Eine ausgebaute Präventionslandschaft als Ziel
Interview aus Saarland
Dirk Mathis ist Geschäftsführer des Vereins "Prävention und Gesundheit im Saarland" - kurz PuGiS. Im Interview erklärt er, warum es unerlässlich ist, die Menschen für das wichtige Thema Prävention zu sensibilisieren, und mit welchen Maßnahmen er und sein Team das versuchen.
TK: Sehr geehrter Herr Mathis, der Krankenstand ist im Saarland ist im vergangenen Jahr auf neue Rekordwerte geklettert. Wie kann Prävention hier helfen?
Dirk Mathis: Bezüglich des Krankenstandes ist aus meiner Sicht eine differenzierte Betrachtung zwingend notwendig. Eine Kausalerklärung kann nicht eindimensional, selbst nicht bei übertragbaren Krankheiten erfolgen. Noch schwieriger wird es bei massenhaft auftretenden verhaltensbedingten Zivilisationskrankheiten, wie zum Beispiel Adipositas, Diabetes mellitus Typ 2 oder Herz- und Gefäßkrankheiten, meist einhergehend mit multifaktorieller Genese.
Eine gezielte Prävention und Gesundheitsförderung in jeder Lebensphase und in verschiedenen relevanten Settings ist daher von entscheidender Bedeutung, wenn man die Anzahl der Erkrankungen reduzieren will. Prävention richtet sich dabei am gesundheitsrelevanten Verhalten von Individuen aus, Gesundheitsförderung setzt zudem bei der Verbesserung von umgebenden gesundheitlichen Verhältnissen an. Beide Interventionen ergänzen sich dementsprechend sinnvoll und tragen nachgewiesenermaßen ihren Teil dazu bei, dass chronische, nicht übertragbare Krankheiten, gar nicht erst entstehen, zumindest aber, dass das Risiko daran zu erkranken, reduziert wird.
Eine gezielte Prävention und Gesundheitsförderung in jeder Lebensphase und in verschiedenen relevanten Settings ist von entscheidender Bedeutung.
TK: Wo liegt aktuell der Arbeitsschwerpunkt Ihres Teams?
Mathis: Die primäre Satzungsaufgabe unseres Vereines ist die Förderung der Gesundheit und der Prävention von Krankheiten in der saarländischen Bevölkerung. Durch die derzeit vier unterschiedlichen Projektbereiche, die bei PuGiS e. V. angesiedelt sind ("Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit", "Teamw()rk", "Generation Z - wie Zukunft" und "Das Saarland lebt gesund") kommen wir der Bewältigung dieser Aufgabe nach. Dabei gehen wir unterschiedliche Wege, um eine gesundheitsförderliche Landschaft der Prävention beziehungsweise Gesundheitsförderung im Saarland gemeinschaftlich mit vielen Playern der Gesundheitsbranche zu entwickeln.
Wir brauchen gerade im entscheidenden kommunalen Setting möglichst viele Multiplikatoren, die in ihren jeweiligen Verantwortungsbereichen auch immer gleich Prävention und Gesundheitsförderung mitdenken. Projektübergreifend gelingt dies zum Beispiel mit ständiger Netzwerkarbeit sowie der Durchführung von Fachtagungen oder Workshops. Aber auch themenspezifische Informationsveranstaltungen sind als Instrumente der Sensibilisierung für Prävention und Gesundheitsförderung wichtig und notwendig.
Wir brauchen gerade im entscheidenden kommunalen Setting möglichst viele Multiplikatoren.
TK: Mit "Das Saarland lebt gesund!" verantwortet die PuGiS ein wichtiges Netzwerk zur Gesundheitsförderung. Was macht es aus und welche Erfolge kann es bisher aufweisen?
Mathis: Das vom Land und der GKV finanzierte und unterstützte Programm "Das Saarland lebt gesund!" setzt genau dort an. Vernetzung, vor allem der relevanten kommunalen Akteure ist dabei eine der Kernaufgaben. Dies geschieht beispielsweise durch verschiedene Austauschformate auf Landes-, Landkreis- oder kommunaler Ebene. Neben der Vernetzung sind aber auch Informationsveranstaltungen eminent wichtig, die sich vor Ort an Bürgerinnen und Bürger richten, um notwendige Aufklärungsarbeit zu leisten und für spezifische Themen zu sensibilisieren. Wir begleiten, unterstützen und beraten Kommunen, während des Aufbaus gesundheitsförderlicher Strukturen. Das Netzwerk macht darüber hinaus aus, dass es von Partizipation und Empowerment der einzelnen Akteure getragen wird.
