Mutig mitentscheiden
Bisher laden nur wenige Brustzentren ihre Krebspatientinnen zu einer "interdisziplinären Tumorkonferenz" ein, bei der verschiedene Fachrichtungen gemeinsam über die beste Therapie beraten. Eine neue Studie der Universität Bonn erforschte jetzt, wie die beteiligten Frauen ihre Teilnahme an einer Tumorkonferenz erlebten.
In der modernen Krebsbehandlung entscheidet nicht mehr eine Fachrichtung allein, welche Therapie durchgeführt wird. Aus diesem Grund führen die meisten Krebszentren heute Tumorkonferenzen durch, die auch englisch "Tumorboard" genannt werden. Allerdings nehmen daran bisher nur 5-7 Prozent der Betroffenen teil. Internationale Forschung zeigt aber, wie sinnvoll es sein kann, Menschen mit einer Krebserkrankung stärker in die Entscheidungsfindung und Planung der Therapie mit einzubeziehen.
Wichtig zu wissen: Die meisten Frauen mit Brustkrebs werden heute an zertifizierten Krebszentren behandelt. Tumorkonferenzen gehören zum Standard, allerdings bisher meist ohne Beteiligung der betroffenen Frauen. Die PINTU-Studie der Universität Bonn untersuchte deshalb, gefördert von der Deutschen Krebshilfe e. V., ob Frauen von einer Teilnahme profitieren und was zum Wohl aller Beteiligten zu beachten ist.
Gemeinsam entscheiden in der Onkologie: Tumorkonferenz
In einer Tumorkonferenz sitzen mehrere Fachleute an einem Tisch und diskutieren die vorliegenden Befunde aus unterschiedlichen Perspektiven, beispielsweise der Radiologie, Onkologie und Chirurgie. Manchmal kommen weitere Fachleute aus der Psychoonkologie, Schmerztherapie oder Ernährungsberatung hinzu. Sie erarbeiten dabei eine gemeinsame Empfehlung, welche Therapie die wenigsten Nebenwirkungen und den größten Erfolg verspricht. Dabei berücksichtigen sie aktuelle Forschungsergebnisse ebenso wie soziale Faktoren und den individuellen Stand der Erkrankung.
PINTU-Studie: Wie erleben Frauen mit Brustkrebs eine Tumorkonferenz?
Ein Forschungsteam der Universitätskliniken Bonn und Köln hat jetzt 87 Frauen mit Brustkrebs vor, direkt nach einer Tumorkonferenz und 4 Wochen später über ihr Erleben befragt. Parallel dazu werteten sie Interviews mit Fachleuten aus, die an der Tumorkonferenz beteiligt waren.
Ergebnisse: Die Mehrheit der Frauen empfand die Teilnahme als positiv, allerdings sind nur 61 Prozent laut eigener Angaben an der Entscheidung aktiv beteiligt worden. Nur wenige Frauen berichteten, dass sie sich durch die Teilnahme verunsichert fühlten und mehr Angst als vorher hatten. Insgesamt empfanden aber die meisten Frauen mit Brustkrebs die Teilnahme als positiv und würden anderen Frauen eine Teilnahme empfehlen.
Fazit: Auch wenn die Zahl der teilnehmenden Frauen nicht sehr groß war und die Vergleichbarkeit durch sehr unterschiedliche Abläufe der Tumorkonferenzen erschwert ist, stellt das Ergebnis dieser Studie einen Meilenstein in der Onkologie dar. Sie zeigt deutlich, wie wichtig es ist, Frauen auf eine gute, stärkende Weise in die Planung der Therapie von Brustkrebs mit einzubeziehen. Im nächsten Schritt muss überlegt werden, wie dies sowohl für die Frauen als auch für die beteiligten Fachleute optimal gelingen kann.
Das bedeutet für Sie: Fragen Sie das Team Ihres Krebszentrums oder in Ihrer niedergelassenen onkologischen Praxis, ob die Teilnahme an einer Tumorkonferenz über Ihre Erkrankung grundsätzlich möglich wäre.
Besprechen Sie im Vorfeld offen und sich selbst gegenüber ehrlich, was Sie wissen möchten und was lieber nicht. Wenn Sie sich dafür entscheiden, können Sie - wenn an diesem Zentrum möglich - an der gesamten Konferenz teilnehmen oder nur zu einem späteren Zeitpunkt dazukommen. Dies hat den Vorteil, dass sich die Fachleute zunächst ohne Rücksicht auf Ihr Erleben austauschen können und dadurch schneller zu einer Empfehlung kommen, die aber im zweiten Schritt gemeinsam mit Ihnen diskutiert wird. In jedem Fall sollten Sie aber unabhängig von einer Teilnahme Ihre Wünsche und Bedürfnisse an die Therapiewahl "mit ins Rennen" schicken, denn die beste Chance auf Heilung besteht, wenn Sie die Therapie mittragen können.