Präventionsprogramm für Pflegeeinrichtungen - Bericht aus einem Bremer Pflegeheim
Interview aus Bremen
Das von der TK unterstützte bundesweite Modellprojekt PROCARE entwickelt bedarfsgerechte Präventionsprogramme für Altenpflegeeinrichtungen. Die Zielgruppe sind neben den Mitarbeitenden auch die pflegebedürftigen Bewohnerinnen und Bewohner. Eine der teilnehmenden Einrichtungen ist der Almata-Stift in Bremen-Walle. Wir haben die Einrichtungsleiterin Ulrike Vogt und die Leitung des therapeutischen Dienstes Emilia Schoß zu Ihren gemachten Erfahrungen befragt.
TK: Wie sind Sie auf das Projekt PROCARE aufmerksam geworden und was hat Sie zu Ihrer Bewerbung motiviert?
Ulrike Vogt: Der Kontakt zum Projekt PROCARE ist über das Neurologische Rehazentrum in Friedehorst zustande gekommen, genau genommen über einen ehemaligen Mitarbeiter, der auch mit unserem Haus noch vertraut ist. Wir waren sofort angetan, da die Inhalte eine gute Ergänzung zu unserem bestehenden Angebot darstellen. Bei unseren Bewohnern und Bewohnerinnen gibt es ein großes Bewegungsinteresse, für die wollten wir etwas tun.
TK: Welche Rolle spielen denn Gesundheitsaspekte in Ihrer alltäglichen Arbeit?
Vogt: In unserer Einrichtung wird der Präventionsgedanke gelebt. Das heißt therapeutische Behandlungen wie Krankengymnastik, Ergotherapie oder Logopädie sind elementarer Bestandteil unseres Angebots. Dazu kommt das Thema Ernährung. Wir haben einen eigenen Garten, der von unseren Bewohnern und Bewohnerinnen selbst bewirtschaftet wird, das Obst und Gemüse wird von unserer Küche verwertet. Das Thema Gesundheit spielt somit immer eine Rolle in unserem Alltag.
TK: Wie verlief der Start? Eine Besonderheit von "Procare" ist ja, dass die beteiligten Einrichtungen an der Planung und Gestaltung der Maßnahmen mitwirken.
Emilia Schoß: Wir waren tatsächlich in die Planung miteingebunden und konnten beispielsweise die Schwerpunkte im Programm selbst wählen. Wir haben die Bewohner dementsprechend in Gruppen eingeteilt und den Therapeutinnen und Therapeuten wurden die individuellen Bedarfe mitgeteilt. Auch aus dem Team heraus wurden Ideen und Wünsche für das Programm berücksichtigt.
TK: Welche Maßnahmen haben Sie dazu entwickelt und wie hat die Umsetzung geklappt?
Schoß: Auf Seiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind Ergonomie-Schulungen gestartet. Das sind Praxisanleitungen, die zum Beispiel vermitteln, wie man seinen Körper geschickt einsetzen kann um sich die Arbeit zu erleichtern. Daneben gibt es leichte Sporteinheiten mit entsprechenden Bewegungs- bzw. Dehnübungen.
Die wöchentlichen Termine für die Bewohner und Bewohnerinnen umfassen Gangtraining, Sitz-/Gymnastik, Kräftigungsübungen und Koordinations- und Beweglichkeitsschulungen. Hierbei stehen Bewegung und Kognition stehen im Vordergrund.
Die Umsetzung der Trainingseinheiten erfolgt durch interne wie externe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dazu gehören Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Gymnastiktrainer. Jeweils eine bzw. einer unserer Pflegekräfte hat die Übungseinheiten für die Bewohnerschaft von Beginn an zusätzlich begleitet.
TK: Welche Auswirkungen hatte Corona auf das Projekt und Ihre Einrichtung?
