GKV-Finanzen: vielleicht mal ohne Verschiebe-Bahnhöfe…
Artikel aus Schleswig-Holstein
Wie gelingt es, die Finanzierung von Gesundheit zukunftssicher aufzustellen? Das ist die zentrale gesundheitspolitische Frage der aktuellen Legislaturperiode. Im Kommentar teilt Sören Schmidt-Bodenstein, Leiter der TK-Landesvertretung Schleswig-Holstein, seine Einschätzungen in der aktuellen Debatte.
In der GKV gibt es ein strukturelles Defizit in Milliardenhöhe. Für das laufende Jahr hat man - vor allem mit Geldern der Beitragszahlenden - ein zweistelliges Milliardenloch gestopft. Für das Defizit gibt es verschiedene Ursachen. Vor allem steigen die Ausgaben in der GKV stärker als die Beitragseinnahmen. Diese Herausforderung wird staatlicherseits immens verschärft. Konkret: Die Politik verschiebt immer wieder Kostenblöcke zu den Kassen, die zu tragen eigentlich Aufgabe des Staates ist (sog. Verschiebebahnhöfe).
Eine strukturelle Debatte mit mittel- und langfristigen Lösungen zu den GKV-Finanzen muss dieses Jahr geführt werden. Das wird spannend. Die im letzten Jahr für 2023 gefundene kurzfristige Lösung wurde ausdrücklich als Absicherung des Folgejahres "gelabelt". Nun soll es also um das große Ganze gehen, um "eine stabile, verlässliche und solidarische Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung." Das Bundesgesundheitsministerium soll bis zum 31. Mai 2023 Ideen vorlegen. Ein paar liegen auf der Hand, etwa das Schließen der Verschiebebahnhöfe. Ein paar Beispiele:
Maßnahmen zu Lasten der Beitragszahlenden
Thema Bürgergeld: Was die Krankenkassen vom Staat erhalten, reicht bei Weitem nicht zur Finanzierung der gesundheitlichen Versorgung der Betroffenen aus. Die Folge: Rund zehn Milliarden Euro tragen die Versicherten der Krankenkassen als - sagen wir mal - zusätzlichen Sozialtransfer. Klar ist allen Beteiligten, dass es sich hier in Wirklichkeit um Aufwendungen handelt, die steuerfinanziert werden müssten. Übrigens: Das GKV-Defizit wäre mit einem korrekten staatlichen Handeln mindestens zu einem Großteil bereits geschlossen.
Ganz aktuell: Die Reform der Unabhängigen Patientenberatung (UPD). Warum werden für die künftige Stiftung ganz wesentlich Beitragsgelder herangezogen? Handelt es sich nicht vielmehr um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die aus Steuermitteln zu finanzieren ist?
Gesundheitskioske des BMG schaffen Doppelstrukturen
Viele Fragen auch bei einem künftigen Projekt des Bundesgesundheitsministers, den Gesundheitskiosken. Die ursprüngliche Idee der Gesundheitskioske war, vulnerablen Gruppen im Rahmen von speziellen Unterstützungsangeboten in Städten einen angemessenen Zugang zu Gesundheitsleistungen zu ermöglichen. Wenn es sich aber um Daseinsvorsorge handelt, dann müssen doch wohl eher eine Steuer-, keine Beitragsfinanzierung aus den Mitteln der GKV erfolgen. Vom zweifelhaften Versorgungseffekt der Kioske ganz zu schweigen.
Die drei Beispiele zeigen: Es wird noch ein langer und anstrengender Weg zu einer "stabilen, verlässlichen und solidarischen Finanzierung der GKV." Nicht weniger hat das BMG aber im Pflichtenheft stehen. Die GKV und die Beitragszahlenden würden es danken.