Fühlen und Denken unter Stress (3/3)
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Jeder Mensch reagiert anders auf Stress: Manche explodieren bei der kleinsten Gelegenheit vor Zorn. Andere möchten sich bei Stress am liebsten unter der Bettdecke verkriechen. Wie wir uns fühlen, wenn wir im Stress sind, hängt auch von unseren Gedanken ab. Wir können uns mit ihnen selbst beruhigen, aber auch in Angst und Schrecken versetzen.
Ob wütend, aggressiv, in Panik, ängstlich, unsicher oder gereizt: Unsere Gefühle haben eine ganze Menge damit zu tun, was wir denken. In der jeweiligen Situation, aber auch generell über die Welt und über uns selbst. Denken Sie an einem besonders stressigen Arbeitstag: "Mein Gott, wie soll ich das nur schaffen?", werden Sie andere Gefühle haben, als wenn Sie im Supermarkt in der Schlange vor der Kasse stehen und innerlich stöhnen: "Mein Gott, geht das hier wieder langsam!" Von Ihren Gedanken, Erfahrungen und Einstellungen hängt es vor allem ab, ob Stress Sie eher ängstlich macht oder wütend.
Sich selbst wahrnehmen hilft
Prüfen Sie einmal, wie Sie sich fühlen, wenn Sie unter Stress sind, und was Sie dann denken. Sie werden feststellen, dass sich Ihre Gedanken und Gefühle auch in unterschiedlichen Situationen ähneln. Wenn Sie das eine Weile systematisch machen, lernen Sie Ihre Denk-Gewohnheiten unter Stress besser kennen. Nicht nur das: Sie können dann auch überprüfen, ob es eigentlich realistisch ist, was Sie denken oder ob Sie sich Gedanken machen, die eigentlich völlig sinnlos sind.
Achtsamkeit lernen
Was hilft es zum Beispiel, wenn Sie morgens im Stau stehen, vor Ärger auf das Lenkrad schlagen und sich aufregen: "Was sind das bloß für Trottel hier vor mir! Können Sie nicht mal schneller losfahren?" Oder wenn Sie denken: "Oh nein, ich komme zu spät! Schrecklich! Was wird mein Chef nur von mir denken?!" und in Schweiß geraten? Ändert das irgend etwas daran, dass Sie im Stau stehen? Hilft es Ihnen, den Verkehr wieder in Gang zu bringen? Und: Müssen Sie das denken und so bei sich selbst Wut oder Angst erzeugen? Nein. Sie könnten sich auch sagen: "Mist, ich stehe im Stau. Kann ich etwas daran ändern? Nein, im Moment nicht. Also nur ruhig. Ruf an, sag Bescheid, und dann hör ein bisschen Radio." So werden Sie den Stau mit weniger Stress überstehen.
Unsere inneren Antreiber
Oft sind wir selbst unsere strengsten Antreiber. Mit Forderungen wie "Mach es immer perfekt" oder "Sorg dafür, dass du von allen gemocht wirst" setzen uns selbst unter Druck und nehmen uns Handlungsmöglichkeiten. Solche inneren Antreiber sind oft nicht bewusst präsent, aber innerlich wirksam. Wir glauben, dass wir sie unbedingt erfüllen müssen. Wenn nicht, so fürchten wir, könnte etwas Schreckliches passieren. Meist wissen wir gar nicht bewusst, was das sein könnte. Aber mit ein wenig Nachfragen an sich selbst ist es möglich, es herauszufinden.
Warum unsere Befürchtungen so stark sind
Oft sind es ganz persönliche Katastrophen, die wir fürchten. Solche Ängste teilen wir mit vielen Menschen. Aber wenn wir diese Angst erleben, glauben wir, nur uns gehe es so. Da ist zum Beispiel die Angst, nicht gut genug zu sein, nicht geliebt zu werden oder verlassen zu werden. Wir sind soziale Wesen und auf Bindungen zu anderen angewiesen. Deshalb sind solche Ängste in uns angelegt. Schon Kinder erleben intuitiv: Nicht zur Bezugsgruppe zu gehören oder von ihr verstoßen zu werden, ist existenzbedrohend. Deshalb erzeugt realer oder angedrohter Liebesentzug große Angst.
Schon früh entwickeln wir deshalb Strategien, solche Gefahren zu vermeiden - insbesondere wenn wir unsere Umgebung und die Zuneigung durch andere als unsicher empfinden. Und oft hilft dann: Keine Fehler machen. Immer lieb sein. Schön vorsichtig sein. Oder wenn der Liebesentzug schon Realität ist: zu lernen, allein zurechtzukommen.
