Notfallversorgung kann nur sektorenübergreifend funktionieren
Interview aus Saarland
Dr. Magnus Jung ist als Minister für Arbeit, Soziales, Frauen und Gesundheit im Saarland auch für das Thema Notfallversorgung verantwortlich. Im Interview verrät er, was er von den Plänen der Bundesregierung hält und wie er die Lage an der Saar beurteilt.
TK: Sehr geehrter Minister Dr. Jung, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat kürzlich Eckpunkte für eine Notfallreform vorgestellt. Wie bewerten Sie die Vorschläge?
Minister Dr. Magnus Jung: Grundsätzlich sind die Vorschläge innerhalb der Notfallreform gut. Dazu zählen beispielsweise die konkreten Vorgaben für den Bereitschaftsdienst und die Neuausrichtung der Integrierten Notfallzentren aber auch das Ziel, eine bessere Vernetzung und Abstimmung zu erreichen. Die weitere Ausarbeitung wird hier für den Erfolg entscheidend sein. Bislang ist beispielsweise nicht genau definiert, wie eine telemedizinische und aufsuchende Versorgung 24/7 umgesetzt werden soll. Wir haben bereits jetzt mit einem Ärztemangel zu kämpfen. Hier muss eine praxisorientierte Lösung gefunden werden.
TK: Wie schätzen Sie die aktuelle Lage der Notfallversorgung im Saarland ein?
Dr. Jung: Insgesamt können wir im Saarland auf eine gute Notfallversorgung mit kurzen Wegen zurückgreifen. Ich möchte außerdem festhalten, dass die Strukturen im Saarland bereits jetzt nahe an den Zielsetzungen der Eckpunkte der Notfallreform sind. Das betrifft sowohl die Anbindung der 116 117 an die Rettungsleitstelle wie auch die Struktur der Bereitschaftsdienstpraxen in oder an Krankenhäusern. Dennoch gibt es natürlich auch im Saarland Verbesserungspotenzial. Aufgrund des Mangels an ärztlichem und pflegerischem Personal, der überall zu spüren ist, müssen wir leider zunächst das Ziel setzen, den guten Status quo zu erhalten.
TK: Man hört vereinzelt, dass Rettungswagen Patientinnen und Patienten von Klinik zu Klinik fahren müssen, weil niemand mehr Kapazitäten in der Notaufnahme hat. Wie kann das aus Ihrer Sicht zukünftig verhindert werden?
Dr. Jung: Die in der Notfallreform enthaltene Verbesserung der Patientensteuerung kann hier zukünftig für Entlastung sorgen. Nicht wenige Menschen suchen nach wie vor die Notaufnahmen auf, auch wenn eigentlich keine Not vorliegt. Das erschwert die Versorgung echter Notfälle und bindet Ressourcen. Umgekehrt kann es für Patientinnen und Patienten mitunter schwer einzuschätzen sein, ob es sich bei Beschwerden um einen Notfall handelt oder nicht. Bei entsprechender Unsicherheit sollte daher ein Anruf beim ärztlichen Bereitschaftsdienst die erste Maßnahme sein. So können vermeidbare Einsätze des Rettungsdienstes reduziert und die Notaufnahmen entlastet werden. Aber auch hier können durch die verbesserte digitale Vernetzung die Fahrten zielgerichteter gesteuert werden.
TK: Nachdem die Bereitschaftsdienstpraxen der Kassenärztlichen Vereinigung Saarland für Kinder und Jugendliche Anfang 2024 auf zwei reduziert wurden, sollen im Laufe des Jahres auch die restlichen Bereitschaftsdienstpraxen deutlich reduziert werden. Was bedeutet das für die Notfallversorgung und wie kann man diese Reduktion auffangen?
Dr. Jung: Wir bedauern die Ankündigung der KV Saarland, die Zahl der Bereitschaftsdienstpraxen im Saarland halbieren zu wollen. Wir suchen jetzt das Gespräch, um praktikable Lösungen zu finden, weil auch in Zukunft das Angebot der Bereitschaftsdienstpraxen gesichert werden muss. Dabei dürfen weder die niedergelassenen Ärzte noch die Krankenhäuser überfordert werden.
TK: Wie wichtig ist eine sektorenübergreifende Planung und Zusammenarbeit in der Notfallversorgung?
Dr. Jung: Eine zukunftssichere Notfallversorgung kann aus meiner Sicht nur sektorenübergreifend funktionieren. Damit kann dem Fachkräftemangel begegnet und die Versorgung weiterhin sichergestellt werden.
Zur Person
Dr. Magnus Jung gehört seit 2009 dem saarländischen Landtag an. Der SPD-Politiker war von 2014 bis 2022 stellvertretender Fraktionsvorsitzender und war in der vergangenen Legislaturperiode als gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion auch Vorsitzender des Ausschusses für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie. Seit 26. April 2022 ist er als Minister für Arbeit, Soziales, Frauen und Gesundheit vereidigt.