Finanzierung der GKV - Lösungen liegen auf der Hand
Position aus Rheinland-Pfalz
Ein Standpunkt von Jörn Simon, Leiter der TK-Landesvertretung Rheinland-Pfalz, zur Finanzierung der GKV.
Seit Mitte des Jahres 2024 liegen neue Zahlen zur Finanzentwicklung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vor. Ein Trend verstetigt sich dabei: die Ausgaben liegen über den Einnahmen und die Reserven sind weitestgehend aufgebraucht. Das Defizit aller 95 Krankenkassen lag im ersten Quartal bei 776 Mio. Euro. Dabei startete die GKV schon mit einer milliardengroßen Lücke ins Jahr 2024. Trotzdem sieht es derzeit nicht nach einer politischen Intervention zur Stabilisierung der GKV-Finanzen aus, sondern vielmehr drohen durch laufende Gesetzesvorhaben weitere Belastungen für die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler. Die letzten Aktivitäten der Politik zur Behebung von Finanzlücken (das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz) gingen aus Sicht der Techniker Krankenkasse (TK) in die falsche Richtung: Sie wirkten nur punktuell, konzentrierten sich vor allem auf die Einnahmen und belasteten die GKV-Versicherten immens. Mit dem erneuten Einbehalt von Reserven wurde zudem ein weiteres Mal wirtschaftliches Handeln der Kassen bestraft.
Dabei sind sinnvolle Schritte - insbesondere zur Stabilisierung der Einnahmen - bereits im Koalitionsvertrag genannt, wie die Aufstockung der Beitragszahlungen für Bürgergeld-Beziehende oder die Dynamisierung des Bundeszuschusses. Diese gilt es umzusetzen.
Einnahmen- UND Ausgabenseite berücksichtigen
Es braucht daher insgesamt einen Dreiklang. Eine zielgerichtete Lösung der Finanzfrage funktioniert nur, wenn Einnahmen- UND Ausgabenseite berücksichtigt werden. Genauso müssen aber auch Strukturfragen angegangen werden.
Das Thema Kostendämpfung wurde von der Politik bislang vernachlässigt. Hier gibt es großen Handlungsbedarf, um dem stetigen Ausgabenanstieg entgegenzuwirken und für Herausforderungen wie dem demografischen Wandel besser gewappnet zu sein. Die gute Nachricht ist: Möglichkeiten zur Kostendämpfung sind da - aber die Politik muss aktiv werden: Es bedarf kurzfristig umsetzbarer und schnell wirksamer Maßnahmen zur Sofortentlastung, wie beispielsweise die Abschaffung oder wenigstens eine Festschreibung von Prüfquoten, die Einführung von echten Vertragsverhandlungen bei Hilfsmitteln oder die Senkung der Mehrwertsteuer auf sieben Prozent bei Arzneimitteln. Es müssen aber auch langfristig wirksame Themen angegangen werden, damit die Kosten in der Zukunft nicht völlig aus dem Ruder laufen - Stichwort Digitalisierung oder Strukturreformen in der Versorgung. Unser Solidarsystem wird es sich nicht mehr leisten können, diese Potenziale brach liegen zu lassen.
Effizienz durch Wettbewerb
Gerade wir Krankenkassen wollen uns aktiv an einer zukunftsfähigen Lösung beteiligen. Es bedarf einer Rückbesinnung auf eine Kernaufgabe der Kassen: im Rahmen des Wettbewerbs wirtschaftlich zu versorgen. Krankenkassen arbeiten nicht profitorientiert und erzielen keine Gewinne. Effizienz und Wirtschaftlichkeit bedeuten hier also nicht monetären Shareholder value, sondern führen - unter den richtigen Rahmenbedingungen - zu einem achtsamen, nachhaltigeren Umgang mit den Beitragsgeldern der Solidargemeinschaft. Im Ergebnis reichen diese länger aus und ermöglichen, Menschen besser zu versorgen. Und mehr Effizienz ist auch kein Synonym für "Leistungskürzungen", die die Politik und wir ja vermeiden wollen.
Effizienz durch Strukturreformen
Effizienzpotenziale sind auf jeden Fall im Bereich der Strukturen zu finden. Ein zentraler Hebel hierfür ist unter anderem die Umgestaltung der Kliniklandschaft. Eine zeitgemäße Anpassung der Klinikstrukturen mit auf einheitlichen Kriterien basierender Planung, klarem Fokus auf mehr Qualität und einer sinnvolleren Arbeitsteilung zwischen den Häusern ist seit Jahren überfällig. Es wäre erfreulich, wenn dies mit der anstehenden Krankenhausreform gelänge.
Die Reform ist ein Mammutprojekt, gleichsam dringend notwendig und mit enormen Chancen für die Qualität verbunden - und somit auch für die Effizienz der Versorgung. Denn noch immer werden aufgrund wirtschaftlichen Drucks medizinisch nicht notwendige Eingriffe durchgeführt, Betroffene von Herzinfarkten in Kliniken ohne Katheterlabor versorgt und Krebspatientinnen und -patienten in Kliniken behandelt, die keine entsprechend spezialisierten Zentren sind.
Damit die Chancen auf mehr Qualität gehoben werden können, bedarf es einer stringenten und konsequenten Reform aus einem Guss, in deren Rahmen gesunde Strukturen sicher finanziert werden. Keinesfalls darf die Reform neue Fehlanreize setzen, etwa indem neu einzuführende Vorhaltekosten Fehlstrukturen zementieren.
Zukunftssichere Finanzierung braucht passende Rahmenbedingungen
Bei den Diskussionen um die finanzielle Zukunftsfähigkeit der GKV geht es nicht um das oft als "Schreckgespenst" platzierte Thema Leistungskürzungen, sondern um die notwendige Handhabe, um Ansprüche prüfen, auf Augenhöhe verhandeln und Angebote vergleichen zu können - also die Grundvoraussetzung wirtschaftlichen Handelns. Setzt sich hingegen das politische Zurückfahren der Wirtschaftlichkeitsinstrumente der Krankenkassen fort, droht das Gesundheitswesen zum Selbstbedienungsladen zu werden - zulasten der Patientinnen und Patienten, die auf eine zeitgemäße und hochwertige Versorgung angewiesen sind und zulasten jener, die die Kosten tragen, also der Beitragszahlerinnen und -zahler.
Es ist nun an der Politik dieses Potenzial mit entsprechendem politischem Weitblick nutzbar zu machen.