Von vertrauensvoller Zusammenarbeit und notwendigen Reformen
Interview aus Saarland
Dr. Michael Schröder ist seit Dezember 2023 neuer Vorsitzender der Saarländischen Pflegegesellschaft. Im Interview geht er auf die aktuelle Situation im Saarland ein und erläutert, warum flexible und kreative Konzepte gebraucht werden. Außerdem betont er, dass die Digitalisierung eine entlastende Rolle einnehmen kann.
TK: Sehr geehrter Herr Dr. Schröder, Sie sind seit Dezember 2023 Vorstandsvorsitzender der Saarländischen Pflegegesellschaft. Wie verlief der Start in die neue Rolle und welche Themen wollen Sie vorantreiben?
Dr. Michael Schröder: Da ich bereits seit 1998 Mitglied im Vorstand der Saarländischen Pflegegesellschaft bin und bereits stellvertretenden Vorsitzender war, wusste ich was auf mich zu kommt und hatte somit einen geschmeidigen Übergang in diese Rolle. Allerdings sind die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen in der Pflege so groß und dringend, dass auch keine Zeit zur Einfindung gegeben ist. Gleiches gilt für die Themen, die nicht gesucht werden müssen, sondern sich rund um den aktuellen und weiter zunehmenden Personalmangel drehen.
TK: Was läuft in der Pflege im Saarland aktuell gut und wo sehen Sie die größten Baustellen?
Dr. Schröder: Im Saarland gibt es seit vielen Jahren zwischen den verantwortlichen Akteuren und Verhandlungspartnern eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit, die tatsächlich bestrebt ist, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass eine gute Pflege möglich ist. Den Rahmen gibt allerdings das Bundesrecht vor und damit sind wir auch schon bei einer zentralen Baustelle: Die Pflegeversicherung muss dringend reformiert werden, einerseits um die hohe Belastung der pflegebedürftigen Menschen mit Eigenanteilen deutlich zu verringern und andererseits, um das Gesetz zu vereinfachen und wieder verständlicher zu machen. Die größte Baustelle ist, wie erwähnt, aber natürlich der Fach- und Arbeitskräftemangel, der zahlreiche Folgeprobleme wie fehlende Angebote für pflegebedürftigen Menschen und wirtschaftliche Probleme für die Pflegeeinrichtungen mit sich bringt.
TK: Welche Maßnahmen könnten aus Ihrer Sicht relativ zügig zu einer Verbesserung der Personalsituation beitragen? Kann die Digitalisierung hier eine wichtige Rolle spielen?
Was wir brauchen, sind daher vor allem kreative und flexible Versorgungskonzepte, in denen vorhandenes Personal flexibler und über die bisherigen Sektorengrenzen hinaus eingesetzt werden darf.
Dr. Schröder: Einfache und schnell wirksame Maßnahmen gibt es hier leider nicht und angesichts der zeitgleichen Entwicklung, dass die Zahl der pflegebedürftigen Menschen deutlich zunehmen wird und die in der Pflege beschäftigten geburtenstarken Jahrgänge sukzessive in den Ruhestand gehen, wird eine personelle Lücke auf absehbare Zeit gegeben sein. Diese muss durch verstärkte Ausbildungsanstrengungen und vereinfachte Zuwanderung so gering wie möglich gehalten werden. Was wir brauchen, sind daher vor allem kreative und flexible Versorgungskonzepte, in denen vorhandenes Personal flexibler und über die bisherigen Sektorengrenzen hinaus eingesetzt werden darf. Die Möglichkeiten eines Gesamtversorgungsvertrages und sozialraumorientierte Unterstützungsansätze sind auszuschöpfen. Die Digitalisierung kann dabei eine wichtige entlastende und unterstützende Rolle einnehmen, aber eben kaum eine zuwendungsorientierte menschliche Pflege ersetzen.
TK: Wie bewerten Sie die Konzertierte Aktion Pflege im Saarland bisher? Welche Hoffnungen legen Sie in die Aktion?
Dr. Schröder: Angesichts der beschriebenen Herausforderungen ist eine solch breit angelegte Aktion und die hohe Beteiligung aus allen relevanten Bereichen sehr zu begrüßen. Sie schafft die Möglichkeit, viele Erfahrungen und Ideen für Lösungsansätze zu generieren. Wir hoffen natürlich, dass dann auch konkrete Maßnahmen umgesetzt werden. Letztlich wird man diese Aktion, wie die konzertierten Aktionen auf der Bundesebene auch, an ihrem Erfolg messen müssen.
TK: Eine wichtige Frage zum Abschluss. Warum sollte man sich für einen Beruf im Bereich Pflege entscheiden?
Dr. Schröder: Der Pflegeberuf ist, wie alle sozialen Berufe, ein menschlich höchst interaktiver Beruf mit vielfältigen Kompetenzen und unmittelbarer positiver Resonanz der Menschen, die diese Unterstützung benötigen. Er wird in Zukunft verstärkt gebraucht und in seiner gesellschaftlichen Bedeutung weiter zunehmen und kann, anders als in vielen anderen Branchen, kaum durch künstliche Intelligenz ersetzt werden.