"Fakt ist: Die Krankenkassen brauchen nachhaltige Finanzen"
Interview aus Rheinland-Pfalz
Interview mit Gordon Schnieder, Vorsitzender der rheinland-pfälzischen CDU-Landtagsfraktion.
Die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) steht tief in den roten Zahlen: Ende des vergangenen Jahres wurde das Defizit auf 6,2 Milliarden Euro beziffert. Wie die Finanzlage der GKV wieder stabilisiert werden kann, gehört ohne Zweifel zu den drängendsten Herausforderungen im Gesundheitswesen. In einem aktuellen Interview gab der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion Gordon Schnieder spannende Einblicke darüber, wie Lösungen aussehen könnten, um Beitragszahlenden weitere Beitragsschocks zu ersparen und beschreibt seine Sicht auf die Situation der Kliniken in Rheinland-Pfalz.
TK: Die nächste Landtagswahl in Rheinland-Pfalz ist für das Jahr 2026 geplant. Sollte die CDU in Regierungsverantwortung kommen, was wären drei wesentliche Schwerpunkte Ihrer politischen Arbeit?
Gordon Schnieder: Wirtschaft, Bildung und Gesundheit - bei allen drei Punkten stehen wir an einem gesellschaftlichen und politischen Wendepunkt. Dazu noch ist mir wichtig, dass wir die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse zwischen Stadt und Land nicht aus den Augen verlieren. Die Landesregierung regiert an der Lebenswirklichkeit vieler Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer vorbei und verschließt die Augen vor der Realität. Konkrete Vorschläge zur Stärkung ländlicher oder strukturschwacher Räume fehlen.
Gordon Schnieder

Für einen gesellschaftlichen Zusammenhalt braucht es kluge Ideen. Als CDU-Landtagsfraktion haben wir konkrete Vorschläge vorgelegt. Die ländlichen Räume sind unsere Stärke - sie sind Ausdruck der Lebensqualität unseres Landes. Es kann Rheinland-Pfalz nur gut gehen, wenn es auch den ländlichen Räumen gut geht. In diesem Zuge erläutere ich folgend den Gesundheitsaspekt gerne genauer."
TK: Gutes Stichwort: Wie bewerten Sie denn aktuell die Situation der Gesundheitsversorgung in Rheinland-Pfalz - insbesondere im Hinblick auf die umzusetzende Krankenhausreform und die schwierige Lage der Kliniken im Land?
Schnieder: Unserem Gesundheitswesen geht es an vielen Stellen nicht gut, das merken wir alle. Rheinland-Pfalz droht in den nächsten Jahren ein massiver Ärztemangel. Das ist ein ernsthaftes Problem - ein Großteil der Hausärztinnen und Hausärzte kommt auf absehbare Zeit ins Rentenalter. Um dem etwas entgegenzusetzen, müssen ausreichend Mediziner ausgebildet werden. Dazu benötigen wir ausreichende Studienkapazitäten; das schlägt die CDU-Landtagsfraktion schon seit vielen Jahren vor. Und auch viele Krankenhäuser im Land sind von der Misere betroffen. Es vergeht in Rheinland-Pfalz kaum eine Woche, in der nicht von neuen Krankenhausschließungen, Klinik-Schieflagen und -Insolvenzen oder Entlassungen von Krankenhaus-Personal zu hören ist. Mit der jüngsten Ankündigung des DRK, sich aus dem Klinikbetrieb in Rheinland-Pfalz zurückziehen zu wollen, verliert das Fundament der medizinischen Grundversorgung im Land massiv an Stabilität.
Klinik-Schließungen sind das Resultat einer mangelnden Krankenhausfinanzierung - und hier trägt das Land die größte Schuld, denn es ist nun einmal so, dass die Landesregierung ihrer Pflicht zu einer auskömmlichen Finanzierung der Investitionskosten der Krankenhäuser nicht nachkommt. Um auszuschließen, dass sich das planlose Krankenhaussterben fortsetzt, muss daher - bis die Krankenhausreform greift und ein Transformationsfonds zahlt - eine Übergangsfinanzierung erfolgen. Aus diesem Grund haben wir in den Haushaltsverhandlungen den so genannten "Lebende Krankenhäuser Fonds" eingebracht, um mit jeweils 150 Millionen Euro in den Jahren 2025 und 2026 dies zu verhindern. Dieser wurde jedoch von den regierungstragenden Fraktionen abgelehnt."
TK: Falls die CDU die Regierung übernimmt, dürfte man also damit rechnen, dass die Investitionsförderung des Landes für die Krankenhäuser erhöht und auch für Pflegeheime endlich eingeführt wird?
Schnieder: Ja, denn wir wollen der Klinik-Krise in Rheinland-Pfalz endlich ein Ende bereiten. Die Landesregierung stattet die Krankenhäuser seit Jahren mit völlig unzureichenden Krankenhausinvestitionsmitteln aus und verschärft somit die prekäre Finanzlage der rheinland-pfälzischen Krankenhäuser - das ist Fakt. Die CDU-Landtagsfraktion hat bei den vergangenen Haushaltsberatungen deutlich gemacht, dass sie für eine signifikante Erhöhung der Investitionsförderung steht. Wir stehen für eine zielgerichtete, zukunftsorientierte Krankenhausstrukturplanung. Außerdem brauchen wir endlich eine echte Krankenhausreform.
