"Es ist natürlich ein komisches Gefühl!"
Interview aus Saarland
Nach 18 Jahren an der Spitze der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Saarland endet 2022 die Amtszeit von Dr. Gunter Hauptmann. Im Interview erklärt er uns, auf welche Errungenschaften er besonders stolz ist, welche Chancen er in dem Führungswechsel sieht und welchen Rat er den Nachfolgern mitgeben möchte.
TK: Sehr geehrter Herr Dr. Hauptmann, Ihre Amtszeit als KV-Vorstandsvorsitzender im Saarland endet am 31.12.2022. Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf diesen Tag?
Dr. Gunter Hauptmann: Es ist natürlich ein komisches Gefühl, denn aktuell dreht sich im Leben alles um die KV - auch wenn meine Frau das sicher etwas anders sieht. Man überlegt Tag und Nacht und macht sich seine Gedanken. In der jetzigen Situation drehen sich die Gedanken vor allem darum, was wollen und können wir in unserer Amtszeit noch umsetzen und was sollten wir lieber dem neuen Vorstand und der neuen Vertreterversammlung überlassen. Da ist noch einiges auf die Schiene zu setzen. Von daher ist es schon ein komisches Gefühl.
TK: Insgesamt 18 Jahre haben Sie die KV an der Saar geführt. Welche positiven, aber auch negativen Erinnerungen haben sich aus dieser Zeit in Ihr Gedächtnis gebrannt? Gibt es Errungenschaften, auf die Sie besonders stolz sind?
Dr. Hauptmann: Die Planung und Einführung einer Test-Onlineabrechnung war schon eine Hausnummer. Da wurde ich bei einer Veranstaltung in der Congresshalle auch persönlich angegriffen - über- und unterhalb der Gürtellinie. Das war nicht schön, ich hatte auch wenig bis gar keine öffentliche Unterstützung durch die Kollegenschaft. Aber Im Nachhinein muss ich sagen: Es hat sich absolut gelohnt! Inzwischen sind viele Kolleginnen und Kollegen von der Testabrechnung überzeugt und sagen, das vereinfacht die Arbeit. Auch andere KVen schauen sich diese Funktion an, weil sie diese übernehmen wollen. Das ist dann doch ein schönes Gefühl. Das vielleicht als eins von vielen Dingen, die meisten anderen habe ich vergessen, weil das einfach meine Arbeit ist.
TK: Welche Erwartungen haben Sie an Ihren Nachfolger, wenn er dann im Oktober von der neuen Vertreterversammlung (VV) gewählt ist?
Dr. Hauptmann: Das ist eine schwierige Frage, weil Erwartungen habe ich eigentlich nicht. Wer den Job kriegt, muss den genauso gut machen wie wir auch. Ich habe aber schon einen Rat, den ich den Nachfolgern dann mitgeben will. Es gibt zwei Punkte, auf die man besonders achten muss: Das Erste ist eine gute Zusammenarbeit innerhalb des Vorstandes, die erreicht man nur durch ständige gegenseitige Information und Diskussion. Es ist auch normal, dass beide Vorstände nicht immer die gleiche Meinung haben, aber der Wille zur Zusammenarbeit muss über allem stehen. Und das Zweite ist, dafür zu sorgen, gut mit der Vertreterversammlung zusammenzuarbeiten und stets für die notwendige Transparenz zu sorgen. Idealerweise, bevor diese angemahnt wird. Wichtig ist auch, innerhalb der VV für eine gute Zusammenarbeit zu sorgen und eine Spaltung - zum Beispiel in Haus- und Fachärzte - zu verhindern. Hier spielt der Vorsitzende der Vertreterversammlung eine ganz wichtige Rolle.
TK: In der VV gibt es mit der Neuwahl einen kleinen Umbruch und Generationenwechsel. Welche Chancen sehen Sie darin?
Dr. Hauptmann: Ich denke nicht, dass es dadurch besser oder schlechter wird. Es wird halt anders. Wichtig ist, dass auch die neue Generation schaut, was klappt gut, was sind unsere Aufgaben, und wie arbeitet man vernünftig kollegial zusammen. Als Vorstand muss man der Vertreterversammlung gute Rahmenbedingungen schaffen, so wie wir das getan haben.
TK: Wie kann die niedergelassene Ärzteschaft im Saarland den aktuellen Fachkräftemangel kompensieren - sowohl bei der Nachbesetzung von Arztsitzen als auch bei den Medizinischen Fachangestellten (MFA)?
Dr. Hauptmann: Bei den Hausärzten greifen die aktuellen Maßnahmen schon ganz gut. Diese muss man nun nach und nach auf den Facharztbereich übertragen, denn da wird es in vielen Fachgebieten Probleme geben, besonders bei den Nervenfächern und den Dermatologen. Wir müssen da mehr fördern und darüber reden. Beispielsweise müssen wir auch an Fachärzte in der stationären Weiterbildung herankommen, um die Vorteile einer Niederlassung aufzuzeigen. Insgesamt haben wir dafür einen großen Instrumentenkasten.
Nach unserem Kenntnisstand bilden nur etwa 30 Prozent der Praxen selbst aus. Aber das ist die beste Quelle, um als Praxis neue MFA zu bekommen.
