Videosprechstunden: fester Platz in Thüringer Gesundheitsversorgung
Artikel aus Thüringen
Wie in ganz Deutschland haben Videosprechstunden während der Corona-Pandemie auch in Thüringen einen enormen Aufschwung erlebt. Besonders häufig werden Videosprechstunden von Psychotherapeuten und -therapeutinnen angeboten. Nun gingen die Zahlen zurück, bleiben im Vergleich zu vor-Corona aber auf hohem Niveau.
Rund 29.200 Videokonsultationen rechneten Thüringer Kassenärzte und Psychotherapeuten im Jahr 2022 ab. Das sind in etwa so viele, wie allein im ersten Halbjahr 2021. Im ersten Corona-Jahr 2020 wurden 33.700 und damit bereits etwa 197-mal mehr so viele Videosprechstunden wie 2019, vor der Pandemie, abgerechnet.
Die Zahl der Videosprechstunden geht zwar leicht zurück, es zeigt sich jedoch, dass sie einen festen Platz in der Thüringer Gesundheitsversorgung eingenommen haben.
Sucht man im Arztverzeichnis der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen (KVT) nach Ärzten und Psychotherapeuten, die Video-Sprechstunden im Leistungsangebot haben, erhält man etwa 840 unterschiedliche Namen (Stand: Juli 2023). Das entspricht jeder und jedem fünften der rund 4.200 ambulant tätigen Medizinerinnen und Mediziner, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten im Freistaat. Innerhalb eines Jahres kamen etwa 200 Ärztinnen, Ärzte, Therapeutinnen und Therapeuten hinzu, die nun auch digitale Sprechstunden anbieten. Vor der Coronapandemie boten nicht einmal 30 KV-Mitglieder Videosprechstunden an.
Hälfte der Angebote aus Psychotherapien
Fast die Hälfte von ihnen, nämlich 377, ist psychologischer Psychotherapeut bzw. -therapeutin (251), Kinder- und Jugendpsychotherapeut:in (97) oder psychotherapeutisch tätiger Arzt oder Ärztin (29).
Bereits im ersten Jahr der Pandemie ist die Zahl abgerechneter Psychotherapien mittels Videosprechstunde enorm gestiegen. Im ersten Quartal des Jahres 2020 wurden 27 Therapiestunden der TK-Versicherten Thüringer abgerechnet. Im zweiten Quartal bereits 409. Das ist eine Steigerung um fast das 15-Fache.
In der Psychotherapie sind die Vorteile der digitalen Technik offensichtlich besonders gut zu nutzen . Auch wenn in Sachen Vertrautheit einige Abstriche gemacht werden müssen und Teile der Körpersprache weniger gut einbezogen werden können als im Vor-Ort-Gespräch, können Therapiegespräche unkompliziert geführt werden - ohne Ansteckungsgefahr und ohne lange Anfahrtswege.
Videokonsultation beim Hausarzt
Jens-Uwe Lipfert und seine Kollegen nutzen seit 2019 Videokonsultationen in ihrer hausärztlichen Gemeinschaftspraxis, zunächst mittels Tablet vor Ort und seit 2020 mit eigenständiger Software.
Digitale Technik gehört zum Praxisalltag, wo sie sinnvolle Unterstützung bietet. So werden zum Beispiel die Online-Terminvergabe oder das Bestellen von Wiederholungsrezepten auf der Internetseite der Hausarztpraxis angeboten.
Auf die Frage, wie er die Entwicklung von Video-Sprechstunden seit Beginn der Corona-Pandemie sieht, hat er uns Folgendes geantwortet:
"Nach einem initialen Anstieg der Nachfrage im Frühling und Frühsommer 2020 sind die Videosprechstunden weniger geworden. Viele Patienten habe doch das direkte Gespräch in unserer geschützten Atmosphäre gesucht. Sicher, weil das Leben zu schnell digital wurde. Bei den Kollegen in unserer Gegend ist es ähnlich gewesen.
Die Politik, private Anbieter und die Krankenkassen haben Arztkontakt mittels digitaler Technik stark in den Fokus gerückt. Mit dem Ziel, physische Kontakte in der Pandemie zu vermeiden, ist das nachvollziehbar. Gleichzeitig waren direkte Patientenanfragen nach Videosprechstunden sehr selten.
Das bestätigt die Erfahrungen, die wir auch schon vor Corona mit Videosprechstunden gemacht haben. Die Technik ist eine sehr sinnvolle und hilfreiche Ergänzung und in manchen Fällen auch eine Alternative zum herkömmlichen Praxisbesuch. Aus diesem Grund arbeiten wir ja auch schon länger damit. Für ein vertrauensvolles Arzt-Patientenverhältnis, dem Grundstein jeder erfolgreichen Behandlung, brauchen wir jedoch den Kontakt vor Ort.
Ich gehe davon aus, dass Videokonsultationen weiter zunehmen, wenn sich das Leben normalisiert hat und Patienten deshalb weniger Zeit haben."
Schwachstelle bei Datenqualität
Ob sich Lipferts Beobachtung auch in den Abrechnungsdaten widerspiegelt, bleibt abzuwarten. Die Abrechnungen aus den Arztpraxen erreichen Krankenkassen aufgrund des quartalsbezogenen Prozesses erst mit einem zeitlichen Verzug von teilweise mehr als sechs Monaten.
Diese Schwachstelle bei der Datenqualität muss dringend behoben werden. Die Möglichkeiten der Digitalisierung sollten auch dafür genutzt werden, Daten aus den Praxen in Echtzeit an die Kassen zu übermitteln.
Zur Person
Jens-Uwe Lipfert ist Facharzt für Allgemeinmedizin, Chirotherapie und Palliativmedizin ist Hausarzt in Wutha-Farnroda. Er arbeitet mit drei Ärztekollegen in einer Gemeinschaftspraxis. Die Ärzte und zehn Praxismitarbeiterinnen versorgen Patienten neben der Hauptpraxis auch in Standorten in Ruhla, Ortsteil Thal und in Mosbach.