Schulavatar hilft gegen Isolation
Interview aus Sachsen
Chiara (11) wird in der Kinderkrebsstation des der Universitätsklinik Leipzig behandelt. Sie bekommt eine langwierige Chemotherapie gegen einen bösartigen Tumor. Sie muss im Krankenhaus bleiben, isoliert, denn ihr angegriffenes Immunsystem muss geschützt werden.
Aber auch das ist Chiara zur selben Zeit: Sie geht in die Schule und schaut sich im Klassenzimmer um. Sie quatscht mit Freundinnen und nimmt aktiv am Unterricht in ihrer Klasse teil. Ein Roboter macht es möglich. Ein sogenannter Avatar, der seit kurzem in der Kinderkrebsstation der Uniklinik Leipzig im Einsatz ist. Gemeinsam mit der Techniker Krankenkasse (TK) hat der Verein Elternhilfe Leipzig e. V. dieses Projekt gestartet, um krebskranken Kindern während der Behandlung den Zugang zur Schule und zum sozialen Umfeld zu ermöglichen. Über den ersten sächsischen Schulavatar im Einsatz sprachen wir mit Markus Wulftange von der Universitätsklinik Leipzig.
TK: Wie kamen Sie auf die Idee einen solchen Roboter zu nutzen?
Markus Wulftange: Wir sind immer auf der Suche nach neuen Ideen, die die Therapie für unsere jungen Patientinnen und Patienten verbessern helfen. So bin ich natürlich häufig in Kontakt mit Kinderkrebsstationen im ganzen Bundesgebiet. Als ich erfahren habe, dass es zum Beispiel in Schleswig-Holstein bereits ein erfolgreiches Projekt dieser Art gibt, habe ich mich sofort an die Kollegen dort gewandt. So kam es auch zur Zusammenarbeit mit der Techniker Krankenkasse, die sich dort und nun jetzt auch in Leipzig dankbarerweise für diese neue Technologie mit engagiert.
TK: Wie funktioniert der Avatar in der Praxis?
Wulftange: Wir haben uns zunächst mal für zwei Monate einen Roboter ausgeliehen, um das ganze System auszuprobieren. Das klappte auf Anhieb schon sehr gut. Wir hatten super Rückmeldungen aus der Schulklasse. Unsere Testpatientin Chiara konnte aktiv am Unterricht teilnehmen. Mit Bewegungen des Roboters sind Rückmeldungen mit nonverbalen Signalen an die anderen Schülerinnen und Schüler sowie zu den Lehrerinnen und Lehrern möglich. Das ist eine ganz andere Qualität als etwa mit einem Laptop die Unterrichtsstunde abzufilmen. Es bringt ein Stück Normalität und vor allem soziale Interaktion in den Alltag unserer schwerkranken Krebspatientinnen und -patienten zurück. Die soziale Isolation, die für die Genesung leider oft unumgänglich ist, kann so für einige Stunden in den Hintergrund treten.
TK: Führt das zu besseren Therapieerfolgen?
Wulftange: Es stärkt die psychische Stabilität. Das hilft, die Schmerzen und die Behandlungen besser zu ertragen und bringt eine ganz neue Lebensqualität in den eingeschränkten Alltag unserer Patientinnen und Patienten. Das ist das Wichtigste. Die Krankheit, die notwendigen Behandlungen, das alles ist schon schlimm genug. Mit dem neuen Tool können wir den Kindern ihre schwere Zeit etwas erleichtern. Das ist ein großer Erfolg.
TK: Wie geht es nach der Erprobungsphase weiter?
Wulftange: Wir haben jetzt mit der Unterstützung der TK zunächst einen Avatar fest angeschafft. Mit der jeweiligen Schule müssen im Vorfeld viele Dinge geklärt werden. Zur Steuerung des Avatars gehören z. B. Smartphone und iPad, die erst einmal vor Ort eingerichtet werden müssen. Die Logistik kostet uns schon etwas Aufwand, aber mit dem Ergebnis sind wir sehr zufrieden. Wenn es weiter so gut funktioniert wie jetzt bei unseren ersten Versuchen, dann werden wir das in Zukunft sicherlich auszubauen. Für eine weitere Unterstützung dabei sind wir und unser Partner, die Elternhilfe Leipzig e. V. sehr dankbar.