2022 lässt viele Baustellen für das kommende Jahr
Position aus Saarland
Das Ende eines Jahres bedeutet auch immer einen Abschluss. Für einige gesundheitspolitische Themen gilt das aber nicht, denn diese werden auch 2023 eine Rolle spielen. LV-Leiter Stefan Groh blickt in seinem Standpunkt zurück, aber auch voraus auf die Herausforderungen im neuen Jahr.
Das Jahr neigt sich immer mehr dem Ende zu und es ist in der Gesundheitspolitik wieder einmal viel passiert. Zeit für einen Rückblick und damit verbunden auch für einen Ausblick auf 2023:
GKV-Finanzen
Die Finanzen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) haben uns dieses Jahr und werden uns auch 2023 stark beschäftigen. Erst einmal ist das Milliardenloch in der Tasche der GKV damit zwar gestopft, doch leider nicht langfristig. Zum einen werden die Beitragszahlenden wieder einmal über Gebühr belastet und durch Abschmelzung der Reserven zusätzlich in die Finanzautonomie der Krankenkassen eingegriffen. Damit wird die Selbstverwaltung geschwächt, die für ein Grundprinzip unseres Gesundheitswesens steht. Zum anderen sind die beschlossenen Maßnahmen nicht nachhaltig, denn es wurde wie auch in den Vorjahren verpasst, größere Strukturreformen in die Wege zu leiten. Außerdem kommt die Politik noch immer nicht ihrer finanziellen Verantwortung bei von den Kassen übernommenen versicherungsfremden Leistungen nach. Die vom Staat an die GKV gezahlten Versicherungsbeiträge für Empfängerinnen und Empfänger von Arbeitslosengeld-II sind bei weitem nicht ausreichend und sorgen jährlich für ein zweistelliges Milliardendefizit bei der GKV. Ohne ein rasches und effektives Gegensteuern in 2023 werden wir die gleiche Finanzdiskussion im kommenden Jahr erneut führen.
Womit wir in diesem Bereich schon beim Ausblick 2023 sind. Ich erwarte von der Bundespolitik, dass endlich nachhaltige Lösungen gefunden werden - ein Arbeitsauftrag für weitere Vorschläge, steht immerhin im GKV-FinStG. Neben einer auskömmlichen Finanzierung der Beiträge für die dann Bürgergeld-Empfängerinnen und -Empfänger brauchen wir dringend auch einen Weg zu fairen Preisen für neue Arzneimittel.
Digitalisierung
Die Ampel-Koalition hatte sich im Bereich Digitalisierung des Gesundheitswesens einiges vorgenommen, doch wirklich etwas entstanden, ist dabei nicht. Die Opt-out-Regelung für die elektronische Patientenakte (ePA) ist noch nicht konkretisiert und beim elektronischen Rezept knirscht es gewaltig. So wurden im Krankenhauspflegeentlastungsgesetz neben den Änderungen im stationären Bereich - auf die ich im nächsten Absatz eingehe - auch einige digitale Aspekte aufgegriffen. Auch beim E-Rezept gibt es Probleme: Anders als von der GKV gefordert, werden E-Rezepte erst einmal nicht direkt in die Kassen-Apps integriert. Versicherte benötigen die E-Rezept-App der gematik, die jedoch bislang kaum jemand kennt bzw. nutzt - ganz im Gegenteil zu unserer TK-App oder ähnlichen Angeboten anderer Kassen. Es ist aus Versichertensicht absolut unverständlich, warum für das E-Rezept eine extra App notwendig ist.
Ein wichtiges Thema für das kommende Jahr im Bereich Digitalisierung ist das Gesundheitsdatennutzungsgesetz. Die bisher bekannten Vorschläge für die Umsetzung haben noch einiges an Verbesserungspotenzial. So müssen die Krankenkassen dringend in den Kreis der Einrichtungen aufgenommen werden, die Zugriff auf die Datenspenden der ePA-Nutzer haben. Schließlich könnten wir daraus wichtige Erkenntnisse für die bestmögliche Versorgung der Versicherten generieren. Außerdem wäre es wichtig, ambulante Abrechnungsdaten schneller verfügbar zu machen.
Im Saarland soll 2023 auch ein wichtiger Schritt nach vorne gemacht werden, denn Gesundheitsminister Dr. Magnus Jung möchte eine Digitalstrategie entwerfen. Dazu ist ein runder Tisch mit allen Beteiligten und ein Kongress geplant. Die Initiative begrüße ich sehr.
Stationärer Sektor
Kurz vor Jahresende legte die Krankenhauskommission erste Vorschläge für eine Krankenhausreform auf den Tisch - mit umfassenden Änderungsambitionen. Das ist ein wichtiger und begrüßenswerter Schritt, zumal bis dahin "Krankenhauspolitik" eher häppchenweise erfolgte. Etwa wenn im Krankenhauspflegeentlastungsgesetz mit PPR 2.0 ein neues Pflegepersonalinstrument auf den Weg gebracht wird, das fachlich nicht überzeugt und mehr Bürokratie ohne Verbesserung der Personalsituation erwarten lässt.
Mit dem durch die Kommissionsvorschläge angelaufenen Reformvorhaben wird es 2023 also im Bereich stationäre Versorgung besonders spannend. Bis Ende kommenden Jahres soll das gesetzgeberische Mammutprojekt abgeschlossen sein. Bislang auf dem Programm stehen eine einheitliche Definition von Krankenhaus-Versorgungsstufen (Leveln), um lokale, regionale und überregionale Versorgungsaufträge abzugrenzen, ein System von Leistungsgruppen einzuführen und Vorhaltekosten in die Klinikfinanzierung zu integrieren. Das alles sind wichtige Schritte - insbesondere die sinnvolle Strukturierung der Kliniklandschaft im Sinne der Qualität. Dabei kommt es natürlich auf ihre Ausgestaltung an. Insbesondere die Einführung von Vorhaltekosten darf nicht zum Hintertürchen für eine Teilverstaatlichung des Gesundheitssystems werden, in dem dann eine Behörde einen beträchtlichen Teil der Beitragsgelder verteilt. Eine weitere Grundlage für eine erfolgreiche Reform der Krankenhausfinanzierung ist, dass die Bundesländer die Investitionskosten der Kliniken auskömmlich finanzieren. Sonst könnte es wieder zu Fehlanreizen für die Krankenhäuser kommen, um Investition finanzieren zu können.
Auf Landesebene gab es im ablaufenden Jahr wieder viele Diskussionen um Krankenhausstandorte und -schließungen. Spätestens mit der Ankündigung der Kreuznacher Diakonie, das Evangelische Stadtkrankenhaus in Saarbrücken schließen zu wollen, war das Thema ganz oben auf der Tagesordnung. Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass die Krankenhausplanung zukünftig eng an den Bedarf gekoppelt wird. Nur dann macht die Einteilung in Versorgungsstufen wirklich Sinn.
Wie Sie sehen, gibt es viel zu tun. Und wie Sie in den Kurzinterviews mit anderen Experten aus dem saarländischen Gesundheitswesen erkennen können, sind die Meinungen dazu sehr unterschiedlich. Das wichtigste wird auch im kommenden Jahr sein, dass alle Beteiligten miteinander im Gespräch bleiben. Schließlich wollen wir im Grunde alle mit einem effektiven Einsatz der finanziellen Mitteln eine bestmögliche Versorgung für die Menschen im Saarland erreichen. Ich freue mich jedenfalls auf das kommende Jahr und die Herausforderungen, die wir nur alle gemeinsam bewältigen können.