TK: Herr Professor Kiesslich, seit dem ersten Januar 2024 bekleiden Sie das Amt des Vorstandsvorsitzenden und Medizinischen Vorstands der Universitätsmedizin Mainz. In Ihrer "100-Tage-Pressekonferenz" Anfang April haben Sie eine erste Bilanz gezogen. Wie lautet diese?

Prof. Ralf Kiesslich: Die aktuelle Situation der Universitätsmedizin Mainz erforderte klare Maßnahmen vom ersten Tag an. Nach meinem Gefühl hat der notwendige Neustart sichtbar und fühlbar Fahrt aufgenommen und ich nehme eine echte Aufbruchstimmung wahr. Insofern fällt meine Bilanz der ersten 100 Tage auch sehr positiv aus. Initial haben wir eine Umstrukturierung der Administration vorgenommen und sind bei der Bildung von Departments schon sehr weit vorangekommen. 

Prof. Ralf Kiess­lich

Das Bild ist noch nicht vollständig geladen. Falls Sie dieses Bild drucken möchten, brechen Sie den Prozess ab und warten Sie, bis das Bild komplett geladen ist. Starten Sie dann den Druckprozess erneut.
Vorstandsvorsitzender und Medizinischer Vorstand der Universitätsmedizin Mainz

TK: Der Jahresfehlbetrag der Universitätsmedizin fiel mit 120 Millionen Euro im Jahr 2023 noch höher aus als erwartet. An welchen Stellschrauben muss prioritär gedreht werden, um finanziell wieder einigermaßen aus den roten Zahlen zu kommen?

Prof. Kiesslich: Eines ist klar: Die Universitätsmedizin Mainz kann ihr ganzes Potential nur auf Basis einer soliden wirtschaftlichen Situation entfalten. Zu dieser müssen wir nun wieder zurückfinden. Einen besonderen Fokus richten wir dabei auf die Steigerung der stationären Leistungen. Dies möchten wir durch optimierte klinische Prozesse und die nun forcierte Departmentbildung erreichen. Vor allem aber müssen wir durch bessere Erfassung und Abrechnung auch mehr Erlöse für unsere erbrachten Leistungen erzielen.

Bei den ambulanten Leistungen muss sich die Universitätsmedizin Mainz verstärkt auf ihre Kernkompetenz, die spezialisierte ambulante Medizin, konzentrieren - insbesondere durch eine stärkere Vernetzung mit niedergelassenen Kolleg:innen und anderen Leistungserbringern. 
Die Sanierung und Konsolidierung der Universitätsmedizin ist eine Mammutaufgabe, vergleichbar mit einem Marathon. Wir werden Zeit brauchen, aber ich bin zuversichtlich, dass wir viel erreichen können.

TK: Welche Zukunftspläne verfolgen Sie insgesamt für die Universitätsmedizin und was erwarten Sie sich von der anstehenden Krankenhausreform?

Prof. Kiesslich: Ich begrüße die Krankenhausreform und es ergeben sich dadurch für die Unimedizin positive Entwicklungsmöglichkeiten. Komplexe Behandlungen werden zunehmend in Zentren mit hoher Expertise durchgeführt, bei denen verschiedene Spezialisten zusammenwirken. Hierfür sind wir ideal aufgestellt. 
 
TK: Es wurde schon über eine zweite Universitätsmedizin in Rheinland-Pfalz spekuliert. Dahinter steht die Idee mehr Mediziner auszubilden und möglichst mit "Klebeeffekt" im Land zu halten. Wie stehen Sie zu diesen Plänen und zur Erweiterung des Studienangebots in Mainz in Kooperation mit der Uni Trier und Koblenz?

Prof. Kiesslich: Bundesweit und somit auch in Rheinland-Pfalz besteht erhöhter Bedarf an ärztlichem Nachwuchs für die ambulante und stationäre ärztliche Versorgung. Die bestehenden Ausbildungskapazitäten an der Universitätsmedizin Mainz innerhalb der vorhandenen Infrastruktur stoßen an ihre Grenzen. Durch den Ausbau dieser Kapazitäten im klinischen Studienabschnitt über Satelliten-Standorte in Trier und künftig Koblenz soll die Zahl der Studienanfängerinnen und -anfänger in Mainz ausgebaut werden. Das begrüße ich sehr. 

Zur Person:

Ralf Kiesslich studierte Humanmedizin an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Von 2000 bis 2012 war er als Internist und Gastroenterologe an der Universitätsmedizin Mainz tätig. Er erlangte 2003 seinen Facharzt für Innere Medizin und habilitierte im Jahr 2005. 2012 wechselte er an das St. Marienkrankenhaus Frankfurt und 2014 an die Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken Wiesbaden. Dort war er zuletzt Ärztlicher Direktor und Medizinischer Geschäftsführer der Helios Kliniken Wiesbaden-Taunus, bevor er am 1. Januar 2024 das Amt des Vorstandsvorsitzenden und Medizinischen Vorstands der Universitätsmedizin Mainz antrat.