"Fünf Fragen an..." Prof. Dr. Peter Hillemanns
Interview aus Niedersachsen
Prof. Dr. Peter Hillemanns ist seit 2005 Direktor der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Im Interview spricht er darüber, weshalb eine frühzeitige Diagnose von Endometriose herausfordernd sein kann, welche Behandlungsoptionen es gibt und wie sich die Erkrankung auf das Wohlbefinden der Betroffenen auswirkt.

TK: Herr Prof.Dr. Hillemanns, im März, dem Monat der Endometriose, wird verstärkt auf diese Erkrankung aufmerksam gemacht. Welche diagnostischen Verfahren empfehlen Sie, um Endometriose zuverlässig zu erkennen ? Und was sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen bei der frühzeitigen Diagnose von Endometriose, und wie kann die medizinische Gemeinschaft hier besser aufklären?
Prof. Dr. Peter Hillemanns: Das Kardinalsymptom der Endometriose ist der starke Regelschmerz. Das wiederum macht es aber auch so schwierig, da Regelschmerzen sehr unterschiedlich ausgeprägt und auch unterschiedlich empfunden werden. Zudem gibt es auch Endometriose ohne Beschwerden. Die Wissenschaft sucht nach zuverlässigen Testverfahren, die zum Beispiel über eine Blutabnahme oder Abstrich Endometriose zuverlässig nachweisen können. Leider sind die bisherigen Verfahren noch nicht gut. Periodenschmerzen sind ernst zu nehmen. Die Pille kann die Schmerzen lindern. Den Nachweis kann man sonst nur mit Hilfe der Bauchspiegelung erbringen.
Periodenschmerzen sind ernst zu nehmen.
Prof. Dr. Peter Hillemanns

TK: Welche Rolle spielen operative Eingriffe in der Behandlung von Endometriose, und in welchen Fällen empfehlen Sie eine chirurgische Intervention?
Prof. Dr. Hillemanns: Für die Behandlung von Endometriose können hormonelle beziehungsweise medikamentöse Therapien oder operative Eingriffe eingesetzt werden, in Abhängigkeit vom Beschwerdebild aber auch in Abwägung der jeweiligen Vor- und Nachteile. Endometriose ist versprengte Gebärmutterschleimhaut, die sich an anderer Stelle einnistet und dort zu Miniblutungen bzw. reaktiv zu Vernarbungen führt. Zumeist ist das Bauchfell betroffen, allerdings können bei tiefinfiltrierender Endometriose auch Organe wie Darm, Harnleiter, Scheide, Blase betroffen sein. Mittels der Bauchspiegelung (Laparoskopie) können die Veränderungen verödet oder operativ entfernt werden, wobei auf die Erhaltung von Organen und Organfunktionen geachtet werden muss. Diese Operationen können teilweise auch komplex sein, zum Beispiel wenn der Harnleiter oder der Enddarm betroffen ist.
Diese Operationen können teilweise auch komplex sein, zum Beispiel wenn der Harnleiter oder der Enddarm betroffen ist.
TK: Welche Behandlungsmöglichkeiten stehen Patientinnen mit Endometriose zur Verfügung, und wie unterscheiden sich diese je nach Schweregrad der Erkrankung?
Prof. Dr. Hillemanns: Die Endometriose wird in Abhängigkeit vom Ausbreitungsgrad der Endometrioseherde und dem Organbefall in verschiedene Grade eingeteilt. Dies stimmt jedoch nicht immer mit Beschwerden oder Komplikationen überein. Neben der operativen Therapie spielt die hormonelle Therapie eine große Rolle. Ziel dieser endokrinen Therapie ist das Ausschalten der Periodenblutung. Diese Blutungsfreiheit gilt es über einen langfristigen und möglichst ununterbrochenen Zeitraum zu erhalten. In erster Linie wird ein sogenanntes Gestagen (Gelbkörperhormon) eingesetzt, in zweiter Linie kommen sogenannte kombinierte orale Kontrazeptiva (Pillenpräparate) und auch Präparate zur Unterdrückung der ovariellen Hormonfunktion (GnRH-Analoga) zum Einsatz.
TK: Wie beeinflusst Endometriose das allgemeine Wohlbefinden und die Lebensqualität der Betroffenen, und welche psychosozialen Aspekte sollten berücksichtigt werden?
