#Chefinsache zur Krankenhausversorgung
Interview aus Mecklenburg-Vorpommern
In der aktuellen #Chefinsache widmet sich Manon Austenat-Wied dem stationären Leistungsbereich.
TK: Frau Austenat-Wied, wie ist ihr Blick auf die Krankenhausreform und die aktuellen stationären Strukturen im Bundesland?
Manon Austenat-Wied: Mit dem Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) will der Gesetzgeber die stationäre Versorgung reformieren. Mehr Qualitätsvorhaben und effizientere Strukturen sind das Ziel. Damit dies gelingt, sollen für den heterogenen Markt mit 1700 Kliniken in Deutschland vergleichbare Rahmenbedingungen gelten. Laut aktuellem Krankenhausplan hat Mecklenburg-Vorpommern gegenwärtig (noch) 37 Krankenhäuser. Damit ist klar, dass die überwiegende Anzahl an stationären Häusern außerhalb unseres Bundeslandes liegt. Nur in Bremen und dem Saarland gibt es noch weniger Kliniken. Allerdings gibt es eben auch nur in diesen beiden Bundesländern noch weniger Einwohner als bei uns. Daher scheint die Dimensionierung korrekt.
Der Erhalt aller Krankenhausstandorte ist ein altes politisches Mantra ist. Kein Politiker bzw. keine Politikerin möchte den Menschen in ihrem Wahlkreis erklären, dass das altgediente Krankenhaus geschlossen wird. Dies würde vielerorts als weiterer Rückzug staatlicher Daseinsvorsorge verstanden werden. Gerade dort, wo es an anderen Strukturen fehlt, ist die Verbundenheit mit dem örtlichen Krankenhaus besonders groß. Diese Verbundenheit drückt sich allerdings in den seltensten Fällen in der Nutzung der Strukturen aus. Unsere Umfragen der vergangenen Jahre zeigen, die Menschen fahren lieber weiter zu einer spezialisierten Klinik, wenn es um die optimale Versorgung geht. Die Einrichtungen in den ländlichen Regionen werden oftmals nur für die Grund- und Regelversorgung beansprucht. Eine derart eingeschränkte Leistungsinanspruchnahme macht die wirtschaftliche Situation eines Krankenhauses natürlich nicht einfacher. Wenn immer weniger Menschen ins örtliche Krankenhaus gehen, fließt auch weniger Geld in die Einrichtung. In diesem Fall sind die wirtschaftlichen Schwierigkeiten ein Hinweis auf eine grundlegende Störung der Beziehung von Angebot und Bedarf.
TK: Dürfen Krankenhausschließungen kein Tabu mehr sein?
Austenat-Wied: Die Versorgungsstrukturen müssen zu den Versorgungsbedarfen passen. Und dort, wo die Versorgungsangebote nicht benötigt oder nicht in der nötigen Qualität erbracht werden können, müssen Veränderungen her. Durch die geplante Vorhaltekostenfinanzierung erhalten die Krankenhäuser nach der Reform einen weiteren Vergütungsbestandteil unabhängig von ihrer Leistungsmenge. Die Pflegepersonalkosten werden ohnehin vollständig über ein krankenhausindividuelles Pflegebudget vergütet. Damit ist zukünftig nur noch ein kleiner Teil der Vergütung leistungsabhängig. Umso wichtiger ist es, dass die Leistungen an einem Standort auf die Bedarfe ausgerichtet werden. Für ländliche Krankenhäuser bedeutet dies in der Regel, dass sie ein schmaleres Portfolio erhalten und vorwiegend die Grund- und Regelversorgung übernehmen. Wenn sich im Umsetzungs- und Planungsprozess dann ergibt, dass ein Krankenhausstandort nicht mehr benötigt wird, sollte dieser in eine ambulante Struktur umgewandelt oder ganz geschlossen werden.
TK: Eine Krankenhausschließung besitzt gesundheitspolitischen Sprengstoff.
Austenat-Wied: Veränderungsprozesse entfesseln immer Beharrungskräfte. Ich bin auch weit davon entfernt, die Schließung einzelner Standorte zu fordern. Das Mantra vom Erhalt aller 37 Krankenhausstandorte darf uns aber nicht daran hindern, Dinge zu hinterfragen. Wollen wir alle Standorte erhalten, weil dies der einfachste Weg ist oder benötigen wir die Häuser wirklich für die Versorgung? Die GKV-Versorgungssimulationen zeigen, dass es durchaus Krankenhausstandorte in unmittelbarer Nähe gibt, die besser unter einem Dach vereint werden könnten. Davon würde vor allem das Personal profitieren. Mehr Kolleginnen und Kollegen bedeutet in der Regel auch weniger Druck. Aber natürlich, in einem Bundesland mit über 300 Krankenhäusern wie in Nordrhein-Westfalen sind Krankenhausschließungen ein wesentlich umfangreicheres Thema als in Mecklenburg-Vorpommern.
TK: Gibt es aus ihrer Sicht Veränderungen, die dringend realisiert werden müssen?
Austenat-Wied: Mit übergeordnetem Blick fällt mir auf, dass wir alle Veränderungen stärker an den Bedarfen der Patientinnen und Patienten ausrichten müssen. Die Politik, Verwaltung und Selbstverwaltung müssen Ideen umsetzen, die konkrete Verbesserungen der Versorgung herbeiführen. Das Gesundheitssystem kann keine weiteren Maßnahmen mehr verkraften, die Zusatzkosten ohne spürbaren Mehrwert verursachen.
Eine bessere Gesundheitsversorgung in Mecklenburg-Vorpommern ist realisierbar, wenn wir die vorhandenen Strukturen besser verzahnen und die eingesetzten Ressourcen effizienter nutzen. Wenn wir es schaffen, dass die Krankenhäuser im ländlichen Raum systematisch auch die ambulante Versorgung stützen, dann kann dies auch zur Versorgungsstabilität in Gänze beitragen.
TK: Wird die Krankenhausreform aus Ihrer Sicht ein Erfolg?
Austenat-Wied: Wir brauchen die Krankenhausreform für mehr Qualität und effizientere Strukturen in der Versorgung. Diese Ziele der Reform müssen wir als Akteurinnen und Akteure in den Bundesländern umsetzen. Dabei dürfen wir die Lastenverteilung nicht aus dem Blick verlieren. Das KHVVG sieht vor, dass die GKV-Beitragszahlenden mit 25 Milliarden Euro belastet werden, um den Transformationsfonds für den Umbau der Kliniken zu finanzieren. Dabei sind Investitionen Aufgabe der Bundesländer. Außerdem werden privat Versicherte nicht an den Kosten beteiligt. Hier braucht es dringend Nachbesserungen. Nur wenn alle relevanten Akteurinnen und Akteure gemeinsam anpacken, kann die Reform ein Erfolg werden, der die Versorgung besser und effizienter macht.
TK: Vielen Dank für das Interview.