Priorisierung in einem Gesundheitswesen mit weniger versorgenden Menschen
Position aus Thüringen
Die wohnortnahe Primärversorgung, auch in Sachen Altenpflege, muss für die neue Landesregierung ganz oben auf der politischen Agenda stehen, meint Guido Dressel, Leiter der TK-Landesvertretung Thüringen. In seinem Kommentar schreibt er, wie die nötigen Prioritäten gesetzt werden sollten.
Die gesundheitliche und pflegerische Versorgung der Menschen in Thüringen auch zukünftig sicherzustellen, gehört für die neue Landesregierung ganz oben auf die politische Agenda. Aktives Handeln in Sachen Gesundheit muss zur Chefsache werden.
Wird das einfach sein? Nein. Werden alle Beteiligten der Gesundheitsversorgung alle nötigen Entscheidungen gut finden? Wohl kaum. Dennoch ist es zwingend und überfällig, dass sie getroffen werden.
Wohnortnahe Primärversorgung und Vorfahrt für die Altenpflege
Die Thüringerinnen und Thüringer erwarten von der Gesundheitspolitik der kommenden Jahre vor allem, dass eine flächendeckend gute Gesundheitsversorgung insbesondere in ländlichen Regionen gefördert wird. 98 Prozent der Befragten hielten dieses Thema in einer repräsentativen Forsa-Befragung im Vorfeld der Landtagswahl für wichtig oder sehr wichtig.
Die zu Beschäftigungsrückgang führende Demografie und auch finanziell knappe Ressourcen zwingen dabei zu Priorisierung. Wir leben in einer Welt in der vieles möglich und gern zu haben WÄRE, aber mit einem realistischen Blick nicht umzusetzen ist.
Aus Sicht der TK muss die Priorität in Thüringen auf folgenden drei Punkten liegen: Wir müssen erstens die wohnortnahe Primärversorgung weiterhin sicherstellen. Das heißt, dass sowohl Hausärztinnen und Hausärzte als auch Altenpflegefachleute für alle Menschen in Thüringen ausreichend zur Verfügung stehen. Daraus ergibt sich zweitens der nötige Fokus auf und Vorfahrt für die Altenpflege. Drittens müssen wir tatsächliche Versorgungslücken identifizieren und kreativ schließen.
Gemeinsame Bedarfs- und Versorgungsplanung über alle Bereiche hinweg
Voraussetzung für all das ist eine ehrliche Bestandsaufnahme in den einzelnen Regionen. Dafür müssen Bedarfe und Strukturen sektorenübergreifend geplant werden. Der Ausgangspunkt dafür sind die zu versorgenden Menschen, nicht Strukturen, die es "schon immer so" gibt. So können mittel- und langfristig Doppelstrukturen vermieden und Ressourcen geschont werden. Und ja: Kurzfristig ist das aufwendig, anstrengend und in vielen Teilen neu.
Eine bedarfs- und qualitätsorientierte Krankenhausplanung wird damit zum Baustein - einem sehr wichtigen - der übergreifenden Versorgungsplanung.
Ebenso wichtig ist dafür ein modernes ÖGD-Gesetz mit Fokus auf Prävention und Beratung. Der Öffentliche Gesundheitsdienst, also die Gesundheitsämter vor Ort, kennt die regionalen Besonderheiten, wichtige Ansprechpartner und Strukturen. Deswegen muss er gestärkt werden. So können zum Beispiel Doppelstrukturen in der Gesundheitsförderung und -beratung vermieden werden.
Digitalisierung als verbindendes Element
Viele heute noch mehrfach durchgeführten Untersuchungen, könnten vermieden werden, wenn den Ärztinnen und Ärzten, medizinischem Fachpersonal und Pflegekräften die Daten der anderen Kontakte mit dem Gesundheits- und Pflegewesen zur Verfügung ständen. Doppeluntersuchungen sind nicht nur anstrengend für die Patientinnen und Patienten, sondern binden auch unnötig Ressourcen. Und die wenigsten haben Lust, ihre Krankengeschichte bei jedem Kontakt mit dem Gesundheitssystem neu zu erzählen - oder können sicher sagen, dass sie dabei nichts vergessen.
Für eine bessere Vernetzung zwischen niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten, Krankenhäusern und Pflegediensten zu sorgen, bewerteten 91 Prozent der befragten Menschen in Thüringen im Juli 2024 als wichtig oder sehr wichtig. Damit hat diese Aufgabe in der Forsa-Befragung den zweitwichtigsten gesundheitspolitischen Stellenwert.
Entscheidendes, verbindendes Element ist die Digitalisierung im Gesundheits- und Pflegewesen. Sie kann nicht allein aus Thüringen gestaltet, aber dennoch entscheidend vorangebracht werden.
Denn ob die elektronische Patientenakte der dringend nötige und erhoffte Erfolg wird oder eine Enttäuschung für Versicherte und Partner im Gesundheitswesen, hängt maßgeblich von der Unterstützung jedes Einzelnen ab. Und ja: Auch das wird in der ersten Phase mit großer Wahrscheinlichkeit aufwendig, anstrengend und mit viel Neuem verbunden sein.
Gleichzeitig lohnt es sich, wenn es dadurch am Ende keine gefährlichen Wechselwirkungen von Medikamenten mehr gibt, bei einer Anamnese alles Relevante berücksichtigt werden kann und nicht nur das, woran sich der Patient oder die Patientin gerade erinnert, und eine Röntgenaufnahme oder ein MRT wirklich nur dann gemacht wird, wenn sie nicht kurz zuvor schon an anderer Stelle durchgeführt wurde.
Hinweis für die Redaktion
Für die repräsentative telefonische Umfrage im Auftrag der Techniker Krankenkasse befragte das Meinungsforschungsinstitut Forsa im Mai und Juni 2024 insgesamt 501 Personen ab 18 Jahre bevölkerungsrepräsentativ für das Bundesland Thüringen.