Pornosucht: Neue Therapie wird auch im Saarland erprobt
Pressemitteilung aus Saarland
Saarbrücken, 7. Dezember 2023. Pornografie ist im Internet ständig und überall verfügbar. Für einige Menschen kann das zum Problem werden: Etwa drei Prozent der Männer und weniger als ein Prozent der Frauen zwischen 18 Jahren und 65 Jahren sind in Deutschland schätzungsweise von einer Pornografie-Nutzungsstörung (PNS) betroffen, also rund eine Millionen Menschen. Heruntergerechnet auf das Saarland wären das etwa 10.000 Männer und 2.000 Frauen. Der Leidensdruck für Betroffene ist hoch, denn die PNS hat häufig Auswirkungen auf Partnerschaft, Familie, Sexualität und Berufsleben.
TK unterstützt Projekt PornLoS
Damit Betroffenen zukünftig besser geholfen werden kann, werden im Saarland, in Rheinland-Pfalz und Hessen mit dem Projekt PornLoS (Pornografie-Nutzungsstörung - Leben ohne Suchtdruck) neue Therapieformen erprobt. Es ist auf dreieinhalb Jahre ausgelegt und wird mit 5,4 Millionen Euro aus dem Innovationsfonds gefördert. Geleitet wird das Projekt von der Justus-Liebig-Universität Gießen und dem dort forschenden Prof. Dr. Rudolf Stark. Die Techniker Krankenkasse (TK), die DAK-Gesundheit, die Hochschulambulanz der Universität des Saarlandes sowie weitere Ambulanzen und Forschungseinrichtungen engagieren sich als Konsortialpartner. Starttermin ist der 1. Januar 2024.
Betroffene können sich noch einschreiben
"Kontrollverlust und subjektives Leiden sind die zwei wichtigsten Kriterien für eine PNS", erklärt Prof. Stark und verweist auf einen Online-Selbsttest auf der Website des Projekts. Er ergänzt: "Aktuell können wir noch Betroffene aufnehmen, die sich für die Studie einschreiben möchten. Alle Teilnehmenden erhalten psychotherapeutische Unterstützung bei der Überwindung ihrer Pornografie-Nutzungsstörung." Die Teilnehmerzahl liegt bei maximal etwa 320. Das Projekt erprobt und evaluiert zwei Therapieansätze. Dabei ist das Ziel einmal eine Abstinenz und einmal eine reduzierte Nutzung. Teil dieser beiden neuen Versorgungsformen ist auch eine App, die eigens für die Studie entwickelt wurde. Neben einer dritten Gruppe, die nach bisherigen Standards behandelt wird, gibt es auch eine klassische Kontrollgruppe.
Ziel: Versorgung verbessern und Thema enttabuisieren
"Für Betroffene gibt es bislang noch wenige Anlaufstellen. Daher ist das Projekt gut und wichtig. Außerdem ist es ein Schritt dahin, das sehr stark schambehaftete Thema Pornografie-Nutzungsstörung zu enttabuisieren", sagt Stefan Groh, Leiter der TK-Landesvertretung Saarland. "Wir als TK wollen mit unserem Engagement einerseits die Versorgung der Betroffenen verbessern. Andererseits verfolgen wir auch präventive Ziele. Pornografie ist Teil der modernen Medienrealität und durch das Internet ständig verfügbar. Entscheidend ist - wie generell beim Medienkonsum - ein gesunder Umgang mit den Inhalten. Daher ist es wichtig, Medienkompetenz in allen Altersgruppen zu fördern", führt Groh fort.
Dass das Thema PNS bislang auch in der Psychotherapie zu wenig Beachtung erfährt, zeigt eine Umfrage vor dem Start von PornLoS: Etwa 60 Prozent der befragten Psychotherapeutinnen und -therapeuten im Saarland, in Rheinland-Pfalz und Hessen gaben an, sich schlecht oder sehr schlecht mit dem Krankheitsbild auszukennen. Eine telefonische Umfrage in 28 Kliniken der drei Bundesländer zeigte außerdem, dass nur drei Krankenhäuser spezifische Behandlungsangebote anbieten.
An der Umsetzung des Projekts sind in den drei Bundesländern nun nicht nur acht ambulante psychotherapeutische Koordinationszentren beteiligt, sondern auch rund 150 niedergelassene Psychotherapeutinnen und -therapeuten, die speziell für die Behandlung von PNS geschult werden. Damit steht schon jetzt fest: Unabhängig von der Evaluation des Projektes wird sich die Versorgungssituation verbessern.
Ausführliche Informationen zu dem neuen Behandlungsangebot sind auf der Projekt-Website unter www.pornlos.de veröffentlicht.
Hinweis für die Redaktion
Die Schätzung von deutschlandweit etwa einer Million Menschen, die von einer Pornografie-Nutzungsstörung (PNS) betroffen sind, bezieht sich auf die Zahl von circa 51 Millionen erwachsenen Männern und Frauen im Alter von 18 bis 65 Jahren. Bei einer Betroffenheit von circa drei Prozent der Männer und einem Prozent der Frauen ergeben sich die Zahlen von circa 750.000 männlichen sowie circa 250.000 weiblichen Personen mit einer PNS.