Prävention bietet vielfältige Ansatzpunkte
Interview aus Saarland
Dr. Matthias Schömann-Fick war lange Zeit Leistungsruderer. Seit 2010 ist er an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement als Dozent im Einsatz und setzt sich für das wichtige Thema Prävention ein. Im Interview erläutert er unter anderem, wo die neue Bundesregierung ansetzen muss, um die Prävention besser im Alltag der Menschen zu verankern.

TK: Es gibt aktuell viele Herausforderungen im deutschen Gesundheitssystem. So gibt es im Vergleich zu anderen Ländern mehr Arzt-Patienten-Kontakte und mehr Krankenhausaufenthalte. Kann Prävention hier helfen und wenn ja, wie?
Dr. Matthias Schömann-Finck: Die genannten aktuellen Herausforderungen im deutschen Gesundheitssystem können auf jeden Fall durch Prävention angegangen werden. Diese kann auf verschiedenen Ebenen ansetzen. Einerseits die Unterstützung Gesunder, gesund zu bleiben (Primärprävention). Aber auch die frühzeitige Unterstützung nach einer Krankheitsdiagnose (Sekundärprävention) und im weiteren Verlauf der Erkrankung (Tertiärprävention), um eine Verschlimmerung der Erkrankung oder Folgeerkrankungen zu vermeiden.
Dr. Matthias Schömann-Finck

Gerade bei den heute vorherrschenden Erkrankungen, bei denen das individuelle Verhalten eine große Rolle spielt, bietet Prävention auf allen Ebenen vielfältige Ansatzpunkte. Ein übergeordneter Punkt sollte die Förderung der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung sein. Denn Menschen, die gut informiert sind und über ein grundlegendes Gesundheitsverständnis verfügen, können ihre Gesundheit besser selbst in die Hand nehmen.
TK: In den aktuellen Diskussionen wird sich besonders auf einen Ansatz fokussiert: health-in-all-policies. Wieso ist das der richtige Weg und was ist dabei entscheidend?
Dr. Schömann-Finck: Der Ansatz "Health-in-all-policies" ist von großer Bedeutung, da Gesundheit eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, die eine ressort- und politikfeldübergreifende Zusammenarbeit erfordert. Der Ansatz ist auch nicht besonders neu, aber in Deutschland hat man ihn lange vernachlässigt. So regelt das Präventionsgesetz vor allem die Rolle der gesetzlichen Krankenkassen, ohne ein zusammenhängendes Bild zu zeichnen. Dabei bieten sich viele Ansatzpunkte für Prävention. Auf kommunaler Ebene kann beispielsweise durch die Schaffung von Orten mit geringer Luftbelastung und attraktiven Grün- und Wasserflächen niedrigschwellig etwas für die Gesundheitsförderung unternommen werden.
TK: Was muss die kommende Bundesregierung und insbesondere das neue Bundesgesundheitsministerium unternehmen, um Prävention wirksamer und effektiver im Alltag der Menschen zu verankern?
Dr. Schömann-Finck: Die neue Bundesregierung muss eine ambitioniertere nationale Präventionsstrategie als die bisherige entwickeln und den aktuellen Flickenteppich an Verantwortlichkeiten und Kostenträgern reduzieren. Infolgedessen sollten vor allem niedrigschwellige, sichtbare und passgenaue Angebote geschaffen werden. Der Fokus sollte dabei nicht nur auf ärztlichen Maßnahmen liegen, sondern auch andere Lebensbereiche einbeziehen. Wichtig ist zudem, die Angebote an die Bedürfnisse der jeweiligen Zielgruppen anzupassen, um eine höhere Teilnahmequote zu erreichen.
TK: Das Saarland ist bekannt für sein sehr aktives Vereinsleben. Wie können die Sportvereine noch besser eingebunden werden, um Prävention weiter voranzutreiben?
Dr. Schömann-Finck: Die Vereine, aber auch kommerzielle Fitnessstudios und Anbieter wie die Volkshochschulen sind ein wichtiger Baustein der Gesundheitsförderung, insbesondere im Bereich Bewegung. Es wäre wünschenswert, diese Vielfalt der Sportangebote auch unter dem Gesichtspunkt "Gesundheit" deutlicher hervorzuheben. Wichtig ist die Zusammenarbeit zwischen Schulen und Sportvereinen im Rahmen von Ganztagsschulen und anderen Kooperationen zu stärken, um bereits in jungen Jahren die Bedeutung von Bewegung zu vermitteln.
TK: Neben der Prävention ist auch die Inanspruchnahme der Früherkennungsuntersuchungen ein wichtiger Faktor für die Gesundheit der Bevölkerung. Doch gerade im Saarland sind die Quoten niedrig. Wo könnte man Ihrer Meinung nach ansetzen, um diese an der Saar endlich zu erhöhen?
Dr. Schömann-Finck: Viele Menschen nehmen medizinische Angebote erst bei akuten Beschwerden wahr, daher ist es wichtig, bereits im Vorfeld über die Vorteile von Früherkennungsuntersuchungen zu informieren.
Um die niedrigen Früherkennungsquoten im Saarland zu erhöhen, sind aus meiner Sicht daher folgende Maßnahmen denkbar:
- Aufklärungskampagnen: Gezielte Informationen über die Vorteile von Früherkennungsuntersuchungen.
- Niedrigschwellige Angebote: Mobile Früherkennungsuntersuchungen, die leicht zugänglich sind.
- Erinnerungssysteme: Einladungen und Erinnerungen per Post oder E-Mail.
- Zusammenarbeit mit Hausärzten: Hausärzte spielen eine wichtige Rolle bei der Empfehlung und Vermittlung von Früherkennungsuntersuchungen.
TK: Wir als Krankenkasse versuchen, die Menschen in ihren sogenannten Lebenswelten abzuholen und dort präventive Angebote zu machen. Wo sehen Sie hier noch Verbesserungspotenzial? Welche Projekte und Ansätze könnten als Vorbild dienen?
Dr. Schömann-Finck: Die Rolle der Krankenkassen für eigene Projekte in den Lebenswelten ist gesetzlich eng auf Projektbasis begrenzt. Es gibt hier zwar durchaus erfolgreiche Projekte die als Vorbild dienen können. Aber, wie schon gesagt: Es könnten sicher größere Anstrengungen zur Vernetzung der Akteure unternommen werden.
Generell könnten die Krankenkassen ihre Präventionsangebote noch stärker an den Lebenswelten der Versicherten ausrichten. Hier können die Kassen den Versicherten durch einen Ausbau digitaler Angebote, die Kooperation mit lokalen Akteuren (zum Beispiel Vereine, Schulen, Unternehmen) und die Entwicklung zielgruppenorientierter Programme noch mehr entgegenkommen.
Zur Person:
Dr. Matthias Schömann-Finck ist zweifacher Weltmeister im Rudern. Der ehemalige Leistungssportler hat einen Master in Politikwissenschaft, Geschichte und Patient Management. Seit 2010 ist er als Dozent an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement und der BSA-Akademie im Fachbereich Gesundheitswissenschaften und UV-Schutz tätig.