Das bedeutet: Unsere Anforderungen an uns selbst sind früh gelernte Wege, solchen Katastrophen aus dem Weg zu gehen. Und weil sie sich in der Vergangenheit als wirksam erwiesen haben, stellen wir sie meist auch als erwachsener Mensch nicht in Frage. Der Preis dafür ist Angst und Stress ist Situationen, in denen wir glauben, diese Forderungen an uns selbst nicht erfüllen zu können.
Stressverstärkende Einstellungen
Ein paar Beispiele für Einstellungen, die einem das Leben schwer machen können:
- Sei perfekt! Mach auf keinen Fall Fehler.
- Sei beliebt! Geh Konflikten aus dem Weg.
- Sei stark! Zeig keine Schwäche und mach dich bloß nicht abhängig.
- Pass bloß auf! Sorg für 100-prozentige Sicherheit, bevor du dich entscheidest.
Realitäts-Check
Erkennen Sie etwas davon bei sich selbst? Dann fragen Sie sich, wie realistisch diese Anforderungen sind und ob Sie sie wirklich immer und vollkommen erfüllen müssen. Vielleicht entdecken Sie, dass "immer" eigentlich nur "manchmal" heißen muss. Vielleicht können Sie sehen, dass die Konsequenzen, die Sie befürchten, heute gar nicht mehr so schlimm für Sie wären. Finden Sie heraus, an welcher Stelle Sie vielleicht auch einmal auf die Forderung verzichten und sich den Freiraum geben können, anders zu handeln: Mal fünfe gerade sein zu lassen. Oder die eigenen Meinung klar zu vertreten. Oder Hilfe anzunehmen, wenn sie nötig ist.
TK-AntistressCoaching
Positive Selbstgespräche
In Stresssituationen tauchen oft Gedanken auf wie "Das schaffe ich nie", "Das wird schiefgehen" oder "Ich bin unfähig". Wenn Sie solche Gedanken bemerken, können Sie versuchen, sie durch ermutigendere Gedanken zu ersetzen. Das erfordert ein wenig Übung und auch ein bisschen Vorbereitung. So gehen Sie dabei vor:
- Schreiben Sie die Gedanken auf, die Ihnen in einer Stresssituation durch den Kopf gegangen sind.
- Teilen Sie sie in positive und negative Gedanken auf.
- Überlegen Sie sich positive Gedanken anstelle der negativen. Es ist dabei wichtig, dass Sie die positiven Formulierungen akzeptieren können. Also statt "Bestimmt mache ich Fehler" sagen Sie sich nicht "Bestimmt mache ich keine Fehler", sondern eher "Wenn ich Fehler mache, ist es nicht so schlimm." Es kommt darauf an, dass Sie den positiven Gedanken, den Sie einsetzen wollen, weitgehend für wahr halten.
- Überlegen Sie sich weitere positive Gedanken, mit denen Sie sich unterstützen können.
- Taucht die Stresssituation wieder auf, ersetzen Sie Ihre automatisch auftauchenden negativen Gedanken, sobald Sie sie bemerken, durch die ermutigenden Gedanken.
"Mach´s Schritt für Schritt" statt "Das schaff ich nicht"
Statt sich vor einer Herausforderung zu sagen "Das schaff ich nicht" oder "Das geht bestimmt schief", könnten Sie sich zum Beispiel sagen: "Erst mal probieren" oder "Mach´s Schritt für Schritt". Stecken Sie mittendrin, kommen vielleicht automatische Gedanken wie "Mist, ich bin schon wieder so nervös" oder "Oh Gott, ich werde versagen" oder "Mein Herz schlägt wie wild". Vielleicht helfen Ihnen dann Gedanken wie "Nur ruhig, entspann dich" oder "Gut, du bist aufgeregt, das ist in Ordnung". Und wenn die Stresssituation dann vorbei ist, seien Sie freundlich zu sich selbst, egal wie sie ausgegangen ist. Wenn nicht alles perfekt gelaufen ist, können Ihnen dabei Gedanken helfen wie "Toll, dass ich das durchgestanden habe" oder "Ich hab es so gut gemacht, wie ich konnte. Es ist okay, dass ich noch nicht perfekt bin".
Und wenn es mal wirklich nicht so gut geklappt hat, gönnen Sie sich ein wenig Selbstmitgefühl.
Selbstmitgefühl
Was denke ich in zehn Jahren darüber?
Manchmal hilft es in einer Stresssituation auch, sich einfach zu fragen: Was werde ich wohl in zehn Jahren über diese Situation denken? Das rückt viele Dinge ins rechte Licht und schafft Distanz.