Auch der Pflegenotstand in Rheinland-Pfalz droht zu eskalieren. Menschen, die pflegebedürftig sind oder werden, warten oftmals Monate auf einen Platz im Pflegeheim. Und mit der älter werdenden Gesellschaft steigt die Pflegebedürftigkeit. Pflege darf keine Frage des Geldbeutels sein. Bereits jetzt wissen viele Menschen, die auf Pflege angewiesen sind, nicht, wie sie die Kosten stemmen sollen. Aus diesem Grund haben wir als CDU-Landtagsfraktion bei den jüngsten Haushaltsberatungen ein Landespflegewohngeld gefordert. Rheinland-Pfalz gehört zu den wenigen Bundesländern, die im Bereich der Investitionskosten bislang keine finanziellen Mittel zur Verfügung stellen. Angesichts stetig steigender Kosten für Pflegeplätze stellt dies eine erhebliche Belastung für pflegebedürftige Menschen und ihre Familien dar, sodass dringender Handlungsbedarf besteht. Da die Versorgung pflegebedürftiger Angehöriger zu Hause oft mit großen physischen und psychischen Belastungen einhergeht, soll das Landespflegewohngeld auch dann gewährt werden, wenn die Pflege im häuslichen Umfeld erfolgt. Ich selbst bevorzuge zudem eine Investitionsförderung für Pflegeeinrichtungen. Außerdem muss die Attraktivität des Pflegeberufs dauerhaft gesteigert werden. Bessere Bezahlung für Pflegekräfte, Entlastung Pflegebedürftiger und Stärkung der Pflegeversicherung, sind richtige und notwendige Schritte, die wir angehen wollen."
TK: Ende des vergangenen Jahres haben die gesetzlichen Krankenkassen ein Minus von 6,2 Mrd. verbucht. Daher hat die Mehrheit der Kassen ihren Zusatzbeitrag erhöhen müssen. Auch die Pflegekassen sehen sich immensen Defiziten gegenüber. Welche politischen Maßnahmen wären erforderlich, um die Kostensteigerungen in der Sozialversicherung insgesamt zu bremsen?
Schnieder: Fakt ist: die Krankenkassen brauchen nachhaltige Finanzen - gestiegene Kosten und Preise für wichtige Ressourcen, gestiegene Energie-, Material- und Personalausgaben; all das stellt Krankenkassen vor enorme Herausforderungen. Hinzu kommt, dass sich die Anzahl an Krankentagen auf Rekordniveau von deutlich über 20 Tagen pro Arbeitnehmer erhöht hat und diese zusätzlich auf dem System lasten. Hier spielen auch sozial-gesellschaftliche und politische Aspekte eine Rolle, wie beispielsweise eine fehlende Kinder- oder Angehörigenbetreuung von Demenzkranken. Und auch der Dauer-Krisenmodus, in dem wir uns seit 2020 befinden, tut sein Übriges dazu. Es kann allerdings nicht sein, dass nun den Versicherten jedes Jahr ein Beitragsschock ins Haus steht. Es müssen also langfristige Lösungsansätze her, um die Finanzierung der Gesundheitsversorgung in Deutschland sicherzustellen. Dabei geht es uns um den Dreiklang von Daseinsvorsorge, Eigenverantwortung und Prävention.
Mit einem Finanzierungsmix aus gesetzlicher Pflegeversicherung, betrieblicher und privater Vorsorge sowie Steuermitteln wollen wir die Pflegeversicherung stabilisieren. Bezahlbare Pflegezusatzversicherungen sollen Finanzierungslücken schließen helfen, ihre steuerliche Absetzbarkeit wird geprüft. Darüber hinaus soll ein Gesamtkonzept zur langfristigen Sicherung der finanziellen Stabilität der Sozialen Pflegeversicherung entwickelt werden. Ziel ist es, die Mittel bedarfsgerecht einzusetzen und die Betroffenen finanziell spürbar zu entlasten, insbesondere diejenigen, die sonst auf Sozialhilfe angewiesen wären."
Zur Person:
Gordon Schnieder wurde am 8. Juli 1975 in Trier geboren. Er lebt mit seiner Familie in Birresborn in der Eifel, ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Seine berufliche Laufbahn begann er in der Finanzverwaltung Nordrhein-Westfalens. Danach wechselte er zur Kreisverwaltung Eifelkreis Bitburg-Prüm. Parallel zu seiner beruflichen Karriere engagierte sich Schnieder früh in der Kommunalpolitik. Seit 2004 ist er Mitglied des Kreistags Vulkaneifel und übernahm 2010 den Vorsitz der CDU Vulkaneifel. Seit 2013 führt er zudem die CDU-Kreistagsfraktion. Von 2014 bis 2019 war er Ortsbürgermeister der Ortsgemeinde Birresborn. Seit 2016 gehört er dem rheinland-pfälzischen Landtag an. 2023 wurde Schnieder zum Vorsitzenden der CDU-Landtagsfraktion gewählt. Er ist Landesvorsitzender der CDU Rheinland-Pfalz und Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2026.