Bei den MFA haben wir erste Schritte unternommen, zum Beispiel die MFA-Börse, also ein Stellenportal geschaffen. Außerdem hat der Vorstand eine MFA-Beratungskommission eingerichtet. Das ist eine Gruppe von erfahrenen, leitenden MFA aus verschiedensten Praxen, mit denen wir uns regelmäßig treffen, um Erfahrungen aus der Praxis zu sammeln und daraus Ideen zu entwickeln. So haben wir vor Kurzem eine Plakat-Aktion für die Praxen gestartet, mit dem Hinweis "Wir bilden aus!". Das lesen dann die Eltern und geben die Info an den Nachwuchs weiter. Außerdem sind wir mit der Ärztekammer an dem Thema dran und versuchen die Ärztinnen und Ärzte dafür zu sensibilisieren, selbst auszubilden. Nach unserem Kenntnisstand bilden nur etwa 30 Prozent der Praxen selbst aus. Aber das ist die beste Quelle, um als Praxis neue MFA zu bekommen.
Da muss ganz viel passieren. Wir bekommen jetzt schon wöchentlich Anrufe von Kolleginnen und Kollegen, die Sprechstundenzeiten reduzieren müssen, weil sie kein Personal haben.
TK: Wie müssen sich aus Ihrer Sicht die ambulanten und stationären Versorgungsstrukturen im Saarland entwickeln, um weiter zukunftsfähig zu sein?
Besonders die Kommunikation untereinander muss einfach und schnell von statten gehen. Hierzu kann Digitalisierung ein ganz wichtiges Werkzeug werden.
Dr. Hauptmann: Einen wichtigen Faktor haben wir mit dem Thema Nachwuchsgewinnung gerade angesprochen. Ein weiteres Thema ist die Optimierung der Zusammenarbeit. Da haben wir uns ja viel von der Digitalisierung versprochen. Leider ist dieser Effekt bisher noch nicht eingetreten. Die Ärzte warten dringend auf Lösungen, die Ihnen die Arbeit erleichtern und nicht nur zusätzlichen Aufwand verursachen. Besonders die Kommunikation untereinander - von Praxis zu Klinik, Klinik zu Praxis oder Praxen und Kliniken untereinander muss einfach und schnell von statten gehen. Hierzu kann Digitalisierung ein ganz wichtiges Werkzeug werden. Stand heute sehe ich keine Anwendung, die die Arbeit in der Praxis wirklich erleichtert.
TK: Wie würden Sie Ihr Verhältnis zu den Kostenträgern beschreiben, mit deren Vertretern Sie teilweise seit Jahrzehnten verhandeln?
Dr. Hauptmann: Das Verhältnis ist im Saarland aus meiner Sicht exzellent. Wir können über alles reden und das gegenseitige Verständnis ist da. Beide Seiten haben Ziele und Bedürfnisse, unterliegen aber auch jeweils eigenen Zwängen. Das ist oft frustrierend und oft ist am Ende jede Seite irgendwie unzufrieden. Aber auch das gehört eben dazu. Sehr schade und sehr hemmend ist allerdings die Tatsache, dass die regionalen Vertrags- und Verhandlungsspielräume seit Jahren immer kleiner werden. In den meisten Fällen wird nach Berlin geschaut, was die Kassenärztliche Bundesvereinigung und GKV- Spitzenverband beschließen und neuerdings auch nach Bonn zum Bundesamt für Soziale Sicherung.
TK: Eine persönliche Frage zum Abschluss. Sie werden nach Ende Ihrer Amtszeit zwar weiter in Teilzeit als Gynäkologe praktizieren, doch was haben Sie in Ihrer dann länger werdenden Freizeit vor?
Ich habe noch überhaupt keinen Plan. Es ist ja auch spannend zu sagen, schauen wir mal….
Dr. Hauptmann: Das weiß ich noch nicht. In jedem Fall stehe ich nicht für Tätigkeiten, die mit meinem bisherigen Berufsleben zusammenhängen, zur Verfügung. Also keine Gremien, keine Beratertätigkeit. Da ist für mich Schluss. Wenn man etwas 18 Jahre gemacht hat, dann neigt man dazu, das Gefühl zu haben, alles besser zu wissen. Und dann bringt man alte Ideen in Gremien ein, wo eigentlich ja ein neuer Wind rein soll. Das mache ich nicht.
Was ich sonst mache… Da könnte ich jetzt spaßeshalber sagen, meine Frau weiß es vermutlich schon. Aber ich habe noch überhaupt keinen Plan. Es ist ja auch spannend zu sagen, schauen wir mal….
TK: Dabei viel Spaß und vielen Dank für das Gespräch.
Zur Person
Sanitätsrat Dr. Gunter Hauptmann ist praktizierender Gynäkologe, der sich 1990 in Saarbrücken niedergelassen hat. Seit 2005 führt er die Kassenärztliche Vereinigung Saarland als Vorstandsvorsitzender. Er war nicht mehr zur erneuten Wiederwahl angetreten. Damit endet seine Amtszeit am 31.12.2022.