Norddeutsche sehen Reformbedarf und sind offen für Neues
Artikel aus Schleswig-Holstein
Die Menschen in Norddeutschland beurteilen ihr Gesundheitssystem überaus positiv, wünschen sich Reformen und stehen Neuerungen positiv gegenüber. Das sind auf den Punkt gebracht die Ergebnisse aus der Erhebung zum TK-Meinungspuls Gesundheit 2021.
Das Meinungsforschungsinstitut Forsa hat im Auftrag der TK die Menschen in Deutschland gefragt, wie sie zum Gesundheitssystem stehen, wie sie es erleben und welche Wünsche und Erwartungen sie haben. Die aktuelle repräsentative Umfrage zum TK-Meinungspuls Gesundheit 2021 zeigt: 49 Prozent der Menschen in den norddeutschen Bundesländern (Schleswig-Holstein, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Bremen) sind mit dem deutschen Gesundheitssystem vollkommen oder sehr zufrieden, 43 Prozent sind zufrieden. Acht von zehn Befragten (81 Prozent) bewerten die Pandemiebewältigung - im Vergleich mit anderen europäischen Ländern - mit "gut" oder "sehr gut".
Gleichzeitig sehen insgesamt 76 Prozent der befragten Menschen im Norden Reformbedarf im Gesundheitswesen - 70 Prozent sehen stellenweise Reformbedarf und sechs Prozent grundlegenden. Und die Norddeutschen sind offen in Sachen Gesundheit, Neues auszuprobieren.
Mehrheit rechnet mit steigenden Beiträgen
Zur Kernaufgabe in der neuen Legislaturperiode gehört die Finanzierung des Gesundheitswesens zukunftssicher aufzustellen. Die Kosten steigen von Jahr zu Jahr an. Ursächlich ist hier vor allem auch die teure Gesetzgebung in den vergangenen Legislaturperioden - die Pandemie hat die Situation nur verschärft.
Eine große Mehrheit der zum TK-Meinungspuls befragten Menschen in Norddeutschland rechnet mit steigenden Beiträgen: 88 Prozent gehen von einem Anstieg aus, lediglich sechs Prozent erwarten gleichbleibende Beiträge. Zudem geht jede vierte befragte Person (38 Prozent) davon aus, dass der Leistungsumfang der Krankenkassen eingeschränkt wird.
Vor die Alternative gestellt, bei stabilem Leistungsumfang höhere Beiträge zu zahlen oder bei stabilen Beiträgen auf Leistungen zu verzichten, sprechen sich 73 Prozent der Norddeutschen für einen gleichbleibenden Leistungsumfang aus - 22 Prozent würden für stabile Beiträge weniger Leistungen in Kauf nehmen.
Die Idee der elektronischen Patientenakte überzeugt
Die jetzige Bundesregierung hat das Tempo in Sachen Digitalisierung deutlich erhöht und wichtige Grundsteine gelegt: Unter anderem ist die elektronische Patientenakte (ePA) seit 1. Januar 2021 Teil der Regelversorgung. Mehr als 260.000 Versicherte der TK nutzen sie bereits. Die Forsa-Umfrage im Auftrag der TK für den Meinungspuls ergab, dass die große Mehrheit der Befragten (85 Prozent) von der Idee der ePA überzeugt ist.
Seit Herbst 2020 haben Versicherte Anspruch auf Erstattung von Digitalen Gesundheitsanwendungen (DIGA), oft als "Apps auf Rezept" bezeichnet. Sie eröffnen Patientinnen und Patienten vielfältige Möglichkeiten zur Erkennung und Behandlung von Krankheiten und können sie bei einer selbstbestimmten gesundheitsförderlichen Lebensführung unterstützen.
Allerdings sind die neuen Möglichkeiten noch wenig bekannt: Lediglich 17 Prozent der Befragten in Norddeutschland ist die "App auf Rezept" bereits ein Begriff, jede vierte befragte Person (37 Prozent) steht dem Angebot aber offen gegenüber und könnte sich vorstellen, DIGA für sich zu nutzen.
Norddeutsche stehen Videosprechstunden offen gegenüber
Ärztliche Video-Sprechstunden haben sich inzwischen bewährt. Durch die Pandemie haben sie an enormer Bedeutung gewonnen - die Nutzerzahlen sind stark angestiegen. In Schleswig-Holstein stieg die Zahl der Videosprechstunden im Vergleich der ersten Halbjahre 2019 zu 2020 um über 700 Prozent. Der TK-Meinungspuls zeigt, dass die Norddeutschen Videosprechstunden gegenüber sehr offen sind. Zwar haben bisher erst drei Prozent der Befragten diese genutzt, 85 Prozent der Nutzerinnen und Nutzer waren mit der Videosprechstunde aber zufrieden. Insgesamt ist die Offenheit, eine ärztliche Videosprechstunde zu nutzen, sehr hoch: 63 Prozent der Menschen im Norden können sich vorstellen bei einer leichten Erkrankung eine Videosprechstunde zu nutzen.
