Neue TK-Studie: So einsam fühlt sich Schleswig-Holstein
Pressemitteilung aus Schleswig-Holstein
Kiel, 11. Dezember 2024. Studierende oder Senioren, Menschen auf dem Land oder in der Stadt, Alleinerziehende oder Menschen in einer Großfamilie: Einsamkeit kann jeden treffen - und belasten. In Schleswig-Holstein gibt fast jede bzw. jeder Zweite (49 Prozent) an, häufig, manchmal oder zumindest selten einsam zu sein. Jüngere sowie Menschen mit einem schlechteren Gesundheitszustand sind dabei häufiger von Einsamkeit betroffen. Das zeigt der TK-Einsamkeitsreport Schleswig-Holstein der Techniker Krankenkasse (TK), welcher heute in Kiel vorgestellt wurde.
"Unsere Befragung zeigt deutlich: Einsamkeit ist ein Thema in Schleswig-Holstein, das sich quer durch die Gesellschaft zieht", betont Sören Schmidt-Bodenstein, Leiter der TK-Landesvertretung Schleswig-Holstein. Umso wichtiger sei es, auf das Problem aufmerksam zu machen und Einsamkeit nicht zu unterschätzen. "Sich einsam zu fühlen und somit auch verletzlich zu zeigen, passt leider nicht in unsere Leistungsgesellschaft. Doch wir müssen Einsamkeit ernst nehmen. Denn im schlimmsten Fall kann das Gefühl auch schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben", so der Leiter der TK-Landesvertretung.
Einsamkeit kann auf die Gesundheit schlagen
Fast ein Viertel (24 Prozent) derjenigen, die das Gefühl von Einsamkeit kennen, fühlen sich davon eher stark oder sogar sehr stark belastet. Studien belegen zudem, dass Einsamkeit auf die Gesundheit schlagen kann (Bücker, 2022). Die Hintergründe erläutert Dr. Philipp Bergmann, Oberarzt Internistische Altersmedizin, Facharzt für Innere Medizin, Geriatrie und Palliativmedizin am UKSH: "Auch wenn Einsamkeit keine Krankheit ist, wirkt sie als fundamentaler Stressor, vergleichbar mit Hunger oder Schmerz. Wird dieses Warnsignal ignoriert und die Einsamkeit chronisch, kann sie zu Krankheit führen oder das empfundene Leiden einer Krankheit verstärken".
Die Studienergebnisse für Schleswig-Holstein weisen in dieselbe Richtung: Denn Menschen, die sich immer, manchmal oder zumindest selten einsam fühlen, geben häufiger an, an bestimmten Beschwerden zu leiden, als Befragte, die sich nie einsam fühlen. Besonders auffällig ist der Unterschied bei gesundheitlichen Problemen wie Schlappheit oder Müdigkeit (44 Prozent gegenüber 26 Prozent), unausgeglichene/niedergedrückte Stimmung (26 Prozent gegenüber 8 Prozent), Erkrankungen des Bewegungsapparates (56 Prozent gegenüber 45 Prozent), Erschöpfung (40 Prozent gegenüber 29 Prozent) sowie Kopfschmerzen oder Migräne (21 Prozent gegenüber 12). Mit Blick auf die Daten macht Sören Schmidt-Bodenstein deutlich: "Ob zuerst die Einsamkeit oder die Krankheit da war, wissen wir nicht. Aber Einsamkeit nicht nur als Symptom, sondern auch als Ursache zu verstehen, eröffnet neue Wege zur Prävention."
Einsamkeit: Noch immer ein Tabuthema?
