"In der Regel hängt die Form der Behandlung davon ab, wohin der Patient sich wendet."
Interview aus Bremen
Wir haben im Interview mit dem Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Bremen erörtert, wie das Projekt "IP-Wunde" die Versorgung von Betroffenen optimieren kann.
TK: Wie ist es zu diesem Projekt gekommen, was war der Ausgangspunkt?
Dr. Bernhard Rochell und Peter Kurt Josenhans: Chronische Wunden sind für Betroffene ein großes Problem. Langwierige Behandlungen mit häufig großen Schmerzen, direkte Folgen können bis hin zu Amputationen gehen, die Sterblichkeit ist erhöht und häufig entstehen auch seelische Erkrankungen. Die Lebensqualität wird stark eingeschränkt. Eine adäquate ganzheitlichen medizinische und pflegerische Versorgung unter Berücksichtigung der Krankengeschichte ist dann absolut entscheidend, da chronische Wunden immer im Zusammenhang mit anderen Erkrankungen stehen, z.B. Diabetes, Durchblutungsstörungen oder Immunschwächen.
Die Versorgung chronischer Wunden verteilt sich heute auf verschiedene Akteure in haus- und fachärztlichen Praxen, Pflegediensten etc., in der (klassischen) Wundbehandlung mit hohem Einsatz an Wundversorgungsprodukten aber auch in Krankenhäusern mit technischer Unterstützung (z.B. Vakuumversiegelungstherapie, Ultraschalltherapie, Magnetfeldtherapie). In der Regel hängt die Form der Behandlung davon ab, wohin der Patient sich wendet. Das kann Nachteile für den Patienten mitbringen, wenn dadurch eine für den speziellen Fall optimale Versorgung ausbleibt. Der Anstoß zu unserem Projekt kam von der AOK Bremen/Bremerhaven, da dort der Wunsch nach einer Verbesserung der Effizienz und Koordination der Versorgungsstrukturen entstand. Aus Sicht der KVHB stellten sich die gleichen Fragen, kurz gesprochen: Wie können wir Orientierung für Betroffene und für Praxen bieten? Die Idee, dies in einem Projekt zu untersuchen und zu beantworten, war geboren.
TK: Wer soll sich durch dieses Projekt angesprochen fühlen?
Rochell und Josenhans: Patienten und deren Behandler selbstverständlich! Das Projekt gliedert die Versorgung in zwei Ebenen, mit denen die Infrastruktur und Prozesse dezentral und regelversorgungsnah in Bremen neu aufgestellt werden: Flächendeckend werden Behandlernetzwerke als interdisziplinäre Teams spezialisierter Ärzte sowie qualifizierter Wundmanager in spezialisierten Wundpraxen etabliert. Die gesamte Versorgung erfolgt im Behandlernetzwerk. Als Primärversorger werden flächendeckend praktische Ärzte, Allgemeinärzte und Internisten, Ärzte mit Facharztweiterbildungen im Gebiet Chirurgie, Orthopäden, Neurochirurgie, MKG-Chirurgen, Gynäkologen, sowie Dermatologen mit Wundpatienten eingebunden. Dienstleistungsunternehmen (z.B. Homecare Unternehmen) sind nicht Teil des Behandlernetzwerks. Gemeinsame Ziele der Vertragsparteien sind: Implementierung einer integrierten Wundversorgung im Land Bremen, eine verbesserte Wundversorgung, stärkere Patientenorientierung, verbesserte Kosteneffizienz, flächendeckende Angebote, geeignete Prozesse sowie eine digitale Infrastruktur für die Prozessführung zur Verbesserung der Kommunikation zwischen den Primärversorgern und den spezialiesierten Wundpraxen. Wie erfolgreich diese Ansprache und die Umsetzung sein wird, erfahren wir auch durch Feedback aus dem Projektbeirat. Dieses mit unterschiedlichen Akteuren aus dem Bremer Gesundheitswesen besetzte Gremium unter Vorsitz der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz, Frau Claudia Bernhard, wird uns regelmäßig mitteilen, wie das Projekt in der realen Versorgung tatsächlich angenommen wird und uns neue Impulse mit auf den Weg geben.
TK: Die Universität Bremen ist mit dem Kompetenzzentrum für Klinische Studien Bremen (KKSB) für die wissenschaftliche Evaluation der neuen Versorgungsform verantwortlich und führt die Datenerhebung und Datenauswertung in der, das Projekt begleitenden Studie durch. Welches Ergebnis erhoffen sie sich aus der Studie?
KVHB Vorstand: Wir haben uns hohe Ziele gesteckt. Wir erwarten eine deutliche Verbesserung des medizinischen Outcomes und sehen dafür auf verschiedene Erfolgsfaktoren: Zeitverlauf bis zum Vorliegen einer differentialdiagnostisch begründeten Therapieplanung, Reduktion von Wundgröße, Wundschmerz und Komplikationen; Höhere Zufriedenheit und Lebenserwartung der Patienten; Kostenreduktion für Material und bei stationärer Versorgung bei gleichzeitiger Verringerung der Gesamtkosten. Das betrachtet für uns die Universität als unabhängiger Evaluator im Vergleich zu Kontrollgruppen. Wir haben aber auch darüber hinaus klare Erwartungen: Wir möchten eine hohe Teilnahme der Arztpraxen im Bezirk der KV Bremen mit guter Akzeptanz und Zufriedenheit mit den Versorgungsprozessen erreichen. Und wir wollen das Versorgungsangebot breit zugängig gestalten. Deshalb ist der Beitritt weiterer Krankenkassen ausdrücklich von den Projektinitiatoren vorgesehen und erwünscht! Wir freuen uns, dass die Techniker Krankenkasse das Versorgungsangebot auch Ihren Versicherten nun anbietet und sich an dem Projekt beteiligt!
Zu den Personen Dr. Bernhard Rochell und Peter Kurt Josenhans, KVHB