Das langfristige Ziel ist. wie erwähnt, eine saarlandweit flächendeckende Präventionslandschaft aufzubauen und zu etablieren. Derzeit sind alle saarländischen Landkreise sowie der Regionalverband Kooperationspartner. Von den 52 saarländischen Kommunen sind derzeit 35 dem Netzwerk zugehörig. Man kann daher feststellen, dass die Gesundheitsförderung, bzw. Prävention von immer größerer Bedeutung ist - auch für die kommunalen Amtsträger. Ebenso schließen sich unserem Netzwerk immer mehr Institutionen an, die ihren Input, bzw. ihre Expertise in das Netzwerk einbringen. Man kann auch festhalten und objektiv belegen, dass wir mit unseren niedrigschwelligen Angeboten immer mehr Saarländerinnen und Saarländer in verschiedenen Settings erreichen und leisten so unseren Beitrag zu einem "gesünderen Saarland".
Das langfristige Ziel ist eine saarlandweit flächendeckende Präventionslandschaft aufzubauen und zu etablieren.
TK: Wie könnte man aus Ihrer Sicht im Saarland mit den Präventionsangeboten noch mehr Menschen erreichen und welche Schwerpunkte sollten diese haben?
Mathis: Grundlage für das Setzen von Schwerpunkten muss immer eine Ist-Stand-Analyse sein. Dementsprechend zu analysieren, welche Angebote es schon gibt und wo durchaus weitere Aktivitäten sinnvoll wären. Dies muss immer in Absprache mit den Kommunen passieren. Dabei müssen diese beispielsweise auch mitbestimmen können, für welche Lebensphase neue kommunale Impulse gesetzt werden sollen.
Es gibt aber auch immer wieder Entwicklungen und Trends, die in Zusammenhang mit Gesundheitsförderung und Prävention zu setzen sind, zum Beispiel im Bezug zu den primärpräventiven Handlungsfeldern. Ein wichtiger Ansatzpunkt ist hier zum Beispiel ein verändertes gesellschaftliches Bewegungsverhalten, auch bedingt durch weltweite Krisen und deren Konsequenzen. Aber auch Megathemen unserer Zeit wie der Zusammenhang zwischen Klimawandel und Gesundheit müssen immer wieder in die Überlegungen mit einbezogen werden.
Um immer mehr Menschen mit den Angeboten zu erreichen, müssen diese noch bekannter gemacht werden. Denn nur wer seine Auswahl kennt, kann eine Wahl treffen. Ebenso ist es wichtig, die gewünschten Zielgruppen von Anfang an in die Planungen mit einzubeziehen und dadurch eine größere Identifikation mit den Angeboten herzustellen.
Um immer mehr Menschen mit den Angeboten zu erreichen, müssen diese noch bekannter gemacht werden. Denn nur wer seine Auswahl kennt, kann eine Wahl treffen.
TK: Was wünschen Sie sich von den Playern im Gesundheitswesen, um die Prävention im Saarland weiter voranbringen zu können?
Mathis: In Anbetracht der immer weiter steigenden Krankenstände benötigen wir noch größere Kraftanstrengungen in den Bereichen Prävention und Gesundheitsförderung. Ohne diese verstärkten Initiativen, beziehungsweise die nachhaltige Verstetigung von kurzfristigen Projekten werden wir die gestellte, gesamtgesellschaftliche Aufgabe nicht erfolgreich bewältigen können. Wir benötigen daher eine immer weiterwachsende Sichtbarkeit, mehr Zugänge in bestimmten Settings und zielgruppenspezifische Aktionen im Bezug zu gesundheitsförderlichen, bzw. präventiven Maßnahmen. Darüber hinaus müssen wir es schaffen, dass alle Stakeholder und Verantwortliche im Bezug zu gesundheitlichen Themen an einem Strang ziehen, um diese elementare Zukunftsaufgabe auch für das Saarland zu meistern.
Dies kann erreicht werden, durch eine noch weiter verstärkte, zielgerichtete, institutions- und lebensphasenübergreifende Zusammenarbeit aller Beteiligten, die dann durch positive, gemeinschaftliche Erlebnisse oder Ergebnisse der Zusammenarbeit zusätzlich motiviert werden. Diese Erlebnisse sind dann der Katalysator für eine sich immer weiter entwickelnde Präventionslandschaft im Saarland.