Mehrheit würde Daten an Kassen und Forschung spenden
Die Bereitschaft, eigene Gesundheitsdaten, also selbst oder von Medizinerinnen und Medizinern erfasste medizinische Daten in pseudonymisierter Form an Dritte weiterzugeben, hängt davon ab, wer diese Daten erhalten soll. Immerhin 76 Prozent der im Norden befragten Menschen sind grundsätzlich zu so einer Datenspende an die medizinische Forschung bereit.
Gegenüber Krankenkassen ist diese freiwillige - pseudonymisierte - Datenspende jedoch ausgeschlossen. Und das, obwohl Krankenkassen auch die Aufgabe haben, an der Verbesserung der Qualität der Versorgung arbeiten. Aus TK-Sicht sollten Daten, die der medizinischen Forschung zur Verfügung gestellt werden, auch Krankenkassen nutzen dürfen. Darüber hinaus sollte es möglich sein, weitere selbst erhobene Gesundheitsdaten, die Versicherte ihrer Krankenkasse freiwillig zur Verfügung stellen, zu nutzen, um Versorgungs- oder Präventionsangebote gezielt weiterzuentwickeln. 67 Prozent der zum TK-Meinungspuls 2021 befragten Menschen in Norddeutschland würden solche Daten auch ihrer Krankenkasse zur Verfügung stellen.
Praxis zu? - Videosprechstunde als Alternative zur Notfallambulanz
Für den Meinungspuls 2021 hat Forsa im Auftrag der TK auch gefragt, wie die Versorgung vor Ort aussieht, was den Menschen wichtig ist und in welchen Bereichen sie bereit sind, neue Wege in Sachen Gesundheit zu gehen.
Fast jede oder jeder vierte Befragte (35 Prozent) in Norddeutschland hatte in den letzten drei Jahren gesundheitliche Beschwerden außerhalb der Praxisöffnungszeiten. Davon suchten 32 Prozent die Notaufnahme auf, 22 Prozent riefen einen Rettungswagen, jeweils 15 Prozent wandten sich unter 116 117 an den ärztlichen Bereitschaftsdienst oder suchten eine Bereitschaftspraxis auf.
Alternativ im Fall von akuten Beschwerden außerhalb der Praxisöffnungszeiten Kontakt per Videosprechstunde zu einer Ärztin oder einem Arzt aufzunehmen, ist für die Mehrheit der Menschen im Norden attraktiv. Immerhin 64 Prozent würden das ausprobieren.
Mehrheit befürwortet Spezialisierung von Kliniken
Bei Krankenhäusern - im Sinne der Qualität - auf mehr Spezialisierung zu setzen, wird von 56 Prozent der Befragten unterstützt, auch wenn damit längere Anfahrtswege verbunden sein könnten. Für eine schlechte oder weniger gute Idee halten das 43 Prozent der Menschen in den fünf norddeutschen Bundesländern Schleswig-Holstein, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Bremen.
Wohnen im Alter: 84 Prozent wollen zu Hause gepflegt werden
Die Zahl der Pflegebedürftigen steigt stetig an. In Schleswig-Holstein leben laut der aktuellen Pflegestatistik 2019 des Statistischen Bundesamtes über 130.000 pflegebedürftige Menschen. Davon werden 27 Prozent in einer stationären Einrichtung versorgt, 24 Prozent durch einen Pflegedienst und über 43 Prozent durch Familienangehörige.
Auf die Frage, wo die Norddeutschen bei Pflegebedürftigkeit wohnen möchten, antwortete mit 84 Prozent die große Mehrheit, dass sie in den eigenen vier Wänden versorgt werden möchte. Für 71 Prozent ist "betreutes Wohnen" denkbar, für 61 Prozent eine WG mit anderen Seniorinnen und Senioren. 55 Prozent würden gerne zu Angehörigen ziehen, fast ein Drittel steht einem Umzug in ein Pflegeheim offen gegenüber.
Dass die Digitalisierung zur Lösung der Probleme in der Pflege beitragen kann, glaubt mehr als die Hälfte (57 Prozent) der befragten Menschen im Norden.
Mit 88 Prozent geht die große Mehrheit der Befragten davon aus, dass auch die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung in den kommenden fünf Jahren steigen werden.