#Chefinsache für mehr Gesundheitsförderung und Prävention
Interview aus Mecklenburg-Vorpommern
Im Interview erläutert Manon Austenat-Wied, welche Maßnahmen zu mehr und qualitativ besserer Prävention und Gesundheitsförderung in Mecklenburg-Vorpommern beitragen können.
Die Landesregierung hat gemeinsam mit zahlreichen Präventionsexperten in der vergangenen Legislaturperiode Gesundheitsziele für Mecklenburg-Vorpommern erarbeitet. In diesem Prozess wurden auch die strukturellen Voraussetzungen für eine bessere gesundheitliche Entwicklung der Menschen in unserem Bundesland analysiert.
TK: Frau Austenat-Wied, sind die Antrengungen im Bereich Gesundheitsförderung und Prävention in unserem Bundesland bislang zu gering?
Manon Austenat-Wied: Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten. Zunächst einmal bin ich davon überzeugt, dass die Akteurinnen und Akteure des Präventionsbereichs und der Gesundheitsförderung nahe an ihren Kapazitätsgrenzen arbeiten. Dazu ein Beispiel: Wir als Techniker Krankenkasse haben gemeinsam mit den weiteren Akteurinnen und Akeuren des Versorgungsbereichs langfristige Angebote in den Lebenswelten der Menschen etabliert oder arbeiten gegenwärtig an der Entwicklung. Allerdings und dies ist der zweite Teil meiner Antwort auf die Frage, ob der "Mitteleinsatz" mit Blick auf die Ziele ausreichend ist. Wir sind meiner Einschätzung nach an einem Punkt angekommen, an dem wir über die Effektivität und Effizienz unseres Gesamtansatzes nachdenken müssen. Denn unsere Erfahrungen zeigen, der Erfolg von Präventionsmaßnahmen und guter Gesundheitsförderung ist nicht mit mehr Geld oder mehr Personal, sondern nur mit "Adhärenz" und "Compliance" erreichbar.
TK: Wie könnten "Compliance" und "Adhärenz" verbessert werden?
Austenat-Wied: Bereits in der Epoche der "Aufklärung" versuchten die Menschen sich durch rationales Denken von fortschrittsbehindernden Strukturen zu entledigen. Spannenderweise resultiert aus der eigenen rationalen Erkenntnis aber nicht zwangsläufig eine Verhaltensänderung. Und damit sind wir auch schon bei einem Problem der Gesundheitsförderung und Prävention. Eine bessere "Gesundheitsbildung" allein ist nicht ausreichend, um gesundheitsfördernde Effekte in nennenswerten Größenordnungen zu erzielen.
Aus unserer Sicht ist ein stufenweiser und partizipativer Ansatz bislang der "Goldstandard", um Gesundheitsförderung und Prävention nahe am Bedarf auszurichten. So entwickeln wir als TK beispielsweise stets gemeinsam mit unseren Partnerinnen und Partnern vor Ort individuelle Konzepte für wirksame Prävention und Gesundheitsförderung. Der Weg zu diesem Gesundheitsförderungsprozess in Kita, Kommune oder Schule funktioniert einfach über unser Lebenswelten-Portal. Nach der Phase der Bedarfsermittlung können wir gemeinsam mit Projektpartnerinnen und -partnern und der Zielgruppe in den Lebenswelten attraktive Angebote entwickeln oder bereits erprobte Maßnahmen umsetzen. Gerade dieser Prozess entlang an den Bedarfen der Zielgruppe ist es, der "Compliance" und "Adhärenz" positiv beeinflusst.
TK: Allerdings nicht stark genug, um die gesundheitliche Entwicklung im gesamten Land zu beeinflussen.
Austenat-Wied: Für diesen umfassenden Prozess benötigen wir eine stärkere Verankerung von gesundheitsbewusstem Verhalten in allen Lebensbereichen. Außerdem muss das tägliche Leben als zentrales Interventionsmoment besser erschlossen werden. Informationen und Erkenntnisse nützen wenig, wenn diese im Alltag nicht mehr abrufbar sind. Auch die Erfahrungen aus absolvierten Kursen weichen in der Hitze des Lebens oft den langjährig eingeübten Gewohnheiten.
Gleichzeitig ist die Entwicklung der gesundheitlichen Bevölkerungssituation von großen und wirkungsstarken Trends geprägt. Die Menschen in unserem Bundesland werden immer älter und damit werden auch altersbedingte Gesundheitsleiden mehr. Dazu kommt, dass sich bestimmte Effekte, z. B. von zu wenig Bewegung, familiäre Belastungsfaktoren oder beruflicher Stress, vor allem in höherem Lebensalter auf die Gesundheitssituation niederschlagen. Damit wir diesen Trend wirksam entgegentreten können, benötigen wir eine gesamtgesellschaftliche Kraftanstrengung.
TK: Das klingt so, als hätten Sie einen Plan im Kopf.
Austenat-Wied: Dieser Plan exisitiert nicht nur in meinem Kopf, sondern ist Konsens der meisten Entscheidungstragenden im Gesundheitsbereich. Denn wir haben gemeinsam aus jüngsten Erfahrungen der Pandemie gelernt und wollen die Verbesserungsbedarfe im System umsetzen. Der erste Schritt für eine noch wirkungsstärkere Gesundheitsförderung und Prävention in Mecklenburg-Vorpommern wäre es, wenn wir bei der Abarbeitung der Gesundheitsziele Mecklenburg-Vorpommerns mehr Tempo machen. Die dort vereinbarten Maßnahmen und Handlungspläne sind eine solide Grundlage um die Bedeutung gesundheitspräventiven Verhaltens in allen gesellschaftlichen Bereichen zu stärken.
Ein weiterer Baustein sollte aus meiner Sicht die Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) sein. Gerade die Menschen vor Ort haben in der Pandemie-Bekämpfung wesentliche Arbeit geleistet und durch ihre starke regionale Vernetzung zur Bewältigung beigetragen. Von diesen Qualitäten könnten auch die Gesundheitsförderung und Prävention profitieren. Der ÖGD ist ein wichtiges Element unseres Gesundheitswesens und unerlässlich für Prävention, Information und Gesundheitsberichterstattung. Wir hoffen darauf, dass die Bundes- und Landesregierung diese Auffassung teilt und den ÖGD zu einem modernen, multiprofessionellen und stabil finanzierten Public Health-Dienst entwickelt.
Und der dritte Baustein betrifft die trägerübergreifende Zusammenarbeit. Viele (Gemeinschafts-)Initiativen, in die wir unsere Angebote einbringen, sind vor vielen Jahren auf den Weg gebracht worden. Gleichzeitig haben wir als TK unsere Produkte stetig an den Bedarfen unserer Kundinnen und Kunden weiterentwickelt. Oder wie oben geschildert erfolgreich auf wissenschaftlich begleitete partizipative Ansätze umgestellt. Aus meiner Sicht ist es höchste Zeit, diesen qualitativen Transformationsprozess auch auf struktureller Ebene im Land zu vollziehen. Wir sollten daher bestehende Programme und Initiativen so weiterentwickeln, dass sie einfacher abrufbar, passgenauer für die Situation vor Ort und umfassender personell begleitet sind. Für diese Entwicklung machen wir uns stark und stehen mit Rat und Tat zur Seite.