Regionalität in der Gesundheitsversorgung
Artikel aus Mecklenburg-Vorpommern
Die Versorgungsstrukturen müssen reformiert werden. In der Analyse wird das Konfliktfeld zwischen zentraler und dezentraler organisierter Versorgung bearbeitet.
Die gesundheitspolitischen Reformen der vergangenen Jahre drehten sich auch immer um die Frage, wer die Verantwortung für Planungsprozesse und Strukturentscheidungen trägt. Bereits die gesetzgeberischen Kompetenzen sorgen für Spannungen. Denn ein eigener Kompetenztitel für das Krankenhausrecht existiert nicht. Die Kompetenzen im Bereich des Gesundheitswesens verteilen sich daher vornehmlich auf die konkurrierende Gesetzgebung in Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG (Sozialversicherung), Nr. 19 GG (unter anderem medizinische Berufe und Arzneimittel) und Nr. 19a GG. Grundsätzlich nicht von Art. 74 umfasst sind die Krankenhausorganisation und die Krankenhausplanung. Inhaltliche Interventionen durch die Bundesebene dürfen nur dann vorgenommen werden, wenn der Bezug zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser gegeben ist und die Länder weiterhin erhebliche Ausgestaltungsspielräume behalten. Wenn es um die konkrete Organisation der Versorgung geht, kommen auch die Partnerinnen und Partner der Selbstverwaltung ins Spiel. So haben die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung die vertragsärztliche Versorgung sicherzustellen. Ferner existieren weitere Pfade, die bundesweit einheitlich oder länderspezifisch die Gesundheitsversorgung der Menschen regeln. Unterhalb dieser Ebenen argumentieren unterschiedliche Player dafür, mehr Versorgungsverantwortung auf niedrigster administrativer Ebene zu organisieren. Verfechter kleinräumiger Ansätze sprechen dabei oft von Gesundheitsregionen und auch kommunalpolitische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger attrahieren medizinische Leistungserbringer:innen als "Dableibensvorsorge" in ihrem Machtbereich. Doch verbessert dieser lokale Ansatz die Versorgung?
Versorgung und gleichwertige Lebensverhältnisse
Kein Akteur bzw. keine Akteurin ist für die Versorgung allein verantwortlich. Damit können in Verhandlungen und Entscheidungsprozessen unterschiedliche Positionen gegeneinander abgewogen werden, um das gesetzlich definierte Ziel einer zweckmäßigen Versorgung zu erreichen. Gleichwertige Lebensverhältnisse sind in Deutschland Staatsziel und in Art. 72 Abs. 2 GG fest verankert. An diesem Maßstab müssen auch gesundheitspolitische Entscheidungen gemessen werden. Wenn beispielsweise in jeder Stadt bzw. jeder Kommune andere Qualifikationsvoraussetzungen für die Erbringung einer bestimmten medizinischen Leistung bestehen würden, wären höchst unterschiedliche Behandlungsergebnisse und damit nicht mehr gleichwertige Lebensverhältnisse die Folge. Die effizienteste Möglichkeit, um die allerorts gewünschte Behandlungsqualität zu erreichen ist es, übergeordnete Vorgaben zu machen. Diese könnten alle relevanten Aspekte der Leistungserbringung betreffen, sofern sie nicht ohnehin durch andere gesetzliche Regelungen angezeigt sind. Damit entsteht ein Qualitätsdruck auf die Versorgungsstrukturen, die bislang das gewünschte Maß an Behandlungsqualität nicht erreichen. Nun steht das Qualitätsziel in einem Spannungsverhältnis zur regionalen Erreichbarkeit. Wenn Leistungseinheiten aus der Versorgung ausscheiden müssen, weil sie Qualitätsanforderungen nicht erreichen, vergrößert sich für die ansässige Bevölkerung der Weg zur entsprechenden medizinischen Leistung. Allerdings ist die Distanz zur medizinischen Leistungseinheit nur ein peripheres Kriterium, wenn es um die Organisation von Versorgung geht. Denn zum Glück gibt es nur wenige drastisch zeitkritische Krankheitsbilder. Für diese muss es dauerhaft das Ziel bleiben, die möglichst unverzügliche Notfallversorgung herzustellen. Für alle anderen gilt es, die optimale Behandlungsqualität als primäres Organisationsziel zu etablieren.
Regionalität kann ein Irrweg sein
Wie bereits im ersten Abschnitt andiskutiert, gibt es eine Reihe von Motiven für kleinräumige Planungsprozesse. Dabei werden bestimmte Gebietskörperschaften als Planungseinheit betrachtet, in denen die Leistungsangebote für die ansässige Bevölkerung organisiert werden. Damit entstehen innerhalb des bestehenden Systems neue Unterplanungseinheiten, die mit der notwendigen Expertise geplant werden müssen. Dies ist in Zeiten des Fachkräftemangels eine Herausforderung an sich. Die dringend in der Versorgung gebrauchte Fachkenntnis von Mediziner:innen, Pflegepersonal und weiteren Gesundheitsexpert:innen wird bei einem derartigen Vorgehen in der Verwaltung gebunden. Weiterhin entstehen durch kleinräumige Ansätze negative Wettbewerbseffekte zwischen den einzelnen Regionen, da sie Kampf um Fachkräfte, Investitionsmittel und letztlich auch Patientinnen und Patienten schüren. Es braucht daher bundesweit einheitliche Vorgaben, die von den Aktiven vor Ort umgesetzt werden. Nur so kann bundesweit eine leistungsfähige, effiziente und innovative Versorgungslandschaft realisiert werden.
Krankenhausreform, der Sicherheitsgurt des 21. Jahrhunderts
Es gibt immer wieder politische Entscheidungen, die Alltagsgewohnheiten der Menschen verändern. Eine solche Entscheidung war beispielsweise die Einführung der Anschnallpflicht in der BRD am 1. Januar 1976. Viele Menschen standen der bundespolitischen Vorgabe kritisch gegenüber. Dabei zeigte sich, dass die Umsetzung der Regelung die Sicherheit der Autofahrerinnen und Autofahrer deutlich verbesserte, auch wenn sich die Zeit beim Ein- und Aussteigen verlängerte. Ähnlich verhält es sich mit der qualitätsorientorientierten Krankenhausreform im Jahr 2024. Die entscheidungstragenden Personen in unserem Bundesland sind kompetent genug, um Krankenhausschließungen oder ein verändertes Leistungsangebot vor Ort durch die richtigen Begleitmaßnahmen als Qualitätsverbesserung für die Patientinnen und Patienten umzusetzen.