Die Zukunft der ländlichen Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern
Position aus Mecklenburg-Vorpommern
Damit das Gesundheitssystem leistungsfähig bleibt, sind in den kommenden Jahren zahlreiche Veränderungen notwendig.
In Mecklenburg-Vorpommern ist der Veränderungsdruck besonders in ländlichen Regionen spürbar. Während gegenwärtig noch Sektorengrenzen, analoge Prozesse und statische Arbeitsabläufe die Versorgungsrealität dominieren, wird die zukünftige Versorgungslandschaft kooperativer, sekorenunabhängig und digitaler organisiert sein. In unseren Thesen erfahren Sie, welche Schritte aus TK-Perspektive notwendig sind, damit wir die "Versorgung auf dem Land" langfristig sichern.
Fünf Schritte für die erfolgreiche ländliche Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern
Aus unserer Sicht sind die folgenden fünf Reformschritte notwendig, um die ländliche Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern zu sichern:
Schritt 1: Leistungserbringung unabhängig vom Versorgungssektor ermöglichen
Die ambulante Bedarfs- und stationäre Krankenhausplanung müssen wir als Akteurinnen und Akteure im Gesundheitswesen gemeinsam mit der zuständigen Landesbehörde zu einer sektorenübergreifenden Versorgungsplanung weiterentwickeln. Um einen bestehenden oder drohenden Mangel in der Versorgung festzustellen, sollte sich das Gremium nach § 90a SGB V regelhaft mit der Versorgungssituation im Bundesland auseinandersetzen. Die Landesregierung sollte erwirken, dass der Bundesgesetzgeber dem Gremium ein konkretes Spektrum an Aufgaben und Zuständigkeiten überträgt. Damit könnten zukünftig Versorgungsaufträge in einer Region ausgeschrieben und dann unabhängig vom Versorgungssektor bedient werden. Die Krankenhausstandorte in den ländlichen Regionen könnten als Regionale Gesundheitszentren (RGZ) die Akut- und Notfallversorgung sowie Leistungen der ambulanten und stationären (Grund-) Versorgung und ebenfalls den Rettungsdienst abdecken. Damit würden Sie zur zentralen Versorgungsstelle für die Patientinnen und Patienten einer Region.
Schritt 2: DRG-System bedarfsspezifisch und qualitätsorientiert weiterentwickeln
Mit den Fallpauschalen wurde die Krankenhausfinanzierung Leistungstransparenter und ökonomisch vergleichbar. Mit einer Fortentwicklung des DRG-Systems, können die Stärken des Systems gewahrt und bestehende Schieflagen ausgeglichen werden. Mit einem neuen Mix aus Fallpauschalen, Vorhaltekosten und Qualitätszuschlägen sind die unerwünschten Entwicklungen erfolgreich adressierbar. Gerade für kleinere Basisversorger in ländlichen Regionen und Maximalversorger mit hochspezialisierten Behandlungsangeboten, sind leistungsunabhängige Vorhaltepauschalen eine finanzielle Entlastung. Allerdings sollten Vorhaltekosten nur für Leistungen übernommen werden, deren Bedarfsnotwendigkeit am Standort festgestellt wurde. Nur so können unwirtschaftliche und fehlausgerichtete Strukturen vermieden werden.
Ein weiterer Ansatzpunkt zur Weiterentwicklung des DRG-Systems sind Qualitätszuschläge. Aus TK-Perspektive ist ein qualitätsorientiertes Vergütungsverfahren wie das "Hospital-Value-Based Purchasing-Program" von Medicare in den USA der richtige Weg, um mehr Anreize für eine bessere Behandlungsqualität zu setzen. In diesem Verfahren wird für das ganze Krankenhaus ein Qualitätsindex gebildet, der aus vier Bereichen besteht. Diese sind: Prozess- und Ergebnisqualität, Patientenzufriedenheit und die Kosteneffizienz. Mit diesem Ansatz ist für alle Bereiche der Krankenhausversorgung eine stärkere Qualitätsorientierung zu erwarten.
