"Ich möchte ein Ministerpräsident für alle Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer sein."
Interview aus Rheinland-Pfalz
100 Tage im Amt - im Interview mit TKspezial zieht der Ministerpräsident eine erste Bilanz und skizziert auch, wie die stationäre Versorgung im Land ausgestaltet sein sollte.
TK: Im Juli 2024 wurden Sie zum Ministerpräsidenten des Landes Rheinland-Pfalz gewählt. Was zählen Sie bislang zu den größten Herausforderungen?
Alexander Schweitzer: Ich bin mir der großen Verantwortung bewusst, die mit dem Amt des Ministerpräsidenten verbunden ist. Bei meinem Amtsantritt habe ich versprochen, meine ganze Kraft dafür einzusetzen, Rheinland-Pfalz und seinen Menschen in Zeiten des Wandels Schutz und Chancen zu bieten. Ich möchte ein Ministerpräsident für alle Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer sein.
Darin bestehen auch die zentralen Herausforderungen: Es geht mir darum, das Aufstiegsversprechen immer wieder zu erneuern, dazu gehört ein gelungener Start in die Bildungskarriere. Dazu gehört auch der Zusammenhalt der Regionen: Es geht mir darum, dass die Menschen in Stadt und Land möglichst gleiche Chancen auf ein gutes Leben haben. Es gibt starke Regionen und es gibt regionale Herausforderungen, aber es gibt nur ein Rheinland-Pfalz. Ich will Brücken bauen, statt einzureißen. Ich will ein zuhörender Ministerpräsident sein. Ich will die Menschen in unserem Land zusammenführen, statt sie gegeneinander aufzuwiegeln.
TK: Was liegt aktuell "ganz oben" auf Ihrem Schreibtisch?
Schweitzer: Auf meinem Schreibtisch liegen zahlreiche Projekte aus mehreren Politikfeldern: Wir werden zum Beispiel alles dafür tun, dass Rheinland-Pfalz ein starkes Industrieland bleibt. Dass die Förder- und Ansiedlungspolitik des Landes erfolgreich ist, zeigen die jüngsten Großansiedlungen in Alzey, Ludwigshafen und in Mainz mit Investitionen in Milliardenhöhe. Außerdem werden wir ein 200-Millionen-Euro-Förderprogramm für Kommunen mit besonderem strukturpolitischem Handlungsbedarf aufsetzen. Im Bildungsbereich werden wir noch stärker als bisher in die Schülerinnen und Schüler investieren und eine neue Sprachoffensive auf den Weg bringen. Dazu werden wir unter anderem die Sprachkenntnisse zur Einschulung künftig verpflichtend testen und individuell fördern. Wichtig für die Wirtschaft und für alle Bürgerinnen und Bürger ist es auch, Bürokratie abzubauen und Verwaltungsverfahren zu beschleunigen. Dazu haben wir jetzt ein Bürokratie-Abbau-Paket mit 57 konkreten Maßnahmen auf den Weg gebracht, die zeitnah umgesetzt werden sollen.
TK: Bevor Sie im Jahr 2014 Vorsitzender der SPD-Fraktion wurden, bekleideten Sie von 2013 bis 2014 das Amt als Minister für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie. Wie bewerten Sie aktuell die gesundheitspolitischen Problemlagen von Bund und Land? Worin besteht Ihres Erachtens der drängendste Handlungsbedarf?
Schweitzer: Wir stehen aktuell mit den Plänen zur Krankenhausstrukturreform vor einer der größten Reformen im deutschen Gesundheitswesen der letzten 20 Jahre. Das bedeutet eine enorme Herausforderung für alle Beteiligten. Die Krankenhausstruktur sollte zukünftig so gestaltet sein, dass sowohl spezialisierte als auch wohnortnahe Versorgungsangebote optimal miteinander verzahnt werden, um eine qualitativ hochwertige und sichere Versorgung der Bevölkerung im Land sicherzustellen.
Unser Ziel ist eine Krankenhauslandschaft, die sowohl spezialisierte Behandlungen als auch eine flächendeckende Grundversorgung sicherstellt, sodass alle Menschen in Rheinland-Pfalz die notwendige medizinische Betreuung erhalten, die sie benötigen.
TK: Welche Zielsetzungen werden Sie weiterhin hinsichtlich der Digitalisierung anstreben - insbesondere mit Blick auf die Sicherstellung der Gesundheitsversorgung im Land?
Schweitzer: Eine nachhaltige Digitalisierung, die der Gesellschaft dient, stellt den Menschen in den Mittelpunkt. Mit der Fortschreibung der Digitalstrategie bis 2030 folgen wir diesem Grundsatz konsequent. Dazu gehört natürlich auch eine intelligent vernetzte Versorgung im Gesundheitsbereich. Wenn digitale und analoge Versorgungselemente in den Bereichen Gesundheit und Pflege verknüpft werden, entstehen neue Möglichkeiten für eine ganzheitliche und verbesserte Versorgung.
So können zum Beispiel große Mengen qualitativ hochwertiger Daten neue Erkenntnisse über Krankheiten liefern und die Entwicklung entsprechender Medikamente befördern. Die Digitalisierung hilft dabei, Prozesse bei der Versorgung effizienter zu gestalten, und unterstützt sowohl Mitarbeitende in Gesundheits- und Pflegeberufen als auch pflegende Angehörige. Die Telemedizin trägt dazu bei, räumliche Entfernungen zu überbrücken, Expertenwissen breiter nutzbar zu machen und ein gut versorgtes, selbstbestimmtes Leben auch in dünner besiedelten Regionen möglich zu machen. Als Landesregierung wollen wir alle Beteiligten zusammenbringen und neue Formen der digitalen Vernetzung unterstützen.
TK: Was sind die wichtigsten politischen Ziele, die Sie für das Land Rheinland-Pfalz verfolgen? Und: befinden sich hierunter besondere "Herzensprojekte"?
Schweitzer: In meiner ersten Regierungserklärung vor dem Landtag im September 2024 habe ich für ein konstruktives Miteinander geworben, um die Herausforderungen der Zeit zu lösen. Einige Menschen haben zurzeit das Gefühl, Politik in Deutschland kümmert sich nicht um die Themen, die ihnen wichtig sind. Und nicht wenige finden, dass Politikerinnen und Politiker nicht mehr ihre Sprache sprechen. Ich möchte als Ministerpräsident Klartext sprechen. Mich leiten die Küchentisch-Themen, das sind die Themen, die Menschen mit der Familie, mit Kolleginnen und Kollegen, mit Freunden und Freundinnen besprechen: Schule, Rente oder Pflege zum Beispiel.
Zur Person:
Seit dem 10.07.2024 ist Alexander Schweitzer Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz. Zuvor war er von 2014 bis 2021 Vorsitzender der SPD-Fraktion im Landtag Rheinland-Pfalz und anschließend bis 2024 Minister für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung. Außerdem gehört er seit Dezember 2017 dem SPD-Parteivorstand an. Als Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz ist Alexander Schweitzer laut Landesverfassung das Oberhaupt der Landesregierung und bestimmt die Richtlinien der Politik.