Die wenigsten der befragten Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner, die sich einsam fühlen, sprechen auch darüber. 72 Prozent geben an, selten über das Gefühl zu sprechen oder dies noch nie getan zu haben. Bei Männern liegt der Anteil derjenigen, die sich selten oder nie mit anderen darüber austauschen, mit 79 Prozent noch einmal höher als bei den Frauen mit 65 Prozent. Als einen Grund für das Verschweigen von Einsamkeit geben Befragte - mit Einsamkeitsgefühlen, über die sie noch nie gesprochen haben - an, dass es ohnehin nicht helfen würde, darüber zu sprechen (52 Prozent). Außerdem möchte fast die Hälfte von ihnen niemanden damit belasten (46 Prozent). Zudem ist es einigen einfach unangenehm, darüber zu sprechen (23 Prozent).
Strategien gegen Einsamkeit
Was aber tun die einsamen Menschen in Schleswig-Holstein, wenn sie gerade niemanden haben, mit dem sie sich treffen oder austauschen können? Für die meisten der Befragten ist ein Spaziergang in der Natur hilfreich (74 Prozent). Auch Fernsehen (71 Prozent) oder sich um den Haushalt zu kümmern (70 Prozent), gehören zu den häufigsten Aktivitäten gegen Einsamkeitsgefühle. Dabei unterscheiden sich die Strategien der Männer und Frauen. Während das weibliche Geschlecht gerne auch mal ein Buch in die Hand nimmt (74 Prozent gegenüber 53 Prozent) oder sich um den Garten kümmert (64 Prozent gegenüber 51 Prozent), zocken die Männer vergleichsweise häufiger vor einem Bildschirm (23 Prozent gegenüber 13 Prozent) oder trinken ein Glas Wein oder ein Bier (21 Prozent gegenüber 11 Prozent).
Engagement gegen Einsamkeit
Im ganzen Land gibt es bereits viele Initiativen, um der Einsamkeit etwas entgegenzusetzen. Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter in Kiel bietet Vernetzungs- und Unterstützungsangebote für Eltern, die sich mit der ganzen Verantwortung alleingelassen fühlen. Der Landesseniorenrat Schleswig-Holstein setzt sich für die Belange der älteren Menschen in Schleswig-Holstein ein - und fordert einen Ausbau des ÖPNV und mehr Begegnungsräume, um eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben überhaupt zu ermöglichen. Die psychologische Beratung des Studentenwerkes in Lübeck kümmert sich um die Studierenden und der Verein Chronisch Glücklich e.V. setzt sich dafür ein, dass Menschen mit chronischen Erkrankungen nicht ausgeschlossen werden. Im Rahmen einer Interviewreihe haben wir mit Vertreterinnen und Vertretern der jeweiligen Gruppen zum Thema Einsamkeit gesprochen.
Auch das Kompetenznetz Einsamkeit setzt sich mit den Ursachen und Folgen von Einsamkeit auseinander. In einer Angebotslandkarte sind alle regionalen Angebote aufgelistet.
Hinweis für die Redaktion
Zur Studie: Die im Auftrag der TK durchgeführte Forsa-Befragung ist die erste umfassende repräsentative Einsamkeitsstudie für Schleswig-Holstein. Im Zeitraum 27. Mai bis 17. Juni 2024 befragte das Meinungsforschungsinstitut Forsa im Auftrag der TK insgesamt 1001 in Schleswig-Holstein ansässige Personen ab 18 Jahren zu ihren Erfahrungen mit Einsamkeit. Die Befragten repräsentieren den Querschnitt der volljährigen Bevölkerung in Schleswig-Holstein. Gewichtet wurde die Personenstichprobe nach Geschlecht, Alter und Bildung. Als Erhebungsmethode wurden computergestützte Telefoninterviews anhand eines strukturierten Fragebogens eingesetzt.
Als Quelle zu nennen bei Datenverwendung ist: TK-Einsamkeitsreport 2024 / Schleswig-Holstein Forschungen zum Thema Einsamkeit und Gesundheit: Bücker S. (2022). Die gesundheitlichen, psychologischen und gesellschaftlichen Folgen von Einsamkeit. Frankfurt: Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik/Kompetenznetz Einsamkeit.
Weitere Informationen
Alle Infografiken zu dem Einsamkeitsreport SH gibt es in der Mediathek