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Herr Mersch, was zieht Sie persönlich in die Natur beziehungsweise in die Berge?
Das ist schwer zu sagen, schließlich gehe ich seit ungefähr vierzig Jahren regelmäßig in die Berge und es ist quasi ein ganz natürlicher Bestandteil meines Lebens. Wenn ich zu einer Tour aufbreche, dann empfinde ich meistens eine Kombination aus innerer Ruhe und dem Gefühl, zu mir selbst zu kommen. Vor allem beim Klettern erlebe ich eine Art Zentriertheit - sowohl körperlich, aber auch in Bezug auf die eigene Psyche. Um einen ähnlichen Effekt beim Wandern zu erzielen, suche ich meistens die Einsamkeit und bin querfeldein auf verlassenen Steigen unterwegs.

Was macht es mit uns Menschen, draußen zu sein?
Wandern und das Draußensein haben etwas Archaisches an sich. Es sind Bedürfnisse, die tief in unserem Unterbewusstsein verankert sind. Obwohl wir in einer modernen und zivilisierten Welt leben, steckt unser Körper und eben auch unsere Psyche eigentlich noch immer in der Steinzeit. Wenn wir also rausgehen, und sei es nur der Park oder das Waldstück um die Ecke, befinden wir uns quasi mehr in unserer "unterbewusst natürlichen Umgebung".  

Ist das auch die Begründung dafür, dass immer mehr Menschen das Wandern für sich entdecken?
Schon, aber ich glaube auch, dass da ein gesellschaftliches Phänomen dahintersteckt. Wandern ist für viele eher eine erweiterte Form von Wellness. Es ermöglicht einem, die Natur in vollen Zügen erleben und sich selbst besser zu spüren. Beim Wandern geht es auch darum, ein neues Bewusstsein für sich selbst und die eigene Zeit zu schaffen. 

Macht Wandern denn glücklich?
Das ist Ansichtssache und gilt garantiert nicht für jeden Menschen. Ich kann nur für mich sprechen und meine Antwort lautet: Ja, Bergsteigen macht mich glücklich.

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Als Diplom-Psychologe gehen sie mit ihren Klienten auch in die Berge - warum?
Mein Kollege und ich haben festgestellt, dass unser Konzept sehr wirksam ist. Durch das Miteinander in die Berge gehen, entsteht eine sehr starke Vertrauensbasis, die auch beim therapeutischen Arbeiten unterstützend wirkt. Ich betrachte das Bergsteigen allerdings nicht unbedingt als Methode, sondern vielmehr als einen Rahmen für mein Coaching.

Wie wirkt sich die Natur auf uns psychologisch aus? Können wir zu Fuß zur inneren Ruhe finden?
Ja, ich denke, dass uns die Natur vor allem bei der Auseinandersetzung mit uns selbst unterstützen kann. Gerade das Bergsteigen bietet die Chance auf einen Perspektivwechsel: Es ist ein herrliches Gefühl, den Blick über die Landschaft schweifen zu lassen. Man hat im wahrsten Sinne des Wortes einen besseren Überblick, der Kopf wird frei und der Alltag bleibt im Tal. Ein anderer wichtiger Aspekt beim Wandern: Durch das Gehen spürt man den eigenen Körper und Geist viel bewusster und intensiver. Das ist ein Gefühl, das uns im alltäglichen Leben leider etwas verloren gegangen ist. Schritt für Schritt kann man so mehr Selbstwirksamkeit und Selbstvertrauen erfahren. 

Kann man sich durch Wandern selbst therapieren?
Wandern oder Bergsteigen kann sicherlich die mentale Gesundheit, Selbstwahrnehmung und damit eben auch die Resilienz stärken, doch beides ersetzt - meiner Meinung nach - keine Therapie.

Was können wir von der Natur lernen?
Die Natur kann uns eine gewisse Demut lehren und relativiert gleichzeitig die eigene Wichtigkeit. Sie ermöglicht uns aus unserem Alltag sowie der ständigen Kommunikation und Erreichbarkeit zu fliehen. Viele Menschen sind heutzutage ständig online und kommunizieren rund um die Uhr. Dabei verlieren sie das Bewusstsein für sich selbst und das Gefühl für das Hier und Jetzt.

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Wie sollte ich eine Tour denn planen, wenn ich möglichst viel Glück daraus ziehen möchte?
Ich persönlich bevorzuge dafür Wege abseits der ausgetrampelten Pfade. Selbst in der eigenen Umgebung kann man so immer wieder Neues entdecken, die Natur genießen oder eine gewisse Ruhe finden. Ich empfehle außerdem, draußen nicht die ganze Zeit auf das Handy zu starren. Man sollte es zwar für den Notfall immer mit dabeihaben, doch als Navigationshilfe braucht man es in der Regel nicht. Es gibt in Deutschland viele und gut ausgeschilderte Wanderwege. Wer also möglichst viel aus seiner Tour ziehen möchte, sollte versuchen, sich nicht ständig von digitalen Medien ablenken zu lassen.

Ich finde es schade, wenn es beim Wandern nicht mehr um das eigene Erleben, sondern viel mehr darum geht, das perfekte Foto für Instagram und Co. zu schießen.

Glauben Sie, dass sich das Glück potenziert, je länger man unterwegs ist?
Ich glaube schon, dass es einen Unterschied macht, ob man nur ein paar Stunden oder mehrere Tage wandern geht. Wer mehr als drei Tage unterwegs ist, entfernt sich gedanklich immer mehr vom Alltagstrubel und findet so sicherlich auch zu mehr Ruhe. Ich empfehle allerdings auch, sich nicht unbedingt in eine durchgetaktete Wanderreise hineinpressen zu lassen. Auch auf einer geplanten Tour sollte man die Gelegenheit nutzen, sich etwas treiben zu lassen.

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Jan Mersch nennt sein Coachingkonzept "Mensch und Berge".
Wer sich dafür interessiert, bekommt auf seiner Homepage weitere Informationen.

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