"FOMO" - Die Angst, etwas zu verpassen
"FOMO" gilt als erste Social-Media-Krankheit. Wer gefährdet ist, wie die Symptome aussehen und wie man aus der "FOMO"-Falle wieder herausfindet.
Das Leben der anderen
Der Kollege postet auf LinkedIn aus dem Coworking Space in Kapstadt, die beste Freundin zeigt im Insta-Feed ihre Lieblingswerke aus der Basquiat-Ausstellung und der beste Kumpel macht einen Livestream vom Konzert seiner Lieblingsband. Und man selber? Liegt mit einer Tüte Chips auf der Couch, scrollt durch seinen Newsfeed und fühlt sich schlecht. Dieses Gefühl hat einen Namen: "FOMO", kurz für "Fear Of Missing Out", die Angst, etwas zu verpassen.
Yeah, wir sind auch da!
Warum ist mein Leben eigentlich so langweilig?
Diese Angst ist nicht neu, die gibt es schon, seit sich der Mensch entschlossen hat, in einer Gemeinschaft mit anderen zu leben. Doch heute, wo wir durch die digitalen Medien und mobilen Kommunikationsmittel fast zeitgleich am Leben unserer Freundinnen und Freunde, an dem von Bekannten und Unbekannten teilnehmen können, nagt die Sorge, etwas zu verpassen, ständig in unserem Hinterkopf. Das sorgt für Stress. Selbstzweifel tauchen auf - und die Frage: "Warum ist mein Leben eigentlich so langweilig?"
Ausgelöst wird "FOMO" durch den permanenten Stream von Videos, Fotos und Postings auf unserem Smartphone: Postkartenmotive aus aller Welt, Erfolgsgeschichten aus dem Job, das perfekte Familienglück - schön, spektakulär, sorgsam kuratiert und häufig weit weg von der Realität. "Bringe gerade das Altglas weg" oder Urlaubsfotos von einem total überfüllten Strand postet kaum jemand. Kein Wunder, dass Menschen, die häufig durch diese auf Hochglanz polierte Welten scrollen, frustriert, mitunter sogar depressiv werden.
Irgendwo schlummert immer die Ungewissheit: Kommt vielleicht beim nächsten Klick noch eine bessere Option um die Ecke?
Permanenter Vergleich mit anderen
Doch nicht nur der ständige Vergleich mit anderen führt zu "FOMO". Dazu kommt noch ein anderer Faktor: Egal, ob im Job, im Studium, in der Freizeit und bei der Partnerwahl, in unserer heutigen Gesellschaft bieten sich immer mehr Möglichkeiten. Was es schwieriger macht, sich einfach mal für etwas zu entscheiden und dabei zu bleiben. Irgendwo schlummert immer die Ungewissheit: Kommt vielleicht beim nächsten Klick noch eine bessere Option um die Ecke? Dies führt zu einer inneren Unruhe, kann sogar Schlafstörungen auslösen.
Einfach mal genießen?!?
Wer unter "FOMO" leidet, verliert die Fähigkeit, Dinge einfach nur zu genießen. Im schlimmsten Fall ergeht es einem wie Bianca Bosker, die das Technologie-Resort der US-amerikanischen Huffington Post leitete. Sie outete sich als eines der ersten "FOMO"-Opfer und berichtete von Symptomen wie Schweißausbrüchen, Juckreiz, innerer Unruhe und zwanghaftem Aktualisieren der Social-Media-Feeds.
Man klickt sich durch seine Accounts, um anderen Menschen näher sein - und fühlt sich am Ende nur noch schlechter.
Woran Sie erkennen, dass Sie unter "FOMO" leiden:
- Sie fühlen sich niedergeschlagen, wenn sich Ihre Freunde treffen, Spaß haben und Sie nicht dabei sind.
- Sie vergleichen Ihr Leben mit dem von Freunden und anderen Menschen und fürchten, dass Sie schlechter abschneiden.
