"Fünf Fragen an..." Dr. Martina Wenker
Interview aus Niedersachsen
Im Interview mit der Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen, Dr. Martina Wenker, spricht sie über die Auswirkungen des Klimawandels aus medizinischer Perspektive, Digitalisierung in der Gesundheitsversorgung und darüber, wie Patientinnen und Patienten in die richtige Versorgungsform gesteuert werden können.
TK: Frau Dr. Wenker, Sie treiben seit vielen Jahren das Thema Klimawandel und die Auswirkungen auf die Gesundheit in der Ärzteschaft voran. Woran merkt man aus medizinischer Sicht den Klimawandel?
Dr. Martina Wenker: Den Klimawandel merken wir tatsächlich schon in sehr vielen Bereichen, mit verschiedenen gesundheitlichen Auswirkungen. Die Anzahl von heißen Tagen mit mehr als 30 Grad Temperatur hat sich von 1951 bis 2023 verdreifacht - die Folge ist eine enorme gesundheitliche Belastung, vor allem für vulnerable Gruppen. In Bezug auf die Notfallversorgung steigt das Risiko für Hitzeschläge. Auch die Wirkung von Medikamenten verändert sich oder ebbt ab bei großer Hitze - dies gilt insbesondere für Blutdrucksenker und Entwässerungstabletten, Antibiotika und Schmerzmittel sowie Schlafmittel. Die Luftverschmutzung und damit die Belastung für die Lunge nimmt außerdem zu. Und nicht zuletzt beginnt die Pollensaison von Jahr zu Jahr früher und hält länger an.
TK: Welche Rolle können Ärztinnen und Ärzte in diesem Kontext spielen?
Dr. Wenker: Als Ärztinnen und Ärzte müssen wir vor allem unsere Patientinnen und Patienten aufklären sowie beraten - beispielsweise hinsichtlich der veränderten Arzneimittelwirkung oder auch zu hitzeadaptiertem Verhalten. Dazu gehören etwa Themen wie ausreichend Flüssigkeitszufuhr oder Vermeidung von körperlicher Aktivität an heißen Tagen. Darüber hinaus ist es wichtig, dass wir diese Themen auch in der Fort- und Weiterbildung etablieren und mit anderen medizinischen Berufsgruppen gemeinsam weiterentwickeln.
TK: Kommen wir zur ambulanten Versorgung. Kann die Digitalisierung helfen, den Herausforderungen in Niedersachsen zu begegnen?
Dr. Wenker: Ja, natürlich. Digitalisierung ist ein zentraler Schlüssel, um unsere Gesundheitsversorgung zukunftssicher aufzustellen, auch im ambulanten Bereich. Telemedizinische Angebote bringen Ärztinnen und Ärzte mit deren Patientinnen und Patienten ortsunabhängig zusammen - beispielsweise in der hausärztlichen Videosprechstunde. Der persönliche Kontakt soll dadurch nicht abgeschafft werden, aber gerade für uns als Flächenland bieten digitale Angebote eine sinnvolle Ergänzung. Vor allem über die jüngsten Entwicklungen in der telemedizinischen Notfallmedizin hier in Niedersachsen freue ich mich sehr.
Digitalisierung ist ein zentraler Schlüssel, um unsere Gesundheitsversorgung zukunftssicher aufzustellen, auch im ambulanten Bereich.
TK: Aktuelle Umfragen zeigen, dass die Qualität der Versorgung wichtiger ist als Wohnortnähe. Wie schaffen wir es, die Patientinnen und Patienten in die für sie passende Versorgungsform zu steuern?
Dr. Wenker: Im elektiven Bereich gibt es hier sehr viele gute Orientierungsmöglichkeiten für Patientinnen und Patienten - angefangen bei ärztlichen Empfehlungen seitens des niedergelassenen Facharztes beziehungsweise der Fachärztin oder Tipps aus dem sozialen Umfeld, etwa von Freunden und Familie, über digitale Auskunftsseiten bis hin zu den bewährten Qualitätsberichten und Zertifizierungen durch die Fachgesellschaften im stationären Bereich. Die Achillesferse ist weiterhin die Patientensteuerung in der Notfallversorgung. Diese kann nur sektorübergreifend unter strukturierter Einbindung aller Versorgungsstufen gelingen. Hier haben wir als Ärztekammer Niedersachsen in einem Positionspapier klare Forderungen erhoben - diese betreffen insbesondere die Themen Kommunikation, integrierte Leitstellen, integrierte Notfallzentren, Fahrdienst, Rettungsdienst sowie Gesundheitskompetenz.
Im elektiven Bereich gibt es hier sehr viele gute Orientierungsmöglichkeiten für Patientinnen und Patienten.
TK: Und noch eine persönliche Frage zum Schluss: Ein wirksames Mittel, um gesund und fit zu sein ist es, sich regelmäßig zu bewegen. Viele Menschen nutzen dabei Fitnesstracker, um ihre Vitalwerte zu prüfen. Wie halten Sie es mit solchen Messgeräten?
Dr. Wenker: Ich persönlich treibe gerne und regelmäßig Sport, und zwar unabhängig von jedweden elektronischen Devices. Für mich steht die Freude an der Bewegung, am besten in frischer Luft, und der Erhalt eines gesunden eigenen Körpergefühls an erster Stelle!
Zur Person
Dr. med. Martina Wenker, geboren 1958, ist seit 2006 Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen. Die Fachärztin für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde hat sich in den Bereichen Allergologie, Umweltmedizin, Schlafmedizin und Qualitätsmanagement weitergebildet. Von 2011 bis 2019 war Wenker außerdem Vizepräsidentin der Bundesärztekammer und engagiert sich auf Bundesebene als Mitglied des BÄK-Vorstands weiterhin unter anderem für umweltmedizinische und medizinethische Themen.