und Geschlechter finden in der gesamten gesundheitlichen Versorgung stärkere Berücksichtigung.