- Sie fühlen sich unruhig und nervös, wenn Sie nicht wissen, was Ihre Freunde im Moment treiben.
- Während Sie etwas unternehmen, denken Sie bereits darüber nach, auf welchen Social-Media-Kanälen Sie das Erlebte teilen werden.
- Sie bewegen sich routiniert in sozialen Netzwerken, checken ganz automatisch den Newsfeed, auch während des Essens oder in Gesellschaft.
- Sie können sich schlecht auf Ihre Arbeit konzentrieren, weil Sie den Drang verspüren, online zu sein.
- Sie haben sogar während des Autofahrens das Bedürfnis, auf das Smartphone zu schauen.
Wer generell unzufrieden mit seiner Lebenssituation ist, leidet stärker unter "FOMO". Und so ergibt sich eine verhängnisvolle Spirale: Die Angst, etwas zu verpassen, führt zu intensiverer Nutzung von Sozialen Medien. Wer unter "FOMO" leidet, scrollt durch seine Accounts, um anderen Menschen näher sein - und fühlt sich am Ende nur noch schlechter.
Wie kommen Sie aus der "FOMO"-Falle wieder heraus?
- Jeder Mensch ist anders. Vielleicht sind Sie gar nicht der Typ, der jedes Wochenende bis in die Morgenstunden im Klub feiert, vielleicht träumen Sie überhaupt nicht von einer Weltreise, weil Sie sowieso nach zwei Wochen Heimweh bekommen? Konzentrieren Sie sich auf die Dinge, die für Sie persönlich wichtig sind. Und bemühen Sie Ihre Fantasie. Ihre Freundin tanzt im Regen auf einem hippen Festival? Denken Sie daran, dass sie gleich in einem Zelt schlafen muss, das schon halb im Schlamm versunken ist. Na, wollen Sie immer noch tauschen?
- Erinnern Sie sich daran, dass Ihr Leben gut ist, so wie es ist. Auch wenn Sie an einem Freitagabend mit der Katze auf dem Bauch auf dem Sofa liegen und netflixen.
- Es gibt Apps, die "FOMO" vorbeugen und helfen sollen, den Internetkonsum wieder in geregelte Bahnen zu lenken. Die App Menthal zum Beispiel, eine Art Anleitung zur Selbstkontrolle, überwacht jede Tätigkeit am Handy und verhilft zu detaillierten Informationen über das eigene Nutzungsmuster. Auch die Bildschirmzeit-Anwendung auf dem Smartphone gibt eine detaillierte Übersicht, wie viel Zeit mit welchen Apps verbracht wird. Hier können individuell auch Limits gesetzt und zum Beispiel die tägliche Nutzungszeit für Instagram oder TikTok auf eine bestimmte Minutenanzahl eingeschränkt werden.
- Wenn alles nicht hilft, empfiehlt sich eine digitale Entgiftungskur. In Seminaren und Workshops lernt man, sein Leben ohne ständige Ablenkung durch Soziale Medien und Internetkonsum zu gestalten (thedigitaldetox.de). Wichtigster Lerneffekt: Es ist völlig okay, auch mal etwas zu verpassen.
- Oder probieren Sie doch einfach einmal TK Smart Relax .
JOMO: Jetzt wird verpasst
Vielleicht reicht es aber auch aus, einfach mal das Handy liegen zu lassen und den Moment zu genießen. Gemeinsam fällt dieser "Entzug" übrigens einfacher: Wenn im Freundes- oder Familienkreis gegessen oder gefeiert wird, einfach mal alle Handys stapeln und für die nächsten Stunden unangetastet lassen. Wenn die anderen eh nichts posten oder konsumieren können, sinkt auch die eigene "FOMO" - und macht Platz für die Gegenbewegung: "JOMO". "Joy Of Missing Out", die Freude daran, etwas zu verpassen.