Zur Sache: Jahreswechsel 2023/2024
Interview aus Hamburg
Das Jahr 2023 hat den Menschen insgesamt viel abverlangt: Kriege, Konflikte und der Klimawandel sind herausfordernd für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Zwar wurde die Coronapandemie im April 2023 offiziell für beendet erklärt, doch die Nachwirkungen sind weiterhin spürbar. In der Gesundheitspolitik wurde in diesem Jahr viel angestoßen, aber wenig abgeschlossen.
Maren Puttfarcken, Leiterin der TK-Landesvertretung Hamburg, wirft im Interview einen Blick zurück auf das Jahr 2023 und wagt gleichzeitig einen Ausblick, was im kommenden Jahr wichtig wird.
TK: Frau Puttfarcken, können Sie uns einen Abriss über das vergangene Jahr geben? Was waren Ihre "High-" und was Ihre "Low-lights"?
Maren Puttfarcken: Vor einem Jahr habe ich an gleicher Stelle von den ersten Vorschlägen für eine Krankenhausreform berichtet. Dass hierfür nach einem Jahr kein politischer Konsens gefunden wurde, ist frustrierend. Derzeit sehen wir einen politischen Richtungsstreit zwischen Bund und Ländern. Die aktuelle Klinikstruktur ist historisch gewachsen, und aktuell verlieren wir meines Erachtens etwas Wesentliches aus dem Blick: Den Nutzen für die Patientinnen und Patienten, den eine Krankenhausreform mit sich bringt. Zentrales Argument für die Reform ist ja das Thema Qualität. Wir brauchen mehr Spezialisierung, also eine bessere Planung und Arbeitsteilung zwischen den Kliniken. Wir dürfen hier keine weitere Zeit verlieren - im Interesse der Krankenhäuser, der Fachkräfte und der Patientinnen und Patienten.
Wir verlieren etwas Wesentliches aus dem Blick: Den Nutzen für die Patientinnen und Patienten, den eine Krankenhausreform mit sich bringt.
Im Gegensatz dazu findet ein anderes großes Vorhaben der Regierung pünktlich zum Jahreswechsel einen Abschluss: die weitergehende Digitalisierung im Gesundheitswesen. Das Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) und das Digitalgesetz (DigiG) versprechen echte Fortschritte. Besonders freut uns, dass das E-Rezept in die Apps der Krankenkassen integriert wird. Die Opt-out-Regelung für die elektronische Patientenakte (ePA) wird ein "Game changer" sein. Das Opt-out-Modell garantiert die sichere Informationsweitergabe und vereinfacht die Zusammenarbeit unter den behandelnden Ärztinnen und Ärzten. Das wird auch zu mehr Patientensicherheit beitragen. Doch wir müssen mit aller Kraft daran arbeiten, dass die ePA nutzerfreundlicher wird - für Ärztinnen und Ärzte sowie für Patientinnen und Patienten. Da liegt noch ein Weg vor uns. An dieser Stelle bin ich aber froh, dass wir nun zu den digitalaffinen Nachbarn in Dänemark aufschließen werden!
TK: Was ändert sich zum 1. Januar 2024?
Puttfarcken: Ab dem 1. Januar 2024 wird das rosafarbene Papierrezept nach anderthalb Jahren Vorlaufzeit verpflichtend durch das E-Rezept ersetzt. Versicherte erhalten verschreibungspflichtige Arzneimittel dann nur noch per E-Rezept und können dieses mit ihrer elektronischen Gesundheitskarte (eGK), per App oder mittels Papierausdruck einlösen. Ebenfalls eingeführt wird die GesundheitsID - ein digitaler Ausweis für Gesundheitsanwendungen. So können sich gesetzlich Versicherte über ihr Smartphone zum Beispiel in ihre elektronische Patientenakte einloggen und E-Rezepte herunterladen.
Für die Jahre 2024 und 2025 wurden die Anspruchstage für das Kinderkrankengeld erhöht. So können Elternteile jeweils 15 Kinderkrankengeldtage pro Kind beziehen (statt zehn) und Alleinerziehende pro Kind 30 Arbeitstage (statt 20).
Im Bereich Pflege wird unter anderem das Pflegegeld erhöht, weiterhin gibt es eine Anhebung der Beträge für ambulante Pflegesachleistungen sowie eine Erhöhung der Zuschläge für Pflegebedürftige in vollstationären Pflegeeinrichtungen. Hier sind viele Verbesserungen, die wir begrüßen. Dennoch bleiben die Herausforderungen groß. Ungelöst ist weiterhin, wie es mit den Finanzen der gesetzlichen Krankenversicherung und der Sozialen Pflegeversicherung weitergeht. Auch für den Fachkräftemangel brauchen wir nachhaltige Lösungen.
TK: Hamburgs Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer ist nun ein gutes Jahr im Amt. Wie blicken Sie auf Ihre Arbeit zurück?
Puttfarcken: Frau Senatorin Schlotzhauer hat mit dem aktuellen Zuschnitt der Sozialbehörde wirklich viele drängende Themen in der Hansestadt auf dem Tisch. Dies haben wir bereits bei der Umstrukturierung der Behördenlandschaft nach der Bürgerschaftswahl angemerkt. Aus ihrer Sicht ist es aber eine sinnvolle Verbindung, das hören wir in vielen Gesprächen. Sie betont immer wieder, dass Sozial- und Gesundheitspolitik zusammengehören, und diesen Blickwinkel unterstützen wir.
Frau Schlotzhauer ist in ihrer Rolle gut angekommen und mit allen wichtigen Partnern im Gespräch. Sie schafft es auch, uns hier in Hamburg zu treiben, und spricht Dinge klar und offen an. Ich hoffe, dass wir so gemeinsam gute Lösungen für die drängenden Probleme in der Stadt finden. Mit der Bündelung der SPD-geführten Bundesländer im Bereich Gesundheit hatte die Sozialsenatorin in diesem Jahr eine große Aufgabe. Für ihren Einsatz und den der Sozialbehörde möchte ich an dieser Stelle "Danke!" sagen.
Frau Senatorin Schlotzhauer ist in ihrer Rolle gut angekommen und mit allen wichtigen Partnern im Gespräch. Sie schafft es auch, uns hier in Hamburg zu treiben, und spricht Dinge klar und offen an.
TK: Was wird im kommenden Jahr noch wichtig?
Puttfarcken: All die Gesetzesvorhaben haben natürlich Ressourcen gebunden, wodurch manche Themen ins Hintertreffen geraten sind. Die nachhaltige Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) kann aber nicht weiter aufgeschoben werden. Dazu gehören ein dynamischer Steuerzuschuss und faire Ausgleichszahlungen etwa für Bürgergeld-Empfängerinnen und -Empfänger. Das fordern wir schon seit langem - hier muss unbedingt gehandelt werden.
Und ganz wichtig ist auch: Reformen müssen wir als Investitionen in die Zukunft betrachten. Gesetzesvorhaben, die diesem Anspruch nicht genügen, sind nur weitere Ausgabenposten für die GKV ohne Zusatznutzen für die Versicherten. Daher appellieren wir mit Blick auf die kommenden Versorgungsgesetze, die vorhandenen Strukturen zu nutzen und auszubauen, statt weitere Doppelstrukturen aufzubauen.