Schritt 3: Möglichkeiten der Digitalisierung konsequenter nutzen
Die Akteurinnen und Akteure im Gesundheitswesen schöpfen die Möglichkeiten der Digitalisierung bislang nur zu einem Bruchteil aus. Der Gesetzgeber hat mit der Telematikinfrastruktur und der verpflichtenden Einführung der ePA zum 1. Januar 2021 bereits einen wichtigen Grundstein für die Digitalisierung in der stationären Versorgung gelegt. Bisher war dieser Prozess jedoch auf die innere Systemlandschaft der Krankenhäuser beschränkt. Um Insellösungen und Heterogenität in der IT-Infrastruktur abzubauen beziehungsweise zu vermeiden, ist es notwendig, die Krankenhaus-IT auch nach außen interoperabel zu gestalten. Denn nur wenn alle patientenrelevanten Dokumente auch in die ePA eingestellt werden, kann ein Versorgungsmehrwert entstehen.
Eine weitere Möglichkeit, die Digitalisierung für eine bessere Versorgung im stationären Bereich zu nutzen, wäre ein einheitliches Onlineportal "Notfallkapazitäten". Dieses könnte an den bereits bestehenden webbasierten Anwendungen wie beispielsweise IVENA und dem DIVI-Register anknüpfen. Das Portal sollte den ambulanten und stationären Leistungserbringenden sowie dem Rettungsdienst in Echtzeit einen Überblick über die aktuellen Versorgungskapazitäten geben und so zu einer optimierten Kapazitätsnutzung führen.
Schritt 4: Karrierepfade vorfertigen und attraktiver Arbeitgeber sein
Die Akademisierung der pflegerischen Berufe schreitet voran. Um die zukünftigen Fachkräftebedarfe abzusichern, sollte die Landesregierung verstärkt Maßnahmen zur Ausbildung, Gewinnung und Bindung von Fachkräften ergreifen. Zur Bindung bestehenden Personals trägt nicht nur die attraktive Gestaltung der Arbeitsbedingungen bei, sondern auch das Aufzeigen der unterschiedlichen Karriereentwicklungsmöglichkeiten, etwa durch die transparente Planung von Karrierepfaden in einem Klinikum oder der Gesundheitsbranche. In diesem Zusammenhang ist auch die Möglichkeit der Fachkräfteentwicklung durch Umschulungen bzw. Anwerbung vor Eintritt in ein Studium interessant. Gerade mit Blick auf weniger zukunftsträchtige Branchen, kann die Fachkräftewanderung dabei helfen, die Situation im Gesundheitswesen zu entspannen.
Schritt 5: Fortschritt wagen und Menschlichkeit im Gesundheitssystem bewahren
Einige Institutionen im Gesundheitswesen vermitteln den Eindruck, dass computergestützte Systeme und menschliche Expertise sich im Wettstreit befinden. Dieses "Elfenbeinturm-Denken" ist nicht mehr zeitgemäß. Die Zukunft der bestmöglichen Versorgung ist digital vernetzt, interdisziplinär und kooperativ. Bei wissenschaftlichen Analysen, der Datenspeicherung und Datenauswertung sowie bei der digitalen Wissenserweiterung sollten die Ärztinnen und Ärzte zukünftig unterstützt werden. Denn die Digitalisierung wird die Medizinerinnen und Mediziner im Land noch besser machen. Die Heilkunst wird für absehbare Zeit Heilkunst bleiben. Intuition und Erfahrung sind weiterhin Schlüsselfähigkeiten der Patientenbehandlung. Die Bedeutung von Expertenpools und digitalen Hilfssystemen zur Entscheidungsfindung muss dennoch beträchtlich zunehmen, auch um die Leistungserbringenden bei immer komplexeren und vielfältigeren Tätigkeiten zu entlasten.