#Chefinsache zu Reformen im stationären Sektor
Interview aus Mecklenburg-Vorpommern
Im Interview erläutert Manon Austenat-Wied, welche Maßnahmen die stationäre Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern kurzfristig verbessern könnten.
Die Krankenhauslandschaft Mecklenburg-Vorpommerns steht vor einigen Herausforderungen. In der medialen Öffentlichkeit dominieren Diskussionen über kleinere Krankenhäuser, die sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinden.
TK: Frau Austenat-Wied, oft werden zu viele Krankenhausstandorte in unmittelbarer örtlicher Nähe als Ursache für wirtschaftliche Probleme ausgemacht. Trifft dies auch auf Mecklenburg-Vorpommern zu?
Manon Austenat-Wied: Die Anzahl der Krankenhausstandorte hat sich in Mecklenburg-Vorpommern seit den 1990er Jahren bereits stark reduziert. Abgesehen von Einzelfällen gibt es selten Erscheinungen, die auf einen ruinösen Wettbewerb hindeuten. Bei der gegenwärtigen Anzahl an Krankenhäusern pro Quadratkilometer Landesfläche dürften personelle Abwerbeeffekte vor allem an internen Faktoren, wie der Kultur der Zusammenarbeit in den Einrichtungen, liegen und nicht an lokalen Wettbewerbsgeschehen.
TK: Bedeutet dies im Umkehrschluss, dass Mecklenburg-Vorpommern zu wenig Krankenhäuser für die Größe des Landes hat?
Austenat-Wied: Nein. Die Anzahl der Einrichtungen ist für die geringe Bevölkerungsanzahl mehr als ausreichend. Außerdem verfügt Mecklenburg-Vorpommern über zwei exzellente Universitätskliniken und zwei weitere Maximalversorger. Die stationären Einrichtungen in unserem Bundesland haben vor allem Nachholebedarf im Bereich der bedarfsorientierten Ausrichtung.
TK: Wie könnten diese beiden Aspekte gewährleistet werden?
Austenat-Wied: Damit die qualitativ hochwertige und bedarfsnotwendige Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern auch zukünftig gelingen kann, braucht es eine sektorenübergreifende Gesamtversorgungsplanung. Die bisherigere stetige Fortschreibung des Krankenhausplans kann keine Versorgungsverbesserungen in die Wege leiten und macht die Krankenhausversorgung auch nicht effizienter. Ich werde nie müde zu betonen, dass die "Enquete-Kommission zur Zukunft der medizinischen Versorgung" in der vergangenen Legislaturperiode ein umfangreiches Maßnahmenpaket verabschiedet hat. Nahezu alle Akteurinnen und Akteure des Gesundheitswesens haben sich konstruktiv an diesem Gremium beteiligt. Mit der "Gesundheitskommission M-V" greift das Gesundheitsministerium unseres Landes diesen Faden nun auf. Dabei stehen zunächst die Themen Prävention, Gesundheitsförderung und Geburtshilfe im Vordergrund. Allerdings hoffe ich, dass die Themen Krankenhausstruktur und Versorgungsplanung schnell folgen.
TK: Hat die "Gesundheitskommission M-V" aus Ihrer Sicht die Kraft, um die notwendigen Maßnahmen einzuleiten?
Austenat-Wied: Da bin ich mir noch nicht sicher. Für eine große Krankenhausreform brauchen wir eine kontinuierliche und zielgenaue Zusammenarbeit. Dabei müssten tradierte Strukturen verändert werden und dies ist in der Regel der Knackpunkt. Immer noch zu häufig dominiert die Besitzstandswahrung den Modus Operandi und selbstverständlich bräuchte es dazu auch gesetzgeberische Aktivitäten auf Bundesebene. Allerdings bin ich grundsätzlich ein optimistischer Mensch. Daher glaube ich, dass wir als Verantwortliche in Mecklenburg-Vorpommern die inhaltliche Grundlage schaffen können, die von den politischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern in kluge und durchdachte Gesetze gegossen wird.
TK: Welche Reformansätze wären aus Ihrer Sicht denn am vielversprechendsten, um die Krankenhauslandschaft zu reformieren?
Austenat-Wied: Ich bin davon überzeugt, dass eine leistungsfähige und qualitativ hochwertige Krankenhauslandschaft nur existieren kann, wenn auch das Gesamtsystem effizient funktioniert. Daher liegt die Lösung für einen modernen stationären Sektor auch nicht nur in diesem Leistungsbereich selbst. Dennoch ist es wichtig, die akuten Probleme in der stationären Versorgung schnellstmöglich anzugehen. Natürlich brauchen wir kurzfristig schnelle Hilfe in der Pädiatrie und Geburtshilfe. Wenn wir eine auskömmliche Finanzierung in diesem Leistungsbereich etablieren wollen, geht dies am schnellsten mit einem neuen Mix aus Fallpauschalen, Vorhaltekosten und Qualitätszuschlägen. Die Erstattung von Vorhaltekosten hat meiner Meinung nach ohnehin noch viel mehr Potenzial. Allerdings wäre es bei der Einführung einer Kostenerstattung für vorgehaltene Strukturen wichtig, dass die finanziellen Mittel zielgenau eingesetzt werden. Dafür braucht es eine moderne und bedarfsorientierte Krankenhausplanung.
TK: Wenn Sie über eine bedarfsorientierte Planung sprechen, meinen Sie mehr als nur Leistungsangebote im stationären Bereich.
Austenat-Wied: Wir haben im gesamten Gesundheitssystem noch erhebliche Verbesserungsmöglichkeiten. Damit die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2025 besser versorgt sind als gegenwärtig, sollten Anpassungen in allen Versorgungssektoren durchgeführt werden. Der grundlegende Anspruch sollte es aus meiner Sicht sein, die Versorgung ambulanter und digitaler auszurichten. Denn so können die Versorgungsbedarfe am effizientesten und mit wenig Aufwand auf Seiten der Patientinnen und Patienten bedient werden. Weitere Innovationsmöglichkeiten, die wir noch stärker im Gesundheitswesen etablieren sollten, sind datenbasierende Versorgungsangebote. Je besser die Daten sind mit denen wir Versorgungsstrukturen planen und die Patientenbedarfe einschätzen können, desto passgenauer können diese letztlich die realen Versorgungsanliegen der Menschen in unserem Bundesland bedienen.
TK: Wie lange wird es dauern, bis die Verbesserungen bei den Patientinnen und Patienten ankommen?
Austenat-Wied: Ich hoffe, dass die ersten Verbesserungen zügig in der Versorgungsrealität ankommen. Allerdings müssen wir auch realistisch sein. Die Reformbedarfe sind groß und gesetzgeberische Veränderungen brauchen immer etwas Zeit. Innovationen, die ohne Anpassung des gesetzlichen Rahmens auskommen, dürften noch schneller funktionieren. Vor wenigen Tagen fanden die ersten Arbeitsgruppensitzungen der Gesundheitskommission M-V statt. Der ausgesprochen konstruktive und kreative Austausch der Akteurinnen und Akteure hat meiner Ansicht nach gezeigt, dass Alle bereit sind ihre gewohnten Pfade zu verlassen und neue Lösungen an den Start zu bringen. In diesen Prozess bringen wir uns natürlich engagiert ein und entwickeln auch eigenständig Lösungen für eine bessere Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern. Ich denke die ersten Strukturveränderungen, z. B. die Etablierung regionaler Gesundheitszentren, werden bereits im nächsten Jahr positive Versorgungseffekte bei den Menschen im Land erzielen.