"Wir müssen die ePA zum Laufen kriegen"
Interview aus Schleswig-Holstein
Wie bewertet ein digital affiner Hausarzt aus Nordfriesland die Digitalstrategie des Bundesgesundheitsministeriums? Im Interview spricht der Allgemeinmediziner und Vorsitzender des Hausärzteverbands SH Jens Lassen über die Pläne aus Berlin.
TK: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat im März die Digitalstrategie für das Gesundheitswesen vorgestellt. Was sagen Sie als digitalaffiner Landarzt dazu: Ein Schritt in die richtige Richtung oder kommt sie viel zu spät?
Dr. Jens Lassen: Ich habe das sehr genau verfolgt mit der Digitalstrategie, denn wir Hausärztinnen und Hausärzte erhoffen uns davon viel. Wir warten schon lange auf gute digitale Lösungen, die uns in unserem Arbeitsalltag und bei der Versorgung der Patientinnen und Patienten wirklich weiterhelfen. Entscheidend sind für uns insbesondere das E-Rezept und die elektronische Patientenakte. Von daher: Ja, es ist ein unbedingt notwendiger Schritt, der aber auch gerne schon hätte früher kommen können.
Wir warten schon lange auf gute digitale Lösungen.
TK: Schauen wir uns mal die konkreten Pläne in der Digitalstrategie genauer an. Bewerten Sie auf einer Skala von 1 bis 10, für wie sinnvoll Sie als Hausarzt die folgenden Pläne halten. 1 heißt in diesem Fall "keine gute Idee" und 10 "absolut sinnvoll". Das Opt-out-Verfahren der ePA?
Lassen: Zehn Punkte, denn wir müssen die ePA zum Laufen kriegen. Wir haben gesehen, dass es ohne Opt-Out offenbar nicht funktioniert. Wichtig ist mir dabei, dass die Patientinnen und Patienten Herr über ihre Daten bleiben.
TK: Die Anbindung des E-Rezeptes an die ePA?
Lassen: Das ist für mich schwierig in Zahlen auszudrücken. Momentan ist das für mich eine reine Frage des Zugangs zur E-Rezept-App. Wir haben das Problem, dass sich die Patientinnen und Patienten derzeit nur mit Pin legitimieren können und eben eine extra App für das E-Rezept benötigen. Wenn es dann tatsächlich so kommt, dass das E-Rezept in die ePA eingebunden ist, sind das für mich definitiv auch zehn Punkte. Allerdings bin ich hier vorsichtig optimistisch, denn wir haben - was das E-Rezept angeht - schon viele Rückschläge erleben müssen.
TK: Digital unterstütztes Medikationsmanagement?
Lassen: Glatte zehn Punkte, denn das brauchen wir. Ärztinnen und Ärzte sind zwar gut ausgebildet, was das Thema Wechselwirkung von Medikamenten angeht. Es ist unsere tägliche Arbeit, Medikationen von Menschen aufeinander abzustimmen. Wir haben auch schon Unterstützung mit unseren Praxissoftwaresystemen. Aber wer will sich schon gegen einen solchen weiteren digitalen Helfer wehren?
TK: Aufhebung der 30-Prozent-Limitierung telemedizinischer Leistungen?
Lassen: Dieser Vorschlag trifft sicherlich den Zeitgeist. Zum jetzigen Zeitpunkt sind wir aber in der Hausarztpraxis weit weg von einer 30-prozentigen Versorgung mit Telemedizin. Wir haben natürlich im Zuge der Pandemie massiv an Fahrt aufgenommen und gesehen, dass Telemedizin durchaus sinnvoll ist. Wir dürfen aber nie vergessen, dass unser Mangel die Arztzeit ist - und durch Videosprechstunden habe ich nicht unbedingt mehr Zeit für meine Patientinnen und Patienten zur Verfügung. In der Praxis bringt es natürlich etwas weniger Patienten-Aufwand mit sich, dafür muss ich mich aber um technische Voraussetzungen kümmern. Deshalb vergebe ich hier nur fünf Punkte.
TK: Die Einführung eines Messengerdienstes für die Kommunikation unter den Leistungserbringern im ersten Schritt und im zweiten zwischen Ärztinnen und Ärzten und Patientinnen und Patienten?
Lassen: Für mich ist dieser Vorschlag ganz schwer in Zahlen auszudrücken. Unter den Leistungserbringern ist das natürlich absolut sinnvoll. Beim zweiten Schritt bin ich noch skeptisch. Es schürt natürlich erst einmal Ressentiments und Vorbehalte unter der Ärzteschaft. Wenn man sich heute den E-Mail-Posteingang einer Hausarztpraxis anschaut, dann finden sich zahlreiche Mails mit Fragen nach einer Krankschreibung oder der Bitte nach einem Antibiotikum bei Erkältung. So verhält sich natürlich nicht die breite Masse, aber wir haben die Befürchtung, dass diese Nachrichten in der Summe ansteigen, wenn der Messengerdienst kommt. Daher ist es unbedingt notwendig, dass die Patientinnen und Patienten genau wissen, wofür diese neue Kommunikation gedacht ist.