"Ich bin jetzt Teil der Versorgung geworden"
Interview aus Sachsen
Die Landesvertretung der TK in Sachsen hat mit Alexander Krauß seit März einen neuen Leiter. Der 46-Jährige studierte Politikwissenschaftler war zuvor in der Gesundheitspolitik aktiv.
TK: Wie unterscheidet sich Ihre neue Aufgabe bei der TK von Ihrer alten Funktion in der Politik?
Alexander Krauß: Als Bundestagsabgeordneter war mir eher eine abstrakte Herangehensweise an gesundheitspolitische Probleme vertraut. Der Blick richtet sich vor allem auf die Gesetzgebung - wie Gesetze im Sinne der Bevölkerung verändert werden können, um Missstände zu beheben oder Fehlentwicklungen entgegenzusteuern. Als Leiter der TK-Landesvertretung bin ich stärker in der Versorgungsebene integriert, ich bin sozusagen selbst Teil der Versorgung geworden. Die Problemfelder sind spezieller und ich kann direkt in den Prozess eingreifen - sofern es Möglichkeiten gibt. Und diese will ich für Sachsen ausloten, um für die Versicherten passgenaue Lösungen zu finden.
TK: Was halten Sie für wichtig, wo gibt es für Sie im Bundesland dringenden Handlungsbedarf?
Krauß: Überall - unabhängig vom Wohnort - muss eine gute medizinische Versorgung gewährleistet sein. Wir haben in Sachsen Regionen, die einen Facharztmangel haben oder gar unterversorgt sind. Mit Modellprojekten, wie in Marienberg oder Weißwasser können wir mit Hilfe neuer Technik, der Nutzung von digitalen Möglichkeiten oder der Delegation ärztlicher Leistung ganz konkret die Versorgung in diesen Regionen mit Mangel an Ärzten verbessern. Sachsen versucht ja bereits mit verschiedenen weiteren Förderprogrammen diese Probleme zu beheben. Trotzdem müssen wir alle im Gesundheitswesen dabei schneller und innovativer werden.
Überall muss eine gute medizinische Versorgung gewährleistet sein.
TK: Was sollte Sachsen in Sachen Gesundheitspolitik voranbringen?
Krauß: Zweifellos hat die Pandemie die Digitalisierung des Gesundheitswesens vorangetrieben. Manches, was vorher sowohl unter der Ärzteschaft als auch auf Patientenseite weniger Akzeptanz fand, hat jetzt seinen Platz in der Versorgung gefunden. Ich denke da beispielsweise an die Videosprechstunde. Das bedeutet nicht, dass die Telemedizin den gewohnten Besuch in der Arztpraxis ablösen soll, sondern dass sie als ein zusätzliches Angebot verstanden wird. Ich könnte mir vorstellen, dass in unterversorgten Regionen oder beispielsweise bei Routine-Arztbesuchen ein Videogespräch mit dem Arzt die Versorgung dauerhaft verbessern könnte.
Ebenfalls in der Pandemie ist uns allen sehr bewusst geworden, welche wichtige Rolle der Öffentliche Gesundheitsdienst spielt. Ich begrüße es sehr, dass jetzt ein Gesetz zur Stärkung des ÖGD verabschiedet wurde und mehr Bundesgelder in Personal und Technik fließen. In Sachsen sollten wir grundsätzlich über Strukturen des ÖGD nachdenken. Wir sollten die Chance nutzen, den ÖGD in Sachsen inhaltlich und strukturell neu aufzustellen. Public Health, die Möglichkeit, dass Menschen möglichst lange gesund bleiben, sollten Zukunftsaufgaben für den ÖGD sein.
Derzeit wird der Entwurf für ein neues sächsisches Krankenhausgesetz diskutiert. Unsere zentrale Forderung ist dabei die Verpflichtung zu einer ausreichenden und zukunftssicheren Investitionskostenfinanzierung. Bei Krankenhausinvestitionen handelt es sich schließlich um eine Pflichtaufgabe der Länder. Sachsens Kliniken dürfen den Anschluss weder baulich noch technisch, aber am allerwenigsten bei der Digitalisierung verlieren.
TK: Welche gesundheitspolitischen Ziele sollte Deutschland unbedingt erreichen?
Sachsens Kliniken dürfen den Anschluss weder baulich noch technisch, aber am allerwenigsten bei der Digitalisierung verlieren.
Krauß: Die Finanzierung des Gesundheitssystem ist unbedingt sicherzustellen. Für nächstes Jahr rechnen wir mit einer Finanzierungslücke von mindestens 17 Mrd. Euro. Allein durch Steuermittel werden wir diese nicht auf Dauer geschlossen bekommen. Es braucht sicherlich Maßnahmen zur Kostendämpfung, jedoch ohne die Versorgungsqualität zu verschlechtern. Unser Ziel muss es sein, die hohe Qualität unseres Gesundheitssystems beizubehalten.
Ein wichtiger Baustein davon ist sicherlich die weitere Digitalisierung. Ich denke an die elektronische Patientenakte, das elektronisches Rezept und die elektronische Krankschreibung. Auch in Big Data sehe ich eine große Chance. Eine Datennutzung zugunsten des Allgemeinwohls könnte der Versorgungsforschung einen kräftigen Schub verleihen. Die Medizinische Versorgung wird damit individueller, gezielter, besser, effektiver und bestenfalls auch kostengünstiger.
TK: Wo tanken Sie neue Energie, wie können Sie sich erholen?
Krauß: Ich fühle mich in meinem heimatlichen Erzgebirge sehr wohl, da kann ich abschalten. Ich verbringe die freie Zeit, die mir am Wochenende bleibt, intensiv mit meiner Familie. Radfahren und Skifahren sind Aktivitäten, bei denen ich mich aktiv erholen kann.