Im Interview erläutert uns Frau Stückmann, wie groß das Bewusstsein bei den Schülerinnen und Schülern für mögliche Rechtsverstöße im digitalen Raum ist,  berichtet über die gesundheitlichen Folgen von Cybermobbing und sagt ab welchem Alter man mit der Vermittlung von Medienkompetenz beginnen sollte.

Gesa Stück­mann

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Law4School-Initiatorin

TK: Frau Stückmann, mit Law4School widmen Sie sich bereits seit vielen Jahren dem Thema Cybermobbing und Co. Was ist die Kernbotschaft die Sie vermitteln wollen?

Gesa Stückmann: Kinder, Eltern und Lehrer benötigen das rechtliche Grundhandwerkszeug zum Umgang mit den digitalen Medien, um ihre Rechte und mögliche Folgen von Rechtsverletzungen zu kennen. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum und vor allem Cybermobbing hat lebenslange Folgen für die Betroffenen.

TK: Wie groß ist das Bewusstsein bei den minderjährigen Schülerinnen und Schülern für mögliche Rechtsverstöße im digitalen Raum?

Stückmann: Das Bewusstsein ist eher gering. Gelegentlich haben sie schon mal gehört, dass es um Straftaten gehen kann. Aber insbesondere die Möglichkeit für Betroffene, sich zivilrechtlich gegen Verletzungen ihres Persönlichkeitsrechts zu wehren, ist unbekannt.

TK: Die Webinare richten sich an unterschiedliche Jahrgangsstufen. Gibt es wesentliche Unterschiede bei der inhaltlichen Schwerpunktsetzung?

Stückmann: Bei den 5./6. Klassen erkläre ich die rechtlichen Grundlagen zu Cybermobbing und dem Recht am eigenen Bild mit sehr einfachen, altersgerechten Worten. Ergänzend spreche ich dort noch das Thema "Cybergrooming" an. Ab der 7. Klasse erweitere ich dann um die Themen "Kinder- und Jugendpornographie" und "Teilen strafbarer Inhalte über Messenger-Dienste". Für die Klassen ab 10. Jahrgangsstufe geht es zusätzlich noch um sexuelle Belästigung und Hate Speech sowie den Antrag auf Gewaltschutzanordnung.

TK: Wann sollte man aus Ihrer Sicht mit der Vermittlung von Medienkompetenz an Kinder beginnen?

Stückmann: Man sollte schon bei den ganz Kleinen anfangen, die schon auf dem Tablet Youtube-Videos schauen oder Fotos mit dem Smartphone der Eltern machen. Da reichen erste einfache Regeln. Spätestens wenn sie dann ein eigenes Smartphone haben, was leider in der Grundschule immer mehr zunimmt, müssen Eltern dann aktiv begleiten und dürfen sich nicht auf Altersangaben zum Beispiel bei Spiele-Apps verlassen.

TK: Was halten Sie von Verboten? Hat bspw. eine Altersbeschränkung für bestimmte Plattformen ihrer Erfahrung nach einen nennenswerten Effekt auf die Häufigkeit des Auftretens von persönlichen Angriffen dort?

Stückmann: Verbote sind im Internet kaum effektiv durchzusetzen. Altersbeschränkungen sind m.E. wirkungslos, wenn diese nicht wirklich kontrolliert werden können. Kinder melden sich an, auch wenn sie noch jünger sind, indem sie ein falsches Alter angeben oder den älteren Bruder für sich den Account eröffnen lassen. Wichtiger als Altersbeschränkungen ist die Aufklärung, Sensibilisierung zu den Gefahren im Netz sowie entsprechende Anlaufstellen für Betroffene.

TK: Welche gesundheitlichen Folgen nehmen Sie bei Ihren Mandantinnen und Mandanten, die Opfer von Cybermobbing geworden sind, wahr? Welchen Einfluss haben diese bei der straf- oder zivilrechtlichen Verfolgung?

Stückmann: Das reicht von mangelndem Selbstwertgefühl über Schulverweigerung bis hin zu Suizidgedanken. Die gesundheitlichen Folgen können im Zivilrecht Auswirkungen auf die Höhe des Schmerzensgeldes haben. Im Strafrecht wird man in sehr schweren Fällen den Straftatbestand der Körperverletzung bejahen können.

TK: Wie verhalte ich mich, wenn ich oder meine Kinder im Netz gemobbt werden? Gibt es eine "Schwelle" bevor man sich anwaltliche Hilfe suchen sollte?

Stückmann: Da ich ein großer Fan der Schulsozialarbeit bin, empfehle ich immer, zunächst diese einzuschalten. Sollten deren Ansätze keine Wirkung zeigen, wäre eine Erstberatung beim Anwalt sinnvoll. Dieser wird eine Empfehlung aussprechen, ob und wie weiter vorgegangen werden kann. Eine Erstberatung sollte man auf jeden Fall in Anspruch nehmen. Diese steht auch Menschen mit geringem Einkommen offen, da diese vom Gericht "Beratungshilfe" erhalten. Das Gericht bezahlt dann die Erstberatung.

Hintergrund

Im November 2022 erhielten alle Schulklassen von Jahrgang 5-13 im Land Bremen die Möglichkeit, kostenlos am Live-Webinar "Law4School" teilzunehmen. Die Techniker Krankenkasse fördert das Angebot im Rahmen der Gesundheitsprävention. Zusammen mit dem Landesinstitut für Schule (LIS) hat die TK in den vergangenen Jahren bereits verschiedene Konzepte zur Gewaltprävention an weiterführenden Schulen umgesetzt. Mit dem Ziel der Stärkung der Klassengemeinschaft wurde seit 2019 zum Beispiel das digitale Antimobbing-Programm ‘Gemeinsam Klasse sein‘ bereits an vielen Schulen im Land Bremen erfolgreich umgesetzt.