KI und Big Data ermöglichen qualitative Versorgung in der Fläche
Interview aus Schleswig-Holstein
Digitale Innovation und Transformation im Gesundheitswesen sind nur machbar, wenn sie von der Politik aktiv unterstützt werden. Welche Potenziale Prof. Schultz, Inhaber der Professur für Technologiemanagement an der CAU, für Schleswig-Holstein sieht, erläutert er im Interview.
TK: Sehr geehrter Herr Professor Schultz, welche Chancen bieten KI, Big Data und Co. für das Gesundheitswesen, die Patientinnen und Patienten und für das Land Schleswig-Holstein?
Prof. Dr. Carsten Schultz: Datenbasierte Optimierungen der Gesundheitsversorgung bis hin zu gänzlich neuen Dienstleistungen werden ohne Frage die Zukunft eines patientenorientierten Gesundheitswesens sein. Stärker als bisher werden KI unterstützte Diagnosen und Therapieentscheidungen eine hoch qualitative Versorgung auch in der Fläche ermöglichen, ohne dass Patientinnen und Patienten auf ein vor Ort vorhandenes Versorgungsangebot angewiesen sind. Diese Relevanz nimmt für chronische und seltene Krankheitsbilder noch zu. Gerade Flächenländer wie Schleswig-Holstein werden daher aufgrund eines zu erwartenden Ausdünnens des ärztlichen Angebotes in der Fläche profitieren.
Stärker als bisher werden KI unterstützte Diagnosen und Therapieentscheidungen eine hoch qualitative Versorgung auch in der Fläche ermöglichen, ohne dass Patientinnen und Patienten auf ein vor Ort vorhandenes Versorgungsangebot angewiesen sind.
TK: Sie forschen und beraten u.a. zur Innovationsfähigkeit von Organisationen. Mit Blick auf die Gesundheitswirtschaft und das Versorgungssystem bei uns: Kann der Norden Innovation?
Prof. Schultz: Der Norden kann genauso viel Innovation wie andere Regionen in Deutschland. Aber leider stehen den erfolgreichen Innovationen Barrieren auf unterschiedlichen Ebenen gegenüber - angefangen von strukturellen Defiziten durch die Begrenzungen des Finanzierungssystems und mangelnder Innovationsanreize des Gesetzgebers, über begrenzte Kompetenzen im Innovations- und Changemanagement der Gesundheitsversorger aller Sektoren bis hin zu individuellen Vorbehalten vieler Pflegekräfte, Ärztinnen und Ärzte und sonstigen Dienstleister zum Beispiel aufgrund eigener negativer Erfahrungen.
TK: Was sind die Erfolgsfaktoren gelungener digitaler Transformation? Und was kann eine Landesregierung unterstützend tun?
Prof. Schultz: Digitale Innovation und Transformation sind machbar, wenn die durch ein professionelles Innovationsmanagement unterstützt werden. Dazu zählt unter anderem die Entwicklung einer Innovationsstrategie, damit digitale Innovationen nicht zufällig stattfinden, das Schaffen einer Innovationskultur, welche die Offenheit und das Verständnis für digitale Innovation in allen Mitarbeitergruppen schafft sowie die Definition einer Struktur für Innovation. Dabei sollte der Fokus auf der einrichtungs- und sektorenübergreifenden Innovation gelegt werden, was den Aufbau offener Innovationsprozesse erfordert. Ergänzend zu den bestehenden Initiativen sollte die Landesregierung daher genau hier verstärkt unterstützen - durch den Aufbau von Kompetenzen im Innovationsmanagement auch und gerade in Netzwerken.
TK: Die neue Landesregierung plant, bestehende Möglichkeiten der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) besser zu nutzen. Wie würden Sie die Politik beraten, um die datenbasierte Forschung im Gesundheitsbereich zu verbessern?
Prof. Schultz: Beispiele wie im Baltikum zeigen, wie die bestehenden gesetzlichen Regeln eingehalten werden können, ohne die Potentiale von Gesundheitsdaten ungenutzt zu lassen. Wir müssen weg von der Sicht des Datenschutzes als Veränderungsfeind hin zum Datenschutz als Unterstützer digitaler Innovation. Dazu zählt zum Beispiel die Stärkung genossenschafts-ähnlicher Ansätze, welche es Bürgerinnen und Bürgen ermöglichen, ihre Gesundheitsdaten für Innovationen zur Verfügung zu stellen.
Wir müssen weg von der Sicht des Datenschutzes als Veränderungsfeind hin zum Datenschutz als Unterstützer digitaler Innovation.
TK: Zum Abschluss ein kleiner Blick in die Glaskugel: Wie wird die digitale Transformation die Gesundheitsversorgung in Deutschland - und speziell in Schleswig-Holstein - in zehn Jahren verändert haben?
Prof. Schultz: Wir werden die oben skizzierten Potentiale genutzt haben und die dafür notwendigen Kompetenzen aufgebaut haben. Gleichzeitig werden sich mehr Unternehmen gegründet und angesiedelt haben, die diese guten Rahmenbedingungen für ihre verantwortungsvollen Innovationen erfolgreich nutzen.