In Rheinland-Pfalz ist jede zweite Ärztin bzw. Arzt älter als 50 Jahre. Bei Haus- und Fachärzten im ländlichen Raum liegt der Altersschnitt sogar noch höher. Um den Folgen dieser demografischen Entwicklung zu begegnen, hat das Land die Zahl der Medizinstudienplätze auf perspektivisch 500 erhöht. Greift diese eher langfristige Maßnahme oder was muss getan werden?

Seit über zehn Jahren fordert die Landesärztekammer Rheinland-Pfalz eine Erhöhung der Studienplätze. Daher begrüßen wir die aktuelle Entwicklung und alle Maßnahmen, die zu einer weiteren Steigerung führen. Doch es muss sichergestellt sein, dass ab dem Sommersemester 2025 auch tatsächlich die entsprechenden Kapazitäten in der Vorklinik in Mainz von 50 Plätzen zusätzlich zur Verfügung stehen. In Anbetracht des demographischen Wandels wird auch diese Aufstockung, so begrüßenswert sie ist, nicht ausreichen. Wir würden es deshalb befürworten, wenn am Medizincampus Trier weitere zusätzliche Studienplätze für den gesamten klinischen Studienabschnitt vom fünften bis zwölften Semester geschaffen werden.

TK: Das Risiko, dass die nachfolgende Mediziner-Generation sich weiter lieber in Ballungsgebieten niederlässt als im ländlichen Raum, ist ja nach wie vor hoch. Welche Rahmenbedingungen würden eine Niederlassung in der Fläche fördern?

Dr. Günter Matheis: Damit sich die nachfolgende Mediziner-Generation im ländlichen Raum niederlässt, braucht es zunächst gute Rahmenbedingungen für die Weiterbildung. Durch eine flächendeckende Verbundweiterbildung in der Allgemeinmedizin haben wir mittlerweile in Rheinland-Pfalz ein gutes Angebot geschaffen. Ich sehe es kritisch, die Niederlassung über eine Quotenregelung zu steuern und die jungen Medizinstudentinnen und -studenten schon so früh für eine Fachrichtung oder eine Region zu verpflichten.

Dr. Günther Matheis

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Präsident der rheinland-pfälzischen Ärztekammer

TK: Im Zuge der Krankenhausreform sollen so genannte sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen (anfangs Level 1i-Krankenhäuser), Lücken in der Versorgung des ländlichen Raums schließen. Wie bewerten Sie diese "Klinikform" sowie sektorenübergreifende Konzepte?

Dr. Matheis: Mit der Krankenhausreform muss sichergestellt sein, dass alle Patientinnen und Patienten zur richtigen Zeit und am geeigneten Ort bestmöglich behandelt werden - entsprechend des medizinischen Bedarfs und dem anerkannten Stand der Wissenschaft. Es ist aber weder realistisch noch sinnvoll, die jetzt schon vorhandenen Versorgungsdefizite durch die Übertragung vom hausärztlichen Bereich auf sogenannte sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen schließen zu wollen. Dies birgt die Gefahr, bestehende ambulante Strukturen noch weiter zu schwächen.

TK: Dennoch: Die Ressource Arzt ist und bleibt knapp. Künftig werden beispielsweise Pflegefachkräfte zunehmend mehr Leistungen im ärztlichen Bereich übernehmen müssen. Was sollte gegeben sein, damit - trotz Delegation oder sogar Substitution ärztlicher Leistungen - die Versorgungsqualität auf hohem Niveau gewährleistet ist?

Dr. Matheis: Die Ärzteschaft fordert seit vielen Jahren eine Entbürokratisierung, damit wieder mehr Kapazitäten für die Versorgung der Patienten freiwerden. Beispielsweise müssen die neuen Gesundheitsfachberufe wie der Physician Assistent durch sinnvolle Delegation für Ärztinnen und Ärzte zu einer nachhaltigen Entlastung von nichtärztlichen Tätigkeiten führen und die Entbürokratisierung vorantreiben. Wir befürworten ausdrücklich die Förderung interprofessioneller Kooperationen. Es gibt aber ureigene ärztliche Aufgaben, die nicht übertragen werden können. Die Landesärztekammer begleitet daher die Entwicklung der neuen Gesundheitsberufe. Die Substitution der ärztlichen Profession lehnen wir ab.

TK: Das Parlament der Ärzteschaft hat sich beim 128. Deutschen Ärztetag in Mainz für Demokratie, Pluralismus und Menschenrechte ausgesprochen. Gerade die medizinische Versorgung ist ohne die Unterstützung von ausländischen Fachkräften mehr als gefährdet: Allein im vergangenen Jahr waren 64.000 Ärztinnen und Ärzte ohne deutsche Staatsangehörigkeit. Deren fachliche Anerkennung laufe allerdings schleppend, so die Kritik der Vizepräsidentin der Bundesärztekammer, Ellen Lundershausen. Was kann hier verbessert werden?

Dr. Matheis: Tatsächlich würde die medizinische und pflegerische Versorgung ohne Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegekräfte mit Migrationsgeschichte zusammenbrechen. Doch die ärztliche Ausbildung unterscheidet sich in den meisten Drittstaaten deutlich von der in Deutschland und ist im Niveau entsprechend niedriger anzusetzen. Für die fachliche Anerkennung ist für Ärztinnen und Ärzte aus Nicht-EU-Ländern daher eine Fachsprachenprüfung und eine Kenntnisprüfung notwendig. Besonders die Kenntnisprüfung ist ein wirksames und unverzichtbares Instrument, um den Patientenschutz zumindest in Grundzügen sicherzustellen. 

Eine Absenkung der Anforderungen in diesem Bereich erscheinen auch nicht ansatzweise vertretbar. Stattdessen spricht sich die Landesärztekammer Rheinland-Pfalz seit Jahren grundsätzlich dafür aus, die Kenntnisprüfung in ihrer bisherigen Form durch eine verpflichtende Teilnahme aller Ärztinnen und Ärzte aus Nicht-EU-Ländern am zweiten und dritten Teil der ärztlichen Prüfung - sprich nach dem zehnten und zwölften klinischen Semester - zu ersetzen. Leider stößt diese Forderung außerhalb von Rheinland-Pfalz auf keine breite Unterstützung. 

Zur Person

Dr. med. Günther Matheis, 1958 geboren, ist Facharzt für Thoraxchirurgie. Nach Stationen in Hannover und Berlin, Deutsches Herzzentrum, wechselte Dr. Matheis 1991 an das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Trier. Seit 2016 ist er Präsident der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz. 

Bei der Bundesärztekammer engagiert er sich in verschiedenen Gremien für die stationäre Versorgung und die Organtransplantation.
In Rheinland-Pfalz ist er zudem Vize-Präsident des Landesverbandes der Freien Berufe.