Prof. Dr. Hillemanns: Das Spektrum der endometriosebedingten Beschwerden ist extrem vielfältig, beginnend von leichten Einschränkungen bis zu massiven Veränderungen im Lebensalltag, sodass die Lebensqualität extrem eingeschränkt werden kann. Die immer wieder auftretenden Schmerzen können zu einer Chronifizierung des Beschwerdebildes führen und damit nicht nur die betroffene Patientin, sondern auch Familie und Freundeskreis so wie auch die berufliche Arbeit erheblich beeinträchtigen. Daher ist es wichtig, die periodenabhängigen Schmerzen mit Verdacht auf Endometriose ernst zu nehmen und einer frühzeitigen Abklärung zuzuführen. Hierdurch kann in den meisten Fällen eine erhebliche Verbesserung der Beschwerdeproblematik und dann hierdurch auch der Lebensqualität erreicht werden.
Die immer wieder auftretenden Schmerzen können zu einer Chronifizierung des Beschwerdebildes führen und damit nicht nur die betroffene Patientin, sondern auch Familie und Freundeskreis so wie auch die berufliche Arbeit erheblich beeinträchtigen.
TK: Welche aktuellen Forschungsergebnisse oder Entwicklungen im Bereich Endometriose könnten in den kommenden Jahren zu neuen Behandlungsmethoden führen?
Prof. Dr. Hillemanns: Wünschenswert wäre für die Diagnostik einer Endometriose die Entwicklung eines empfindlichen Bluttests oder Nachweis über einen Vaginalabstrich. Verschiedene Analyseverfahren werden aktuell getestet. Aber zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht für die Routine einsetzbar. In dem Bereich der Behandlungsmethoden gibt es eine Reihe von neueren Hormontherapien, die als Tablette die Hormonproduktion der Eierstöcke stark bremsen und daher eine parallele Ergänzung mit Östrogenen erforderlich machen (orale GnRH-Antagonisten sowie selektive Hemmer des Gelbkörperrezeptors, selektive Progesteronrezeptormodulatoren). Diese wurden schon in klinischen Studien eingesetzt und zum Beispiel auch für die Behandlung von Myomen zugelassen. Solche medikamentösen Therapien sind in Zukunft auch für die Behandlung von Endometriose zu erwarten.
Solche medikamentösen Therapien sind in Zukunft auch für die Behandlung von Endometriose zu erwarten.
Zur Person
Univ.-Prof. Dr. med. Peter Hillemanns studierte von 1982 bis 1985 Humanmedizin an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und setzte sein Studium an der Universität Wien sowie an der Ludwig-Maximilians-Universität München fort. 1989 erlangte er das amerikanische Examen für Mediziner und promovierte 1990 an der Universität Wien im Bereich Molekularbiologie und Elektronenmikroskopie.
Nach seinem Grundwehrdienst als Stabsarzt von 1988 bis 1989 war er Assistenzarzt am Pathologischen Institut der LMU München. Von 1990 bis 1991 verbrachte er ein Forschungsstipendium an der Columbia University in New York. 1992 war er für die Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der LMU München tätig, wo er verschiedene Positionen innehatte, darunter die Leitung der Dysplasie-Sprechstunde und der gynäkologischen Onkologie. 2001 habilitierte er sich mit der Arbeit über neue Ansätze in der Diagnostik und Therapie intraepithelialer Neoplasien.
Seine Karriere führte ihn 2004 als Direktor an die Klinik für Frauenheilkunde und als stellvertretender Leiter des Tumorzentrums, der Friedrich-Schiller-Universität Jena und 2005 an die Medizinische Hochschule Hannover. 2010 leitet er das Trainingcenter für das European Board and College of Obstetrics and Gynaecology. 2012 ist Prof. Dr. Hillemanns stellvertretender Vorsitzender der Studiengruppe Kolposkopie e.V..
Hillemanns war zudem aktiv in der Erstellung von Leitlinien zur Prävention von Zervixkarzinomen und übernahm mehrere Führungsrollen, darunter die des Präsidenten der Norddeutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe von 2016 bis 2018. 2019 ist er Direktor des Comprehensive Cancer Center Hannover und engagiert sich in der nationalen Dekade gegen Krebs. 2019 engagiert er sich zudem in einer Arbeitsgruppe für Krebsprävention des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.