Schoß: Mit Beginn der Corona-Pandemie ging ein starker Bruch einher. Wir mussten die Projektmaßnahmen für anderthalb Jahre unterbrechen. Neben anderen Veranstaltungen sind somit auch diese "Rituale" weggebrochen, mit entsprechend negativen Effekten. Das ist sehr schade für uns gewesen.
TK: Wie ist die Resonanz auf die Angebote und gibt es bereits Ergebnisse des Projekts?
Schoß: Die wöchentlichen Termine werden von den Bewohnern und Bewohnerinnen gut angenommen. Vielen kommen und machen mit, weil da einfach was los ist. Mit dem Angebot PROCARE erreichen wir einen noch größeren Kreis unserer Bewohnerschaft. Bei der Gruppe der Gehfähigen fehlen uns sogar freie Plätze.
Bei den Mitarbeitenden wird vor allem das Angebot mit Praxisanleitung gut angenommen. Dieses wurde nach anfänglichen Schwierigkeiten noch einmal indiviuell angepasst. Die Bewegungsübungen finden ebenso im Kollegenkreis statt, da gibt es mitunter noch Hemmschwellen, die Einzelne von der Teilnahme abhalten.
Vogt: Was die Gesamtergebnisse betrifft gibt es einen Abschlussbericht der ersten Projektphase - mit einem sehr erfreulichen Ergebnis: unter den Bewohner lässt sich ein verstärktes soziales Miteinander, sowie eine größere Hilfsbereitschaft feststellen. Auch im Team gibt es Positivbeispiele, wie etwa Neuanmeldungen im Fitnessstudio.
TK: Was für Maßnahmen haben Sie noch in Planung für den kommenden Zeitraum?
Vogt: Wir werden die begonnen Maßnahmen in der bisherigen Form fortführen. Dies geschieht im Rahmen des Antrags "Starke Pflege", mit dem uns weitere Mittel zur Verfügung stehen. Gerade auf Seiten der Präventionsangebote für Mitarbeitenden können wir hier noch weiteres Potenzial ausschöpfen.
TK: Würden Sie noch einmal teilnehmen bzw. das Projekt "Procare" anderen Einrichtungen empfehlen?
Vogt: Für uns ist dieses Projekt ein tolles Geschenk, da sowohl die Bewohnerinnen und Bewohner als auch das Team davon profitieren. Wir würden auf jeden Fall erneut mitmachen und haben das Programm auch schon mit Erfolg anderen Altenpflege-Einrichtungen empfohlen.
TK: Vielen Dank an Sie beide für das freundliche Gespräch!
Hintergrund
Das TK-Modellprojekt PROCARE erarbeitet und evaluiert ein Präventionsprogramm für Mitarbeiter:innen und Bewohner:innen von stationären Pflegeeinrichtungen. Im Rahmen des von der Universität Hamburg geleiteten Projekts werden die Präventionsbedarfe in den unterschiedlichen Einrichtungen detailliert analysiert. Ziel ist die Förderung von Gesundheitspotenzialen über bedarfsgerechte Interventionen. Daraus wird ein Leitfaden für wirksame Präventionsarbeit in Pflegeeinrichtungen mit verschiedenen Grundvoraussetzungen entwickelt. Das Ergebnis des Projekts soll ein Modell sein, wie Präventionsarbeit in Pflegeeinrichtungen mit verschiedensten Grundvoraussetzungen gelingen kann und welche Erfolge mit dem strukturierten Vorgehen (Umsetzung des Leitfadens Prävention) von "PROCARE" für stationäre Pflegeeinrichtungen zu erwarten sind.
Der Almata-Stift in Bremen-Walle wurde im April 2003 eröffnet und beschäftigt 51 Personen. Auf insgesamt 60 Plätzen werden Bewohner und Bewohnerinnen der Pflegestufen 2-5 in stationärer Dauerpflege oder Kurzzeitpflege betreut. Die evangelische Einrichtung gehört zur Stiftung Friedehorst, die dem Diakonischen Werk Bremen als Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege angeschlossen ist.